(Gastartikel) Unter den Beratungsthemen für das Afrika-Geschäft gibt es einen unangefochtenen Dauerbrenner: die phantasievollen Betrugsmaschen erfindungsreicher Krimineller aus vielen Teilen Subsahara-Afrikas. Dieser seit Jahrzehnten am Gesetz vorbei blühende „Wirtschaftszweig“ ist in den betroffenen Ländern wie Deutschland ein Ärgernis und ein Kostenfaktor in den Exportabteilungen vor allem der Hersteller von Anlagen und Ausrüstungen.
Denn selbst wenn die Unternehmen nicht auf die Maschen reinfallen, so verursacht bereits die Prüfung des vermeintlichen Angebots Kosten: Sie bindet nämlich qualifizierte Mitarbeiter, die sich mit einigem Zeitaufwand mit mehr oder weniger kryptischen E-Mails angeblicher Agenten und Vermittler für das Jahrhundertgeschäft mit der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS oder einer anderen Organisation auseinandersetzen (müssen).
Bevor es an die Auflistung der stetig zunehmenden und trickreichen Betrugsideen geht, gilt es, einige wichtige Grundsatzbemerkungen vorauszuschicken: Bei dem Phänomen handelt es sich nicht zuletzt um ein Problem des interkulturellen Austauschs bzw. der interkulturellen Kompetenz, die auch in der Publikation „Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara-Afrika“ ausführlich zum Thema gemacht wurde. Dort findet sich unter anderem ein Rat, der in jedem afrikanischen Land unbedingt eingehalten werden sollte: nämlich Beziehungen als das A und O des Afrika-Geschäfts unbedingt persönlich zu pflegen und nur ausnahmsweise zu logistischen Zwecken wie Terminabsprachen usw. auf die elektronische Kommunikation auszuweichen.
Hieraus ergibt sich ein ganz einfacher Grundsatz, der jedem Unternehmen Zeit und Kosten spart, wenn er denn radikal beherzigt wird: Jede anonyme Anfrage aus Afrika, vor allem im Mailverkehr, gelegentlich auch im Post- oder Faxverkehr sofort in den Papierkorb zu befördern, denn merke: Es gibt keine seriösen Anfragen von „Unbekannt“ aus Afrika.
Wenn es bisher in dem Zusammenhang immer abschwächend (als politisch korrekt) hieß: “Wir wollen ja nicht alle solchen Anfragen über einen Kamm scheren, es sind ja nicht alles Betrüger …“, so ist hier ganz klar zu sagen: „… sind es doch!“ Das soll ja keineswegs heißen, dass jeder afrikanische Geschäftsmann ein Betrüger wäre, aber: Ein seriöser afrikanischer Unternehmer oder Firmenvertreter tritt an ihm unbekannte Personen oder Unternehmen immer – ohne Ausnahme – über persönliche Empfehlung heran. Und selbst wenn man die – infinitesimal geringe – Möglichkeit einräumen würde, dass es in 0,0000… Prozent der Fälle auch einmal eine seröse Anfrage sein könnte, so wiegt diese winzige Möglichkeit (die im Übrigen sicher nicht zu irgendeinem messbaren Geschäftserfolg führen dürfte) das Risiko, einem Betrüger aufzusitzen, eben nicht auf – und daher konsequent: ab in den Papierkorb!
Bekannte Betrugsmaschen – Stichwort: Papier ist geduldig
Aufforderung zur Angebotsabgabe für Großauftrag
Eines muss man den Professionellen der „Nigeria Connection“ und ihrer vielen Ableger lassen: Sie sind immer auf der Höhe des technischen Fortschritts und investieren auch einiges an Mühe und Arbeit in ihr internationales Betrugsgeschäft. Und so haben sie die alte Märchenmasche von den angeblichen Millionentransfers, die mit hoher Provisionsaussicht über ein Transferkonto des ausländischen Opfers abgewickelt werden sollen, weit hinter sich gelassen. Dafür flattern heutzutage den Unternehmen per E-Mail Aufforderungen zur Angebotsabgabe technischer Ausrüstungen oder Ähnlichem in phantastischer Größenordnung auf den Schreibtisch, weitergeleitet von einem angeblichen Vermittler von Geschäften mit so seriös klingenden Organisationen wie ECOWAS, der Wirtschaftsgemeinschaft im westlichen Afrika. Und natürlich mit ausführlicher Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, vielleicht sogar (irgendeiner) funktionierenden Homepage. Zum Beleg der Seriosität werden sodann liebevoll gestaltete Zertifikate, Firmenregistrierungen und sonstige „Belege“ angehängt, Anschreiben in leicht schrägem Englisch formuliert und manchmal sogar die tollsten technischen Spezifikationen aufgelistet. Alles nach dem bewährtem Motto: Papier ist geduldig. Auch hierzu gibt es nur eine lapidare Feststellung, die am besten in jedem Firmenbüro über dem Schreibtisch hängen sollte: Es gibt keine Auftragsvermittlung per E-Mail aus Afrika.
Verdächtige Geschäftsanfragen aus Afrika*
Gegenstand des Geschäfts | Kontakt | Verdachtsmomente | |
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Lieferung von Ventilen für die Sanierung / Modernisierung einer Raffinerie in Nigeria | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Federn im Wert von über 700.000 Euro an die Economic Community of West African States (ECOWAS) | Schriftliche Bestellung (International Purchase Order) auf offiziell aussehenden ECOWAS-Briefbögen |
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Lieferung von Maschinen bei erfolgreicher Bewerbung auf eine angebliche Ausschreibung der African Union Project Implementation Authority | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Aluminiumprofilen an die Economic Community of West African States (ECOWAS) | Laut Lieferant Bestellung durch ECOWAS |
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Lieferung von Maschinen im Wert von ca. 10 Millionen Euro bei erfolgreicher Bewerbung auf eine angebliche Ausschreibung der Economic Community of West African States (ECOWAS) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Wassertechnologie bei erfolgreicher Bewerbung auf eine angebliche Ausschreibung der Chad Basin & Rural Development Authority in Nigeria | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Drucktüchern an eine private Firma mit Sitz in Uganda | Lieferant wird per E-Mail durch Käufer kontaktiert |
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Lieferung von Maschinen an eine NGO und diverse Länder in Westafrika | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Plastikkisten und -paletten im Wert von über 450.000 EUR an die Economic Community of West African States (ECOWAS) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Verpackungs-maschinen bei erfolgreicher Bewerbung auf eine angebliche Ausschreibung des Niger Delta Ministry (NDM) in Nigeria | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Körperpflege-produkten an eine private Firma mit Sitz in Nigeria | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Mitarbeiter“ der Firma kontaktiert |
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Lieferung von Transformatoren im Wert von 1,5 Mio. Euro an den African Union Development Council (AUDC) mit Sitz in Ghana | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von chemischen Prüfmitteln und Prüfgeräten an das West African Project Committee mit Sitz in Ghana | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Industrieventilatoren an die Economic Community of West African States (ECOWAS) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Sterilisationsmitteln im Wert von 824 Tausend Euro an die Economic Commission for Africa (ECA) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Wodka im Wert von 1,9 Mio. Euro an die Economic Community of West African States (ECOWAS) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Lieferung von Systemen für die Automation von industrieller Produktion im Wert von 1,1 Mio. Euro an das Contract Award Committee Board of Republic of Ghana und die African Assistance Trade Commission (AATC) | Lieferant wird per E-Mail durch einen „Vermittler“ kontaktiert |
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Autor: IHK Mittlerer Niederrhein * Die in der Liste „Verdächtige Geschäftsanfragen aus Afrika“ (Liste) gemachten Angaben entstammen Sachverhalten, die der IHK Mittlerer Niederrhein (IHK) von betroffenen Unternehmen und Personen so bekannt gemacht wurden. Bei der Einschätzung dieser Vorgänge als Verdachtsfälle handelt es sich um keine juristisch-verbindliche Bewertung im Sinne des deutschen Strafgesetzbuches oder anderer, auch internationaler Rechtsnormen durch die IHK. Diese Liste dient dazu, die Prüfung von ähnlich gelagerten Vorgängen durch die betroffenen Unternehmen und Personen zu unterstützen. Diese Liste wird kontinuierlich erweitert. |
Musterformulare verdächtiger Geschäftsanfragen aus Afrika
In solchen Fällen gibt es für den Adressaten, das potenzielle Opfer, nur zwei alternative Verhaltensregeln: Die E-Mail löschen, am besten auch im Papierkorb, keinesfalls irgendeine Reaktion in Form von „Antworten“ zeigen, das wäre schon ein Sicherheitsrisiko. Alternativ: Auf www.auswaertiges-amt.de gehen, „Reise- Sicherheitshinweise“ anklicken, das Land des Absenders (soweit erkennbar) aufrufen, die E-Mailadresse der deutschen Botschaft heraussuchen, die „Betrugsmail“ mit Anhang an diese weiterleiten mit einem kurzen Hinweis: „z.K. – Betrügerische E-Mails“. Dies hilft den deutschen Vertretungen, ihre Sammlung zu dem leidigen Thema zu komplettieren und von Zeit zu Zeit ihre entsprechenden Merkblätter zu aktualisieren. Diese kann man ebenfalls über die Homepage des Auswärtigen Amtes bzw. der jeweiligen Auslandsvertretung abrufen.
Provisionsversprechen für Transferkonto
Diese Masche hat ihren Ursprung schon in den 1970er Jahren in Nigeria, bekanntgeworden als „Nigeria Connection“, noch heute nach dem nigerianischen Strafgesetzbuchparagraphen „419“ (Four-One-Nine) benannt und seither in der Region oft kopiert. Heute stammen diese Betrüger auch oft aus Ghana, Kamerun, Togo und Senegal. Es werden hohe Provisionen versprochen, wenn der Adressat ein Transferkonto für die Abwicklung angeblicher Millionenbeträge aus Erbschaften, Treuhandvermögen, Unternehmensgewinnen und Ähnlichem bereitstellt. So werden Kontodaten und Gelder abgegriffen, oft auch um Vorabüberweisung von irgendwelchen Gebühren gebeten.
Vorauszahlungsbetrug / vorgetäuschte Warenbestellung / Warenmusterbetrug
Betrüger aus Ländern wie u. a. Benin, Ghana, Kamerun, Togo und Uganda stellen lukrative Liefergeschäfte in Aussicht, mit vorgetäuschten Warenbestellungen im Wert von 5.000 bis 25.000 Euro, häufig einhergehend mit der Forderung einer dringlichen umfangreichen Warenmusterbestellung zu Ausstellungs- oder Messezwecken. Nicht selten folgen weitere Anfragen nach Vorauszahlungen für angeblich anfallende Gebühren im Zusammenhang mit Einfuhr, Warenprüfung oder Dokumentenbeschaffung. Bestellungen werden oft mit ungedeckten Schecks bezahlt, die von vermeintlichen Agenten des Betrügers aus den USA oder Großbritannien übermittelt werden und einen deutlich über dem Bestellpreis liegenden Wert ausweisen. Der Betrüger bittet dann um Überweisung des Differenzbetrags. Es kommt auch vor, dass Flugtickets, Hotelübernachtungen oder Einladungsschreiben bei dem deutschen Unternehmen angefordert werden, um den angeblichen Geschäftsabschluss in Deutschland zu tätigen. Der Schaden für das Opfer besteht im finanziellen Verlust durch Zahlungen oder auch im späteren Missbrauch der erschlichenen Kontaktdaten wie Unterschriften und Firmenlogos.
… und immer neue Betrugsmaschen nach aktuellen Entwicklungen
Jedes neue Thema in den Medien, das die Welt berührt, wird von der Betrugsindustrie Afrikas aufgegriffen und mehr oder weniger geschickt zu ihren Zwecken ausgenutzt – Stichwort: Flüchtlinge. Aus dem Senegal etwa kommen Anfragen, die für die angebliche Befreiung von Mädchen und Frauen aus einem Flüchtlingslager bei Dakar Gelder zur Ausreise und Visumbeschaffung sammeln. Aus Kamerun gibt es gar (natürlich vorgetäuschte) Adoptionsangebote von “mittellosen Eltern” oder angeblichen Mitarbeitern von Waisenhäusern, die für die Übernahme medizinischer Versorgung und Ausreisekosten von Kindern sammeln. Bei Nachforschung existieren weder die Flüchtlingslager noch die Waisenhäuser.
Zu den Betrugsmaschen gehören auch Anschreiben zwecks Vermittlung fiktiver Stellenangebote angeblich lukrativer Einsätze zum Beispiel in der Ölindustrie, u. a. aus Ländern wie Ghana, Kamerun und Togo. Immer geht es um die Forderung nach Vorauszahlung für irgendwelche Gebühren für Dokumente und Ähnliches. Was immer von gutgläubigen Opfern tatsächlich gezahlt wird, ist natürlich verloren. Wer einem solchen Betrüger aufgesessen ist, sollte dies der Ordnung halber melden, der jeweiligen Botschaft vor Ort, den Industrie- und Handelskammern in Deutschland oder ggf. auch der deutschen Auslandshandelskammer vor Ort. Diese bestehen in Subsahara-Afrika an fünf Orten: im Westen in Accra/Ghana und Lagos/Nigeria, im Osten in Nairobi/Kenia und im südlichen Afrika in Johannesburg/Südafrika und Luanda/Angola. Über die Homepage der Auslandshandelskammern www.ahk.de sind die Kontaktpersonen und –daten leicht abzurufen.
… und Vorsicht bei Visitenkarten-Kontakten
Noch eine wichtige Ergänzung zum leidigen Afrika-Betrugsthema: Auch flüchtige persönliche Kontakte mit Visitenkartenaustausch etwa auf Messen, internationalen Konferenzen oder ähnlichen Veranstaltungen werden gelegentlich auch für dubiose Zwecke eingesetzt – für eine der schon beschriebenen Betrugsmaschen oder auch zum Hilferuf in „Not“ – „gestrandet in London und Geld und Papiere geklaut …“ und ähnliche Geschichten. Natürlich gilt auch hier: am besten Löschen. Die einzige vorstellbare seriöse Kontaktaufnahme von Seiten eines unbekannten Absenders geht über eine persönliche Empfehlung mit Anschreiben einer mit dem Empfänger vertrauten, über jeden Zweifel erhabenen Person, und selbst dort wird der Hinweis nicht fehlen: „Aber bitte Vorsicht, ich kann für nichts garantieren, man kann den Menschen ja nicht hinter die Stirn sehen ….“
Die Verfasserin des Artikels, Frau Dr. Inge Hackenbroch, hat mehr als 20 Jahre als Afrika-Korrespondentin der Germany Trade & Invest überwiegend aus Nairobi über die Länder des Kontinents berichtet. Heute ist die Diplom-Volkswirtin als freiberufliche Autorin und Wirtschaftsjournalistin tätig. Kontakt: inge-hackenbroch@t-online.de.
Weiterer Artikel zum Thema mit u.a. Kontaktdaten und Anlaufstellen:
Was tun im Fall von dubiosen Geschäftsanfragen?
(Bildnachweis: © Kuzmick – Fotolia.com)
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