Mit zunehmendem Interesse deutscher Unternehmen an den Märkten Afrikas steigt auch der Bedarf an praxisorientierter Unterstützung durch die Politik. Andreas Wenzel, Generalsekretär der Südliches Afrika Initiative der Deutschen Wirtschaft, kurz SAFRI, bewertet im Gespräch mit blog:subsahara-afrika die aktuelle Afrikapolitik der deutschen Bundesregierung und erläutert, warum das politisch flankierte chinesische Engagement in Afrika auch gute Seiten für die deutsche Wirtschaft hat.
blog:subsahara-afrika: Herr Wenzel, wer und was steckt hinter SAFRI?
Andreas Wenzel: SAFRI ist eine Regionalinitiative der Deutschen Wirtschaft. Wir bündeln und artikulieren die wirtschaftspolitischen Interessen der deutschen Wirtschaft mit Blick auf das südliche Afrika bzw. auf die Southern African Development Community gegenüber der Politik in Deutschland und den Partnerländern im südlichen Afrika. SAFRI wird getragen von den Wirtschaftsverbänden Afrika-Verein der Deutschen Wirtschaft, Bundesverband der Deutschen Industrie, Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen und Deutscher Industrie- und Handelskammertag. Vorsitzender von SAFRI ist seit Gründung Jürgen E. Schrempp, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler AG.
blog:subsahara-afrika: Wie verstehen Sie die Aufgaben von SAFRI?
Wenzel: Wir schaffen in erster Linie für unsere Trägerorganisationen einen Mehrwert, indem wir Aktivitäten koordinieren, Kompetenzen und Interessen bündeln sowie Synergieeffekte schaffen. Das ist nicht nur im Interesse der deutschen Wirtschaft, sondern auch der deutschen Politik. Gleichzeitig greifen wir die Interessen der afrikanischen Partnerländer auf und vertreten diese in Deutschland. Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, gemeinsam mit unseren Trägern die Wahrnehmung Afrikas als Chancenkontinent in der deutschen Wirtschaft zu stärken. SAFRI bietet eine Plattform für ein gemeinsames Engagement mit den afrikanischen Partnern, welche die zielgerichtete Gestaltung und Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie die Förderung von Investitionen und Handel im Blick hat. Wir bearbeiten die wichtigsten Querschnittsthemen dieser Zusammenarbeit. Im Mittelpunkt stehen dabei die Themenfelder Nachhaltigkeit und Wettbewerb, Außenwirtschaftspolitik sowie Kooperation und Ausbildung.
blog:subsahara-afrika: Seit der Gründung von SAFRI im Jahr 1996 sind fast zwei Jahrzehnte vergangen. In dieser Zeit hat sich Afrika für viele vom Krisen- zum Chancenkontinent gewandelt. Wie hat sich die Außenwirtschaftspolitik Deutschlands gegenüber den Ländern des südlichen Afrikas verändert?
Wenzel: Die deutsche Außenwirtschaftspolitik hat im Laufe der Jahre die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungserfolge des südlichen Afrikas sowie die wachsende Relevanz des gesamten Kontinents für die deutsche Wirtschaft zunehmend erkannt. Heute betrachtet sie Afrika als einen Kontinent der Zukunft und der Chancen, trotz aller fortbestehenden Herausforderungen und Risiken für die weitere Entwicklung. Sie misst der Wirtschaftsentwicklung Afrikas einen hohen Stellenwert bei und sieht Chancen für nachhaltiges Wachstum in Afrika. Die Afrikastrategie der Bundesregierung von 2011 sowie die diesjährigen “Afrikapolitischen Leitlinien” zeugen von einer größeren Aufmerksamkeit der Politik in Deutschland gegenüber den Veränderungsprozessen auf dem afrikanischen Kontinent und der Bedeutung der Wirtschaft als Partner dieser Prozesse.
blog:subsahara-afrika: Unser Eindruck ist, dass die Rolle der Wirtschaft weiterhin vor allem in einem entwicklungspolitischen Kontext interpretiert wird.
Wenzel: Ja, es besteht weiterhin ein zu großes Übergewicht entwicklungspolitischer wie auch außen- und sicherheitspolitischer Ansätze mit Blick auf unseren Nachbarkontinent, zu Lasten einer engagierten Außenwirtschaftsförderung deutscher Unternehmen in der Region. Weiterhin gilt es zu bemängeln, dass es nicht an Strategiepapieren mangelt, sondern an engagierter Afrikapolitik unter Berücksichtigung der Potenziale afrikanisch-deutscher Wirtschaftsbeziehungen. Wir sind hier im Dialog mit der Bundesregierung und erwarten in Zukunft einen stärkeren, praktisch ausformulierten Fokus auf die Außenwirtschaftspolitik insbesondere für kleine und mittelständische deutsche Unternehmen.
blog:subsahara-afrika: Sie erwähnen die “Afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung”, die diese jüngst vorgelegt hat. Wie bewerten sie diese mit Blick auf die Interessen der deutschen Wirtschaft?
Wenzel: SAFRI begrüßt die neuen Afrika-Leitlinien der Bundesregierung, in denen auch zentrale Forderungen von unserer Seite aufgenommen worden sind. Dies gilt beispielsweise für die Ankündigung, die Transparenz in der Rohstoffwirtschaft zu fördern, die Grundbildung sowie den Auf- und Ausbau arbeitsmarktorientierter beruflicher Bildungs- und Qualifizierungssysteme zu stärken und dabei neue Ausbildungspartnerschaften mit der deutschen Wirtschaft zu entwickeln. Da liegt die Bundesregierung ganz auf einer Linie mit SAFRI. Wir hoffen und setzen darauf, dass die Bundesregierung ihre Afrikapolitischen Leitlinien auch engagiert umsetzt und dabei den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sucht. Nur so können die notwendigen Verbesserungen der Startbedingungen für das Engagement klein- und mittelständischer deutscher Unternehmen auf dem Kontinent erzielt werden. Eines machen die neuen Leitlinien deutlich: Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Engagements anderer Staaten in Afrika hat die Bundesregierung die wachsende Relevanz des Kontinents für Deutschland und Europa erkannt – die Zeit für kohärentes Handeln ist jetzt! Wir werden aus unserer Perspektive dafür Sorge tragen, dass die Bundesregierung sich nicht auf den Leitlinien als solche ausruht.
blog:subsahara-afrika: Im Zusammenhang mit politischer Flankierung von Außenwirtschaftsinteressen in Afrika kommt einem unweigerlich das starke chinesische Engagement auf dem Kontinent in den Sinn. Deutsche Unternehmen sind mit ihren Angeboten häufig chancenlos, wenn sich Unternehmen aus China mit Unterstützung ihrer Regierung um afrikanische Aufträge bewerben.
Wenzel: Wir sollten nicht den Fehler machen, Chinas Engagement in Afrika zu negativ einzuschätzen. Bei all den berechtigten Sorgen und Herausforderungen im Hinblick auf die Beziehungen unserer afrikanischen Partner zu China wie auch etwaige Konkurrenzsituationen für die deutsche Wirtschaft hilft ein differenzierter Blick. Wenn afrikanische Volkswirtschaften auch infolge chinesischer Infrastrukturprojekte ihr technologisches Entwicklungsniveau steigern können, werden sie auch für Hochtechnologieprodukte und –dienstleistungen der deutschen Wirtschaft attraktiver. Nicht umsonst ist Deutschland als Investor auf dem afrikanischen Kontinent aktiv: insbesondere in Südafrika, bislang weniger stark in Ländern wie Sudan, Äquatorialguinea oder Sambia – trotz deren Rohstoffreichtum. Es ist also ein Gebot des wirtschaftlichen Pragmatismus, wenn wir das finanzielle und technische Engagement Chinas begrüßen. Dem Westen fehlen die finanziellen Mittel für ein vergleichbares Engagement. Deutsche Unternehmen werden von der mit den chinesischen Investitionen verbundenen Verbesserung der physischen Infrastruktur und des technologischen Niveaus auf dem Kontinent profitieren. Denn dies stimuliert die Nachfrage nach deutschem Know-how und Technologie.
blog:subsahara-afrika: Abwarten, bis Afrika dank chinesischem Engagement bereit für deutsche Produkte und Dienstleistungen ist, ist aber sicher nicht die Kernbotschaft. Mit welchem Ansatz sollten sich deutsche Wirtschaft und Politik heute auf dem Kontinent engagieren?
Wenzel: Das deutsche Engagement muss Direktinvestitionen in die lokale Wertschöpfung auf dem Kontinent beinhalten – verbunden mit der Stärkung lokaler Kompetenzen in Form von Aus- und Weiterbildung sowie dem Transfer von Know-how. Dies würde das moderne Afrika als gleichberechtigten Partner stärken und unsere Verhandlungsposition gegenüber zum Beispiel den Chinesen deutlich verbessern. Denn eines ist auch klar: Chinas Aktivitäten auf dem afrikanischen Kontinent sind auf Dauer angelegt und nicht wegzudiskutieren. Zudem wird China aus eigenen Schwächen lernen. Afrikanische Partner sind selbstbewusst genug, zwischen China und Deutschland als mögliche Partner je nach Angebot abzuwägen und in den Boom des Kontinents einzubinden. Mit Chinas Stärken können und wollen wir nicht konkurrieren. Es liegt an der deutschen Wirtschaft, gemeinsam mit der deutschen Politik, das eigene Angebot an Afrika klar zu formulieren, in Afrika zu platzieren und sich verstärkt zu engagieren. Leider gibt es zu diesem Themenbereich nur wenig Handfestes in den Afrikapolitischen Leitlinien.
blog:subsahara-afrika: Dafür schneiden die Leitlinien das Thema der Exportkreditgarantien an, die deutsche Unternehmen vor Zahlungsausfällen schützen sollen. Dass diese sogenannten „Hermes-Bürgschaften“ bislang nur auf wenige Märkte Afrikas beschränkt sind, ist ein handfestes Problem für deutsche Unternehmen.
Wenzel: SAFRI fordert schon lange die Ausweitung der Exportgarantien des Bundes im Afrika-Geschäft. Hierin liegt ein Schlüsselinstrument für die Intensivierung der deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen und der weiteren ökonomischen Entwicklung Afrikas generell. Um so erfreulicher ist es, dass die Bundesregierung in ihren neuen Afrikapolitischen Leitlinien eine Erleichterung für Hermes-Bürgschaften im Afrika-Geschäft angekündigt hat: Die Prüfung einer schrittweisen Ausweitung der Deckungsmöglichkeiten für entschuldete afrikanische Staaten, die zu den sogenannten Heavily Indebted Poor Countries, kurz HIPC, zählen, soll die deutsche Außenwirtschaftsförderung in Afrika effizienter gestalten. Wir hoffen sehr und arbeiten daran, dass die Bundesregierung bei der Ausweitung der Exportgarantien sehr bald handeln wird. Gleichwohl werden wir auch hier daran erinnern, dass es nicht nur bei den HIPC-Ländern Handlungsbedarf gibt, sondern auch eine strategische Aufarbeitung der bestehenden Länderbeschlusslagen Not tut.
blog:subsahara-afrika: Schauen wir auf Südafrika, wo am 7. Mai zum fünften Mal nach Ende der Apartheid vor 20 Jahren Parlamentswahlen stattgefunden haben. Der African National Congress wurde, wenn auch mit Verlusten, erneut stärkste Partei. Was bedeutet der Wahlausgang für die in Südafrika zahlreich ansässigen deutschen Unternehmen?
Wenzel: Allen voran gilt es natürlich Südafrika zu gratulieren, seinen Status als Demokratie weiter gestärkt zu haben und seine Kritiker davon zu überzeugen, dass das Land gefestigt genug ist, politische Auseinandersetzung im gesunden Wettstreit ohne Gewalt zu führen. Der Wahlausgang und das neue Kabinett machen aber wenig Hoffnung für die nähere Zukunft, sondern verschärfen eine latente politische Vertrauenskrise des Landes. Südafrikas politische Klasse und insbesondere die Regierung befinden sich in einer Sackgasse. Die Aussicht auf notwendige wirtschaftspolitische Reformen muss meiner Ansicht nach auf das Jahr 2019 nach der Administration Zuma verschoben werden. Derzeit ist daher nicht damit zu rechnen, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich durch die südafrikanische Aufkündigung der bilateralen Investitionsverträge mit EU-Mitgliedsstaaten, dem neuen, im Entwurf vorliegenden lokalen Investitionsgesetz sowie der Verschärfung der Anforderungen im Rahmen des Broad-Based Black Economic Empowerment zuletzt verschlechtert haben, kurzfristig freundlicher gestalten. Das gleiche gilt für die Krise im Bergbau sowie die andauernden Streiks.
blog:subsahara-afrika: Herr Wenzel, zum Abschluss dieses Interviews möchten wir gerne von Ihnen wissen, wann SAFRI nach Berlin zieht. Mit ihrer Stuttgarter Adresse ist SAFRI als politische Interessenvertretung derzeit verhältnismäßig weit weg vom Zentrum des deutschen Politikbetriebes.
Wenzel: SAFRI befindet sich schon seit Gründung der Initiative 1996 in Stuttgart. Im Rahmen eines 2012 gestarteten strategischen Veränderungsprozesses diskutieren wir mit den Trägerverbänden unter anderem auch die Ansiedelung von SAFRI in Berlin.
Andreas Wenzel ist Generalsekretär der Südliches Afrika Initiative der Deutsche Wirtschaft, SAFRI.
Kontakt: Tel.: 0711 1793093, E-Mail: andreas.wenzel@safri.de, Internet: www.safri.de.
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(Bildnachweise: Times – www.commons.wikimedia.org und Andreas Wenzel)
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