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Serie: Interkulturell kompetent unterwegs in … Südafrika

Wer international unternehmerisch erfolgreich tätig sein will, der sollte sich auf die Kultur des ins Auge gefassten Auslandsmarktes einstellen. Andernfalls ist die Gefahr groß, dass kulturell bedingte Missverständnisse zum Scheitern eines Geschäftes führen. Blog:subsahara-afrika möchte mit einer Artikelserie über einzelne Länder südlich der Sahara dazu beitragen, interkulturelle Kompetenz zu fördern. Ziel der Serie ist es, für landesspezifische Besonderheiten und Gepflogenheiten zu sensibilisieren und eine weitergehende Auseinandersetzung mit den (Geschäfts-)Kulturen Afrikas anzuregen.

suedafrika_flaggeIm Fokus des siebten Teils der Serie steht Südafrika. Blog:subsahara-afrika hat sieben Fragen an Sybille Kenny gestellt, die sich als zertifizierte Trainerin mit Fragen der interkulturellen Kompetenz auseinandersetzt.

Welche Faktoren sind für die kulturelle Prägung Südafrikas bestimmend?

Südafrika ist traditionell ein Schmelztiegel unterschiedlicher ethnischer Gruppen, Sprachen und Religionen. 79 Prozent der rund 50 Millionen Einwohner Südafrikas bezeichnen sich selbst als Afrikaner, 9,6 Prozent als Weiße, 8,9 Prozent als Farbige und 2,5 Prozent als Inder bzw. Asiaten. Knapp 80 Prozent der Bevölkerung sind Christen. Daneben existieren mit Hindus, Moslems und Juden weitere größere religiöse Gruppen. Unter niederländischer und britischer Herrschaft entwickelte sich eine Sklavengesellschaft in der Kolonie Südafrika. Die südafrikanische Gesellschaft war von Anfang an von Rassenzugehörigkeit bestimmt, in der meistens afrikanische und asiatische Sklaven eine untergeordnete Position innehatten. Im Jahr 1948 führte Südafrika die Rassentrennungspolitik „Apartheid“ ein, die Schwarze von Weißen trennte. Diese Politik wurde 1994 beendet. Heute wollen Südafrikaner gemeinsam das Land nach vorne bringen, das mit Herausforderungen wie Armut, Arbeitslosigkeit und Einkommensungerechtigkeit zu kämpfen hat. Maßnahmen zur gleichberechtigten Integration der früher benachteiligten Bevölkerungsgruppen ins Wirtschaftsleben wurden ergriffen. Arbeitsniederlegungen sind Ausdruck wachsender Wahrnehmung von Arbeitnehmerrechten.

Wie stark ist der Einfluss „westlicher“ Kultur?

Aufgrund der Kolonialvergangenheit sind die westlichen Einflüsse in Südafrika groß. Kapstadt wurde als Verpflegungsstation von der Niederländischen Ostindien-Kompanie im Jahr 1652 gegründet. Viele Südafrikaner haben niederländische, deutsche, britische oder portugiesische Wurzeln oder stammen von französischen Hugenotten ab. Die britische Kapkolonie wurde im Jahr 1806 errichtet und erst im Jahr 1931 erhielt Südafrika die vollständige Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich. Es existieren elf offizielle Sprachen, von denen Englisch und Afrikaans vor allem im Geschäftsleben gesprochen werden. Obwohl Ubuntu-Management-Prinzipien im Arbeitsleben Einzug gehalten haben, dominiert eine westlich geprägte Geschäftskultur. Viele Schwarze haben die westliche Kultur angenommen und sich ihr angepasst.

Was für ein Deutschenbild existiert?

Deutsche genießen in Südafrika ein hohes Ansehen. Die im Land niedergelassenen rund 600 Unternehmen aus Deutschland beschäftigen ca. 90.000 Menschen. Viele der Firmen übernehmen soziale Verantwortung und unterhalten entsprechende Programme. Südafrika ist Deutschlands wichtigster Partner in Afrika südlich der Sahara. Beide Länder statten sich regelmäßig politische Besuche auf höchster Ebene ab. 2013 war Deutschland Südafrikas zweitwichtigster Handelspartner. Deutschland will gemeinsam mit südafrikanischen Unternehmen die infrastrukturelle Entwicklung in den Bereichen Bildung, Ausbildung und Gesundheit fördern.

Verhaltensnormen / Kulturdimensionen

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In welchen Verhaltensnormen unterscheiden sich Südafrikaner und Deutsche am deutlichsten? Welche Gemeinsamkeiten bestehen?

Die deutlichsten kulturell bedingten Unterschiede können in den Bereichen Kommunikation, Zeitverständnis und Unsicherheitsvermeidung auftreten. Konflikte können entstehen, wenn man in Südafrika die persönliche Meinung oder Kritik offen und direkt äußert, Aufgaben nacheinander und fristgerecht abarbeiten will oder und durchwegs berechenbare Arbeitsweisen und Entscheidungsfindungen voraussetzt. Die Mehrheit der Südafrikaner pflegen einen indirekten Kommunikationsstil, handeln Fristen und Aufgaben flexibel, fällen Entscheidungen häufig spontan und sind schnell wandelnde Arbeitsbedingungen gewohnt. Ob kulturell bedingte Unterschiede auftreten können, hängt auch davon ab, ob man mit Regierungs- oder Unternehmensvertretern zu tun hat. Ein Minister der südafrikanischen Provinz Western Cape beschrieb die Arbeitsbeziehungen zwischen Südafrikanern und Deutschen einmal sehr zutreffend wie folgt: „Die Deutschen sind immer sehr strukturiert und wir Südafrikaner sind sehr flexibel. Daher würde ich unsere Beziehung als gut funktionierende strukturierte Flexibilität charakterisieren.“

Wie äußern sich die geschilderten Verhaltensunterschiede in den typischen Situationen des geschäftlichen Aufeinandertreffens?

Ein Beispiel: Nach zwölf Stunden Flug war Michael Schmidt froh, in Südafrika anzukommen. Seine Verabredung, ein Angehöriger des südafrikanischen Volksstammes Xhosa, grüßte ihn freundlich mit einem weichen und schlaffen Händedruck. Herr Schmidt versuchte, während der Unterhaltung Augenkontakt aufzunehmen, doch sein südafrikanischer Gesprächspartner wich seinem Blick aus. Der unstete Blick seines Gegenübers irritierte ihn und er fragte sich, ob er ihm vertrauen kann. Der Südafrikaner informierte Herrn Schmidt, dass ihr Meeting im letzten Augenblick verschoben worden war. Grund waren Unruhen in einer ländlichen Gegend, in der die Bewohner unzufrieden mit Versorgungsleistungen sind. Stattdessen würden sie nun ein Gelände in einer anderen Gegend besuchen. Er schlug Herrn Schmidt vor, das Mittagessen mit den Büromitarbeitern einzunehmen, um sie persönlich kennenzulernen. Herr Schmidt schlug diese Einladung jedoch aus, um sich auf den wichtigen Termin am nächsten Tag vorbereiten zu können.

Mit welchen Eigenschaften, Fähigkeiten und Gesten baut man in Südafrika nachhaltig an einer Vertrauensbeziehung?

In Südafrika sollte man sich nicht unter Zeitdruck setzen, in dem man sich einen straffen Terminplan vorgibt. Termine werden oft verschoben und es ist daher empfehlenswert, anpassungsfähig und flexibel zu sein. Das afrikanische Zeitverständnis ist kein Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Man sollte auch nicht den deutschen Effizienzstil erwarten. Höfliches Auftreten und das Aufbringen von viel Geduld sind zielführend, nicht das ungern gesehene Drängeln. Kritik an den Ethnien des Landes und an Südafrika selbst sollte man unterlassen. In jedem Fall sollte man sich vor der Abreise nach Südafrika gut über Land und die dort herrschenden Gepflogenheiten informieren. Zu diesen gehören z.B. auch die gängigen Begrüßungsformen. Man sollte sich Zeit für den Beziehungsaufbau und die Beziehungspflege nehmen und z.B. ruhig eine Einladung zu einem Braai, einer Variante des in Südafrika beliebten Grillens, annehmen.

Welche landesspezifischen Besonderheiten existieren, die sich insbesondere für Deutsche zum „Fettnäpfchen“ entpuppen könnten?

Südafrikaner sind ehrlich interessiert an ihrem Gesprächspartner und entsprechend stellen sie ihm viele Fragen, die durchaus auch sehr persönlich sein können. Dieses aus deutscher Sicht ungewohnte Verhalten sollte man erwidern, wenn man nicht als förmlich, reserviert oder sogar desinteressiert gelten will. Es dient zum Aufbau einer persönlichen Beziehung. Der deutsche direkte Kommunikationsstil kann als undiplomatisch und aggressiv herüberkommen. Man sollte sich stets vor Augen führen, dass Gesichtswahrung und Harmonie Südafrikanern wichtig sind. Aufgrund eines unterschiedlichen Ansatzes im Umgang mit Zeit können Deutsche als ungeduldig, unflexibel und immer in Eile wahrgenommen werden.

sybille_kennyDie gebürtige Südafrikanerin Sybille Kenny hat sich auf interkulturelle Trainings und Beratung spezialisiert. Sie hat eine Reihe von Trainingsprogrammen für Manager konzipiert und in Europa und Südafrika durchgeführt. Solche bietet Frau Kenny auch im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) an. Kontakt: Tel.: +27 21 5229093, Internet: www.ubuntu-communications.de.

Der letzte Teil der Serie “Interkulturell kompetent unterwegs in …” befasst sich mit Ghana.

(Bildnachweise: www.cia.gov und Sybille Kenny)

Weitere Informationen zur interkulturellen Kompetenz:

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