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Interview: Subsahara-Afrika ist für uns ein strategischer Wachstumsmarkt

Das 80 Jahre alte Familienunternehmen Beumer Group hat die Märkte südlich der Sahara fest im Blick. André Tißen, Direktor Geschäftsbereich Zement, berichtet, welches Vertriebskonzept für die Region zum Tragen kommt, warum man auch mit vergleichsweise teuren Ingenieursleistungen erfolgreich sein kann und welchen Serviceansatz die Firma ihren afrikanischen Kunden bietet. Die Beumer Group ist ein international führender Hersteller der Intralogistik in den Bereichen Förder- und Verladetechnik, Palettier- und Verpackungstechnik sowie Sortier- und Verteilanlagen.

blog:subsahara-afrika: Herr Tißen, welchen Stellenwert hat die Region Subsahara-Afrika für das Maschinenbauunternehmen Beumer?

André Tißen: Subsahara-Afrika ist für uns vor allem im Bereich der Zementindustrie der Wachstumsmarkt par excellence. Mit einer jährlichen Klinkerproduktion von knapp 100 Millionen Tonnen, etwa ein Viertel der europäischen Erzeugung, ist diese Region für uns langfristig ein strategischer Markt, der sich zwar langsam, aber stetig entwickelt. Er ist noch nicht zu vergleichen mit den etablierten Märkten wie in Asien oder dem mittleren Osten. Der afrikanische Kontinent ist bei ähnlicher Bevölkerungszahl flächenmäßig zehn Mal so groß wie Indien, was erheblich größere Investitionen in die Infrastruktur bedeutet.

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blog:subsahara-afrika: Subsahara-Afrika ist eine sehr heterogene Region aus 49 Ländern. Nach welchen Kriterien suchen Sie Ihre Schwerpunktmärkte aus?

Tißen: Ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der einzelnen Schwerpunktmärkte ist die Frage, inwieweit die Länder bereit sind, ihre Anlagen zu automatisieren. Für uns sind die Anzahl der installierten Zementwerke in den einzelnen Ländern sowie der Grad der geplanten Automatisierung wichtige Kriterien. Viele technische Bereiche werden in afrikanischen Ländern allerdings noch sehr traditionell bearbeitet, auch weil so eine hohe Anzahl an Menschen beschäftigt werden. Doch die Maschinen und Geräte aus technisch hochentwickelten Ländern wie Deutschland besitzen eben einen gewissen Automatisierungsgrad.

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, in welche Länder wir gehen, ist der vor Ort geltende, aktuelle Sicherheitsstatus. Ein Unternehmen ist verantwortlich für seine Mitarbeiter. Daher gibt es eine ganze Reihe Länder in Subsahara-Afrika, in die wir unsere Leute nicht schicken können, weil es für ein Engagement einfach zu gefährlich ist. Dies gilt für den Bereich zwischen dem arabischen Gürtel im Norden Afrikas und Nigeria.

blog:subsahara-afrika: Beschreiben Sie Ihr Vertriebskonzept für die von Ihnen identifizierten Zielmärke.

Tißen: In den wichtigsten Regionen haben wir lokale Handelsvertretungen, die die Kundenbetreuung vor Ort übernehmen. Desweiteren haben wir zwei Sales Manager aus Deutschland, die regelmäßig zusammen mit den Handelsvertretern Kundenbesuche durchführen sowie bei komplexeren Projekten von Beginn an den Kunden in allen Fragen unterstützen. Schlüsselkunden wie Dangote werden sogar exklusiv als „Key Account“ aus Deutschland heraus betreut.

blog:subsahara-afrika: In welchen Punkten unterscheidet sich dieses Vertriebskonzept von Ihren Strategien für andere Weltregionen?

Tißen: In anderen Regionen wie Asien, hier speziell Indien und China, sowie Nordamerika, Südamerika und Australien haben wir Tochtergesellschaften gegründet, welche eigenverantwortlich ihre Region betreuen und nur bei besonderen Projekten vom deutschen Stammhaus unterstützt werden müssen. Mittelfristig ist eine eigene Präsenz auch für Subsahara-Afrika geplant. In Frage kämen Standorte wie Südafrika und Nigeria.

blog:subsahara-afrika: Welche Maschinen- und Anlagenarten in Ihrem Produktsortiment sind besonders nachgefragt?

Tißen: Die Bereiche Fördertechnik sowie Lkw-Belademaschinen sind am stärksten gefragt. Unsere Absack-, Palettier- und Verpackungsmaschinen finden derzeit fast nur in Südafrika, einem nach westlichen Standards entwickelten Land, Anwendung. Ein Feld für die Zukunft in unserem Vertriebskonzept für Afrika sind Großbandanlagen und weitere Ausrüstungen für die Bergbauindustrie. Unsere Kunden finden wir überwiegend in der Zementindustrie und in kleinerem Umfang in der Baustoffindustrie, aber auch im Mining und im Bergbau-Bereich.

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blog:subsahara-afrika: Maschinen und Anlagen „Made in Germany“ sind qualitativ und technisch top, haben aber auch ihren Preis. Mit welchem Konzept gehen Sie auf afrikanische Kunden zu?

Tißen: An wichtigen Stellen im Prozess der Zementherstellung gibt es bestimmte Schlüsselmaschinen, wie das Becherwerk zur Beschickung des Vorwärmeturms. Dort muss das Equipment hundertprozentig funktionieren, 24 Stunden am Tag, 320 Tage im Jahr bis zur jährlichen Revision. Da ist solide Qualität „Made in Germany” gefragt. Viele unserer afrikanischen Kunden wissen das zu schätzen und sind auch bereit, die höheren Preise für die deutsche Ingenieurleistung zu bezahlen. Der in der Vergangenheit große Abstand vor allem zum chinesischen Preisniveau ist in den letzten Jahren aber deutlich gesunken und beträgt nur noch etwa 10 bis 15 Prozent. Unsere Kunden sind bereit, diesen Mehrpreis für deutsche Qualität zu bezahlen.

blog:subsahara-afrika: Wie sieht es mit der Zahlungsmoral der wichtigsten Abnehmerindustrien nach Ihrer Erfahrung aus? Wie sichern Sie Ihre Forderungen ab?

Tißen: Unsere Erfahrungen sind bisher durchweg gut, aber man muss die Zahlungsbedingungen auch entsprechend gestalten. Bei Neukunden zum Beispiel muss die Zahlung über einen Letter of Credit, kurz: L/C, gesichert sein. Mit den großen Konzernen wie LafargeHolcim, HeidelbergCement und anderen haben wir Rahmenvereinbarungen über die Mutterkonzerne in Europa geschlossen. Grundsätzlich verlangen wir bei Neuanlagen eine Anzahlung und spätestens sechs Wochen nach Auftragseingang ein unwiderrufliches, bestätigtes Akkreditiv (L/C).

Diese Konditionen gelten auch für staatliche Auftraggeber. Private mittelständische Unternehmen wie wir können es sich nicht mehr leisten, die in der Vergangenheit häufig beobachteten langen Zahlungsverzögerungen bei staatlichen Aufträgen in Afrika vorzufinanzieren. Staatliche Auftraggeber sind jedoch für uns selten geworden, da die Zementindustrien auf dem afrikanischen Kontinent nahezu überall privatisiert sind.

blog:subsahara-afrika: Auf welche Weise gewährleisten bzw. unterstützen Sie die fachmännische Bedienung und Wartung der verkauften Maschinen und Anlagen?

Tißen: Zu unserem Vertriebskonzept gehören immer Schulung und Qualifikation des Bedienungspersonals bei und nach der Inbetriebnahme der Anlagen. Wir bieten unseren Kunden sowohl ein umfassendes, projektspezifisches Schulungsprogramm im Rahmen des Neuanlagengeschäftes, als auch allgemeine Serviceseminare für Wartung und Betrieb von Beumer-Anlagen. Wir arbeiten ebenfalls mit lokalen, von uns zertifizierten Service-Mitarbeitern, die den Kunden einen Service vor Ort gewährleisten. Wir bieten ferner regelmäßige Servicebesuche und Nachschulungen unserer Kunden. In unserem Unternehmen gibt es besondere Service-Spezialisten, die praktisch permanent durch die Welt reisen und bei den Kunden Schulungen an unseren Anlagen durchführen.

In einigen Fällen betreiben wir auch selbst unsere verkauften Anlagen in eigener Verantwortung mit lokalem Personal, im Rahmen eines sogenannten Operational-Management-Contracts. Dies haben wir bisher in Afrika noch nicht praktiziert, doch ist dieses Modell auch für Subsahara-Afrika in Zukunft bei uns vorgesehen.

blog:subsahara-afrika: Welche Herausforderungen existieren im logistischen Bereich und bei der Einfuhr der Maschinen und Anlagen in die Abnehmerländer?

Tißen: Hier kommt es auf das jeweilige Herkunfts- und Empfängerland an, eine pauschale Aussage lässt sich für die Region nicht machen. Man muss sich den richtigen Partner für das entsprechende Land suchen, da die Logistik zum Teil mit viel Verwaltungsaufwand verbunden ist. Spediteure haben sich in puncto Transport und Einfuhrmodalitäten auf bestimmte Länder spezialisiert. Generell machen wir die Erfahrung, dass Lieferungen aus Europa heraus nach Subsahara-Afrika eigentlich reibungslos von statten gehen. Dagegen ist es bei Lieferungen aus unserem Tochterunternehmen in Indien schon schwieriger.

Länder wie zum Beispiel Angola sind logistisch sehr schwierig, da die Hafenkapazitäten nicht ausreichen und mit entsprechenden Wartezeiten gerechnet werden muss. Auch sind die bürokratischen Hürden dort eine echte Herausforderung.

blog:subsahara-afrika: Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrer internationalen Konkurrenz gemacht, aus den westlichen Partnerländern sowie der VR China? Gibt es Kooperationen?

Tißen: Die Anbieter aus den westlichen Ländern stehen auch in der Region Subsahara-Afrika miteinander im Wettbewerb, wie auf jedem anderen Markt dieser Welt. Die Kunden kennen ihre Lieferanten in der Regel gut und spielen ihre Möglichkeiten aus. China ist in Afrika sehr präsent und aufgrund des Preisgefälles auch sehr erfolgreich, insbesondere durch das Konzept, die Finanzierung der Projekte direkt mitzubringen. Doch immer, wenn es für den Kunden auf Qualität und Zuverlässigkeit der Anlage ankommt, werden Produkte aus den westlichen Industrienationen gewählt. Wir bedienen zum Beispiel über unser Tochterunternehmen in Shanghai zum einen den chinesischen Markt allgemein, zum anderen als Anlagenbauer aber auch die Original Equipment Manufacturer, kurz: OEM. Somit stehen auch Anlagen in Subsahara-Afrika, die von unserer Tochter in China stammen, aber über die OEM geliefert wurden.

blog:subsahara-afrika: Haben Sie schon Erfahrung gemacht mit Absatzländern in Subsahara-Afrika, aus denen Sie sich wegen politischer oder sonstiger Instabilitäten vorübergehend oder dauerhaft zurückziehen mussten?

Tißen: Natürlich gibt es Länder, die sich aufgrund der politischen Verhältnisse nur langsam oder sogar zurückentwickeln. Ein Beispiel ist Simbabwe: Nach der Unabhängigkeit 1980 blieb Simbabwe zunächst ein Vorzeigemodell. Wirtschaftlich erfolgreich galt es als „Brotkorb“ des südlichen Afrikas. Seit 2000 wurden weiße Farmer schrittweise um rund elf Millionen Hektar Land enteignet. Dieses Land wurde offiziell an ca. 300.000 Kleinbauern neu verteilt, denen aber häufig das Fachwissen fehlt. Durch Dürreperioden, Wirtschaftsflaute und eine Arbeitslosigkeit von bis zu 80 Prozent steht Simbabwe heute am Abgrund. Das Land wird seit 35 Jahren von einem Diktator regiert.

Oder nehmen Sie den Kongo: Obwohl das Land über die größten Naturreichtümer Afrikas verfügt, gehört es zu den ärmsten der Welt. Hauptursachen hierfür sind die mehr als drei Jahrzehnte andauernde Misswirtschaft und Korruption durch das Mobutu-Regime sowie schwere kriegerische Auseinandersetzungen. Die Wirtschaft wuchs zuletzt wieder um 8,9 %. Allerdings wird das Land Zeit brauchen, bis die Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Gesundheitswesen und andere Bereiche Früchte tragen.

In dem Zusammenhang muss auch auf die besonders vom Terror bedrohte Region im westlichen Afrika hingewiesen werden. Dies sind die Länder in der Nachbarschaft Nigerias, die von der Terrormiliz Boko Haram durchsetzt sind.

blog:subsahara-afrika: Haben Sie aus Ihrer Praxis Empfehlungen für Newcomer aus den deutschen Maschinenbaubranchen, die einen Markteintritt in Subsahara-Afrika anstreben?

Tißen: Jedes Land in der Region Subsahara-Afrika ist für sich zu betrachten, und es ist unbedingt eine gründliche Marktanalyse erforderlich, bevor man sich dort engagiert oder gar direkt investiert. Lokale Partner vor Ort sind ebenfalls unerlässlich. Für Maschinenbaufirmen empfiehlt es sich immer, die ersten Schritte auf einen solchen Markt über den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau oder auch über befreundete Unternehmen zu machen.

blog:subsahara-afrika: Welche Hilfestellungen wünschen Sie sich von offiziellen deutschen Stellen bei Ihrem Engagement in Subsahara-Afrika?

Tißen: Wir würden uns wünschen: einfachere Finanzierungsmöglichkeiten!

blog:subsahara-afrika: Herr Tißen, wir danken Ihnen für das Gespräch.

andre_tißen_beumerAndré Tißen ist als Direktor des Geschäftsbereichs Zement für das Familienunternehmen Beumer Group aus Beckum tätig. Der technische Kaufmann und Maschinenbauingenieur verfügt über langjährige internationale Vertriebserfahrung. Kontakt: andre.tissen@beumergroup.com; www.beumergroup.com.

 

(Bildnachweis: Bild der Beumer Group zur Pressemitteilung zur Teilnahme an der bauma Südafrika vom 12. Juli 2013)

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