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Serie: Interkulturell kompetent unterwegs in … Kenia

Wer international unternehmerisch erfolgreich tätig sein will, der sollte sich auf die Kultur des ins Auge gefassten Auslandsmarktes einstellen. Andernfalls ist die Gefahr groß, dass kulturell bedingte Missverständnisse zum Scheitern eines Geschäftes führen. Blog:subsahara-afrika möchte mit einer Artikelserie über einzelne Länder südlich der Sahara dazu beitragen, interkulturelle Kompetenz zu fördern. Ziel der Serie ist es, für landesspezifische Besonderheiten und Gepflogenheiten zu sensibilisieren und eine weitergehende Auseinandersetzung mit den (Geschäfts-)Kulturen Afrikas anzuregen.

flagge_keniaIm Fokus des fünften Teils der Serie steht das ostafrikanische Land Kenia. Blog:subsahara-afrika hat sieben Fragen an Elizabeth Horlemann gestellt, die sich als zertifizierte Trainerin mit Fragen der interkulturellen Kompetenz in Afrika auseinandersetzt.

Welche Faktoren sind für die kulturelle Prägung Kenias bestimmend?

Für 90 Prozent aller Kenianer ist ihre ethnische Zugehörigkeit wichtiger als ihre Staatsangehörigkeit. Etwa 96 Prozent der 35 Millionen Menschen in Kenia sind Afrikaner, die vor allem dem Bantu-, Niloten- oder Kuschiten-Volksstamm angehören. Mit insgesamt 52 Volksgruppen ist die kulturelle Vielfalt im Land enorm. Die Mehrzahl der Einwohner sind Christen, ca. 33 Prozent Katholiken und 45 Prozent Anglikaner. Ein Zehntel gehört dem muslimischen Glauben an. Die Amtssprachen sind Englisch und Suaheli. Nach blutigen Rebellionen wie dem Mau-Mau-Aufstand im Jahre 1956 erlangte die ehemalige britische Kronkolonie Kenia 1663 die volle Unabhängigkeit und erklärte sich zur Republik. Das dann etablierte Einparteiensystem wurde ab 1982 auf Drängen der internationalen Gebergemeinschaft in einem Demokratisierungsprozess reformiert. 1992 fanden die ersten freien Wahlen statt. Heute ist Kenia trotz vielseitiger Probleme der stabilste und wirtschaftlich stärkste Staat Ostafrikas.

Wie stark ist der Einfluss „westlicher“ Kultur?

Bereits durch das Wirken westlicher Missionare, vor allem durch ihre Implementierung eines Bildungssystems nach westlichem Maßstab, ist der Einfluss des „Westens“ in Kenia früh spürbar. Die Orientierung an westlichen Werten ist vor allem in den kenianischen Großstädten deutlich zu erkennen. Ihre Bevölkerung strebt nach Konsumgütern wie Autos, Mobiltelefonen, Computer und Kosmetik. Reiche Kenianer neigen dazu, zum Einkaufen nach Europa oder Dubai zu fahren. Die im Westen lebenden oder studierenden Kenianer, die sogenannte „Diaspora“, verstärken den westlichen Einfluss dadurch, dass sie in ihrer Heimat vermehrt investieren.

Was für ein Deutschenbild existiert?

Die Kenianer verbinden Deutsche mit Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Fleiß, aber auch häufig mit Rassismus, Arroganz und Direktheit. In den Augen der Kenianer ist der Deutsche bzw. der „Weiße“ ein „Mzungu“, ein „Alles-Wisser“ und „Alles-Könner“. Kenianer sind qualitätsbewusst, schätzen Produkte „made in Germany“ und scheuen auch nicht deren Preis. Sie bewundern den in Deutschland herrschenden Wohlstand und die gute kostenfrei zugängliche Ausbildung. Viele Kenianer würden gerne ihre Kinder nach Deutschland schicken, damit diese dort Medizin, Informatik oder Ingenieurswissenschaft studieren.

Verhaltensnormen / Kulturdimensionen

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In welchen Verhaltensnormen unterscheiden sich Kenianer und Deutsche am deutlichsten? Welche Gemeinsamkeiten bestehen?

Dem Deutschen ist der direkte Blickkontakt wichtig, insbesondere zu seinem Gesprächspartner. Durch dieses Verhalten möchte er diesem Aufmerksamkeit demonstrieren und damit Respekt zollen. Dagegen vermeidet der Kenianer den direkten Blickkontakt und empfindet ihn als unhöflich und unangenehm, da er als eine Art „Waffe“ empfunden wird, die dem Gegenüber schaden kann. Wenn ein Kenianer den Augenkontakt vermeidet und stattdessen auf den Boden starrt, dann ist das auch ein Zeichen von Respekt. Dies ist nur ein Beispiel, das das häufig unterschiedliche Verständnis von Kommunikationsformen verdeutlicht. Auch werden Normen wie Zeit, Vereinbarungen, Verantwortung, Höflichkeit etc. völlig unterschiedlich betrachtet. Es bestehen aber nicht nur kulturelle Unterschiede. Gemein ist den Kenianern und (immer noch) vielen Deutschen z.B. der Sinn für traditionelle Hochzeiten. In beiden Ländern ist die jeweilige Zeremonie geprägt von historisch gewachsenen Sitten und Gebräuchen, vor allem mit Blick auf die Ausstaffierung der Braut.

Wie äußern sich die geschilderten Verhaltensunterschiede in den typischen Situationen des geschäftlichen Aufeinandertreffens?

Das folgende Beispiel macht das unterschiedliche Zeitverständnis deutlich: Wenn sich ein Deutscher bei einem Termin verspätet, wird er sofort anrufen und ein sehr präzises Zeitfenster für seine Ankunft nennen. Ein Kenianer hingegen wird nicht anrufen, geschweige denn sich am nächsten Tag entschuldigen, dass er zum Termin nicht erschienen ist. Für Deutsche ist dies ein Zeichen von Unzuverlässigkeit. In Kenia jedoch gilt: Je wichtiger der Status einer Person, desto später erscheint sie zu einem geschäftlichen Termin. Auch erwartet ein deutscher Geschäftsmann den zügigen Abschluss von Verhandlungen, an deren Ende er den Abschluss eines Vertrages erwartet. Der Kenianer hingegen pflegt einen flexiblen Umgang mit Zeit und Fristen.

Mit welchen Eigenschaften, Fähigkeiten und Gesten baut man in Kenia nachhaltig an einer Vertrauensbeziehung?

Eine Geschäftsbeziehung in Kenia aufzubauen ist ein Prozess, der sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Er kommt eher einer Fahrt auf einer Landstraße als auf einer Autobahn gleich. Man sollte also viel Zeit mitbringen. Der Aufbau einer persönlichen Beziehung spielt eine große Rolle. Der kenianische Geschäftsmann wird sich in der Kennenlernphase in erster Linie über die Familie und die persönlichen Lebensumstände seines deutschen Gesprächspartners erkundigen und bei einem Geschäftstermin über „dieses und jenes“ plaudern.

Welche landesspezifischen Besonderheiten existieren, die sich insbesondere für Deutsche zum „Fettnäpfchen“ entpuppen könnten?

Die kenianische Lockerheit kann sich sehr schnell zur bösen Falle entwickeln. Die Kenianer reden unendlich viel über Politik, mit teilweise (für Deutsche) sehr befremdlicher Sichtweise. Als Deutscher sollte man bei Themen wie Politik, Religion, Homosexualität oder Polygamie (Kenia hat kürzlich Polygamie als anerkannte Praxis legalisiert) besser schweigen. Bei der Führung kenianischer Mitarbeiter sollte man sich zwecks Konfliktvermeidung die für sie hohe Bedeutung von Familie vor Augen halten: So kann es durchaus häufiger vorkommen, dass ein Kenianer nicht zur Arbeit erscheint, weil er z.B. einen nahen Angehörigen beerdigen muss. Der entsprechende Urlaubsantrag wird in den meisten Fällen aber erst im Nachhinein gestellt und der Kenianer ist während seiner Abwesenheit für seinen Arbeitgeber nicht zu erreichen.

horlemannDie gebürtige Kenianerin Elizabeth Horlemann ist freiberufliche Wirtschaftsberaterin für Ostafrika und das Südliche Afrika. Sie besitzt ein Diplom in Business Administration und ist zertifizierter Trainer für Diversity und Interkulturelle Kompetenz. Kontakt: Tel.: 02152 9149236, E-Mail: horlemann@icpe-africa.com, Internet: www.icpe-africa.com.

 

Der nächste Teil der Serie “Interkulturell kompetent unterwegs in …” befasst sich mit Kamerun.

(Bildnachweise: www.cia.gov und Elizabeth Horlemann)

Weitere Informationen zur interkulturellen Kompetenz:

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