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Serie: Interkulturell kompetent unterwegs in … Ghana

Wer international unternehmerisch erfolgreich tätig sein will, der sollte sich auf die Kultur des ins Auge gefassten Auslandsmarktes einstellen. Andernfalls ist die Gefahr groß, dass kulturell bedingte Missverständnisse zum Scheitern eines Geschäftes führen. Blog:subsahara-afrika möchte mit einer Artikelserie über einzelne Länder südlich der Sahara dazu beitragen, interkulturelle Kompetenz zu fördern. Ziel der Serie ist es, für landesspezifische Besonderheiten und Gepflogenheiten zu sensibilisieren und eine weitergehende Auseinandersetzung mit den (Geschäfts-)Kulturen Afrikas anzuregen.

flagge_ghanaIm Fokus des vorerst letzten Teils der Serie steht das westafrikanische Land Ghana. Blog:subsahara-afrika hat sieben Fragen an Lawrence Oduro-Sarpong gestellt, der sich als zertifizierter Trainer mit Fragen der interkulturellen Kompetenz in Afrika auseinandersetzt.

Welche Faktoren sind für die kulturelle Prägung Ghanas bestimmend?

Die kolonialbedingte zwanghafte Zusammensetzung verschiedener Nationen und Gemeinden in die heutigen Landesgrenzen verhindert eine wahrhafte nationale Identität. Dennoch ist die Kultur der Akan-Bevölkerungsgruppe des Südens dominierend. Sie ist nicht nur die größte des Landes, sondern verfügt auch über die wichtigsten Bodenschätze. Die britischen Kolonialherren interessierten sich aufgrund des erbitterten Widerstandes fast ausschließlich für die Kultur der Asante, die der Akan angehören. Und so hinterließen sie fast ausschließlich über dieses Volk ihre ethnologischen Forschungsergebnisse. Das führte zu dem falschen Eindruck, als wäre Akankultur ein Synonym für ghanaische Kultur, obwohl es viele andere Bevölkerungsgruppen insbesondere im Norden des Landes gibt. Die traditionellen Werte und Bräuche der Bevölkerung werden überdeckt durch das mit der Kolonialisierung eingeführte Christentum, durch westliche Werte sowie durch den überwiegend im Norden gelebten Islam. Insofern leben Ghanaerinnen und Ghanaer im Zwiespalt zwischen Moderne und Tradition.

Wie stark ist der Einfluss „westlicher“ Kultur?

„Westliche“ Kultur prägt den Alltag in allen Lebensbereichen, unter anderem vor allem in Ökonomie, Bildung, Unterhaltung, Arbeit, Gesetze, Politik, Religion, Sex und Krieg. „Westliche“ Standards und Schönheitsideale werden angestrebt und angewandt. Die Traditionen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen werden weitestgehend noch praktiziert, allerdings aus Mangel an machtpolitischer Bedeutung abgewertet. Dies bedeutet, dass hochqualifizierte Akademiker sich als traditionelle Herrscher krönen lassen, unter der Woche als Rechtanwalt oder Ingenieur in der Hauptstadt Accra arbeiten, am Wochenende womöglich traditionelle Rituale auf dem Land betreuen, und am Sonntag zum christlichen Gottesdienst gehen. Geschäftsleute sind da keine Ausnahme. Hier wird der Zwiespalt zwischen Moderne und Tradition noch einmal deutlich und lässt erkennen, was für ein wahrhaft spirituelles Volk Ghanaerinnen und Ghanaer sind.

Was für ein Deutschenbild existiert?

Mit Deutschland verbindet man in Ghana Qualitätsprodukte. Beispiele sind  Mercedes und BMW, medizinische Geräte und Maschinen. Mit Deutschen verbinden Ghanaerinnen und Ghanaer Eigenschaften wie Fleiß, Disziplin und Pünktlichkeit. Man sagt: „German time is serious“. Deutsche sind auch dafür bekannt, dass sie gute Fußballer und Biertrinker sind. Auf der anderen Seite kommen Deutsche den Ghanaerinnen und Ghanaern oft zu regeltreu und unflexibel vor. Von ihnen sagt man, dass sie nach außen einen starken Eindruck machen, näher betrachtet aber ziemlich weich und emotional werden können. Deutsche sollen ein großes Sicherheitsbedürfnis haben und somit eine niedrige Stresstoleranz.

Verhaltensnormen / Kulturdimensionen

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In welchen Verhaltensnormen unterscheiden sich Ghanaer und Deutsche am deutlichsten? Welche Gemeinsamkeiten bestehen?

Deutsche und Ghanaerinnen und Ghanaer haben die Gemeinsamkeit, dass sie ihr Land mögen. Auch das „Chilling“ haben sie gemeinsam, indem sie nach Feierabend oder am Wochenende in die Bar oder Kneipe gehen, um mit Freunden etwas zu trinken. An Feiertagen unternimmt man gerne etwas, man veranstaltet ein Picknick oder man fährt an den See oder Strand um zu feiern. Unterschiede gibt es aber reichlich. Als spirituelles Volk nehmen es die Ghanaerinnen und Ghanaer sehr ernst mit der Religion, sei es mit dem Christentum, Islam oder anderen Religionen. Sonntags gehen auch junge Menschen zahlreich in die Kirche, während man in Deutschland eher Senioren und Kleinkinder antrifft. Auch bei Arbeitssitzungen wird in Ghana nicht selten vorher und nachher gebetet. Ghanaerinnen und Ghanaer sind harmonieorientiert, während Deutsche zur Schuld- und Problemorientierung neigen. Die Trennung von Männer- und Frauenrollen findet in der ghanaischen Gesellschaft auch bei Akademikerinnen Zustimmung, während sich die Rollen in Deutschland zunehmend vermischen.

Wie äußern sich die geschilderten Verhaltensunterschiede in den typischen Situationen des geschäftlichen Aufeinandertreffens?

Da die Religion aufgrund der Spiritualität eine gewaltige Rolle gerade im Geschäftsleben der Ghanaerinnen und Ghanaer spielt, kommt es vor, dass zum Beispiel ein muslimischer Geschäftsmann eine Besprechung unterbricht, um pünktlich zur Gebetszeit zu beten. Dies stößt oft auf Unverständnis, lässt den deutschen Geschäftspartner an der Seriosität des ghanaischen Partners zweifeln und führt zu Ärger. Wenn in einem von einem Deutschen und einem Ghanaer geführten Unternehmen etwas schief läuft, kommt es oft vor, dass sich der deutsche Partner darum bemüht, die Schuldigen für das Scheitern zu identifizieren, um das Problem zu klären, während sein ghanaischer Partner den Blick nach vorne richtet, um die Zukunft besser zu gestalten und auch für eine gute Arbeitsatmosphäre zu sorgen. Eine solche Situation kann dazu führen, dass der Deutsche seinem ghanaischen Partner misstraut, während  der Ghanaer sich darüber ärgert, dass es seinem deutschen Partner nicht wichtig ist, dass eine harmonische Atmosphäre im Unternehmen herrscht.

Mit welchen Eigenschaften, Fähigkeiten und Gesten baut man in Ghana nachhaltig an einer Vertrauensbeziehung?

In Ghana gibt es keine große Trennung zwischen dem geschäftlichen und dem privaten Bereich. Beide bedingen sich gegenseitig. In diesem Sinne ist es sehr ratsam, bei geschäftlichen Abläufen die privaten Anliegen aller Beteiligten im Blick zu behalten und gegebenfalls konstruktiv darauf zu reagieren. Wenn man verinnerlicht, dass eine gute Beziehung für das Geschäftliche nützlich ist, so entwickelt man eine Haltung dazu, die für das Geschäft nur nützlich sein kann. Eine Anerkennung der spirituellen Natur der Ghanaerinnen und Ghanaer ist auch sehr zentral für eine Vertrauensbildung. Wenn man die spirituelle Neigung seiner Geschäftspartner offenbar ablehnt, verliert man womöglich den Anschluss, denn geschäftliche Erfolge werden oft der spirituellen Ebene zugeordnet. Besonders wichtig wäre es auch, die vor Ort bestehenden, privaten wie geschäftlichen Hierarchien anzuerkennen.

Welche landesspezifischen Besonderheiten existieren, die sich insbesondere für Deutsche zum „Fettnäpfchen“ entpuppen könnten?

Kritik vor versammelter Mannschaft zu üben, wirkt sehr giftig. Danach muss man sehr viel Zeit aufwenden, um die Beziehung wieder herzustellen. Auch von einer direkten Ansprache, wie sie in Deutschland üblich ist, ist dringend abzuraten. Auch wenn man mit den religiösen Überzeugungen seiner Geschäftspartner nicht einverstanden ist, weil man glaubt, dass sie übertrieben oder sogar „schwachsinnig“ sind, sollte man sich trotzdem nicht ablehnend verhalten. Solange man nicht mitmachen muss, dürfte es möglich sein, diese so stehen zu lassen. Dies betrifft besonders den Umgang mit den Ahnen („Vorausgegangenen“). Ghanaerinnen und Ghanaer haben oft viele Verwandte, und diese sind alle irgendwie wichtig. Man vermeidet sehr viel Konfliktpotenzial, wenn man diese familiären Verpflichtungen anerkennt.

oduro-sarpongDer Ghanaer Lawrence Oduro-Sarpong ist zertifizierter Interkultureller Diversity und Critical Whiteness Trainer, Mediator und Coach. Er betreut Fach- und Führungskräfte sowohl für die Inlandsarbeit als auch vorbereitend für den Auslandseinsatz. Kontakt: Tel.: 030 95999375, E-Mail: los@gmx.info.

 

(Bildnachweise: www.cia.gov und Lawrence Oduro-Sarpong)

Weitere Informationen zur interkulturellen Kompetenz:

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