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Interview: Das schützt Unternehmensinteressen und sichert Arbeitsplätze

In Ghana tut sich was. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz bietet Chancen, die geplante Reform des Investitionsrechtes sowie die Einführung der Vorversandkontrolle werfen Fragen auf. Patrick Martens, Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Accra, gibt im Gespräch mit blog:subsahara-afrika Einblicke in aktuelle Entwicklungen.

blog:subsahara-afrika: Herr Martens, erklären Sie uns bitte, was es mit „Dumsor-Dumsor“ auf sich hat.

Patrick Martens: Das heißt übersetzt so viel wie „abschalten / einschalten“. Mit diesem Begriff aus der Umgangssprache bezeichnen die Ghanaer die Stromzuteilung nach Plan. Aufgrund der großen Stromknappheit wird der Strom systematisch ab- und wieder angestellt. Die Bevölkerung versucht, diesen untragbaren Zustand mit Humor zu nehmen und sich einzurichten. Sie passen zum Beispiel ihre Lebensmitteleinkäufe dem Stromplan an oder investieren viel Geld in einen Generator. Natürlich leidet auch die Wirtschaft an der mangelnden Stromversorgung. Da sind vor allem der teure Diesel für die Generatoren und das Fertigen von Ausschussware durch Fehler in der Produktion. Wird der Strom wieder eingeschaltet, heißt es für den Unternehmer und den Ingenieur Daumen drücken. Durch die dann auftretenden Schwankungen mit bis zu 300 Volt ist die Gefahr einer Beschädigung der Maschinen immer groß.

blog:subsahara-afrika: Neben der Energie- erschüttert eine schwere Finanzkrise das Land. Mit welchen Aussichten locken Sie deutsche Unternehmen nach Ghana?

Martens: Ghana ist im internationalen Vergleich ein kleiner Markt. Für afrikanische Verhältnisse sieht es aber anders aus, da der Markt die kritische Masse von mittlerweile 25 Millionen Konsumenten im unteren mittleren Einkommen erreicht hat. Letztlich kommt es auf das Produkt an, das verkauft werden soll. Der Konsum spielt eine immer größere Rolle. Zurzeit wird massiv in den Krankenhaussektor investiert. Wir haben drei große neue Krankenhäuser in Planung beziehungsweise im Bau. Hinzu kommen viele weitere neue Kliniken. Ghana wird sich in Westafrika als Hub für die Gesundheitswirtschaft etablieren, nur in Ghana gibt es eine Ausbildung in der Pharmazie. Bei den Erneuerbaren Energien verlässt Ghana gerade das jungfräuliche Stadium. Mit dem Gesetz für Erneuerbare Energien und Einspeisungstarifen bieten sich neue Möglichkeiten. Bis 2020 soll 10 Prozent der Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Mit der West African Clean Energy & Environment Exhibition & Conference, kurz WACEE, ist zudem hier die Leitmesse für Energie in Umwelt angesiedelt. Durch den Bauboom sind Baustoffe weiterhin gefragt. Wasser und Kläranlagen könnten neben Kohle- und Gaskraftanlagen ein Zukunftsthema sein. Öl und Gas als Rohstoffe und deren Förderung ist für Zulieferer immer interessant. Bergbau wird auch wieder kommen. Dies sind die klassischen Themen. Dazu gehört natürlich auch die Landwirtschaft mit ihrem Kakao-Schwerpunkt.

blog:subsahara-afrika: Ein ausländisches Unternehmen, das in Ghana investieren will, kommt an den Gesetzesregelungen des Ghana Investment Promotion Centre Act, kurz GIPC Act, nicht vorbei.

Martens: Das GIPC ist eine staatliche Regulierungsbehörde, die gleichzeitig „One-Stop-Shop“ für Investoren ist. Der GIPC Act gibt die Mindestsummen für Investoren vor und bestimmt, welche Sektoren aus Schutz indigener Unternehmungen für ausländische Investoren ausgeschlossen sind. Die Mindestinvestitionen sind branchenabhängig und richten sich nach der Niederlassungsform.

blog:subsahara-afrika: Der GIPC Act soll reformiert werden. Welche Wünsche haben Sie?

Martens: Mehr Transparenz im Vorfeld der Gesetzesreform und das Anhören der Wünsche der Privatwirtschaft. Ich möchte keine Flexibilität in der Auslegung, aber klare Berechenbarkeit. Das schützt die Interessen der Unternehmen sowie deren Profite und  sichert somit Arbeitsplätze in Ghana.

blog:subsahara-afrika: Daneben wird die Regierung Ghanas das Ghana Conformity Assessment Programme, kurz GCAP, einführen. Was bedeutet das Programm für deutsche Exporte nach Ghana?

Martens: Erst einmal möchte ich die Form der Einführung des GCAP in Frage stellen. Die mehrfache Verschiebung und mangelnde Information war sicher nicht hilfreich für die betroffenen Firmen. Das GCAP sieht die Prüfung der Ware vor ihrer Versendung nach Ghana vor. Die Idee ist die der Qualitätssicherung und des Schutzes vor Billigimporten, die wir so schön als Ramsch bezeichnen. Aus der deutschen Perspektive bedeutet das Programm eigentlich eine indirekte Förderung unserer Produkte. Die Prüfgesellschaften Bureau Veritas und SGS sind mit der Prüfung der Waren beauftragt. Durch die Prüfung entstehen dem Exporteur weitere Kosten. Ich möchte aber klarstellen, dass die Idee der Standards vom Ansatz her sinnvoll erscheint und, wie bereits erwähnt, langfristig bei einer gleichen Umsetzung für alle im Interesse der deutschen Exporteure sein kann.

blog:subsahara-afrika: Inwieweit bietet sich das Land nicht nur als Absatzmarkt sondern auch als Sprungbrett in die Nachbarländer an? Ghana ist ja Mitglied in der Wirtschaftsgemeinschaft „Economic Community of West African States“, kurz ECOWAS.

Martens: Die Realität eines geeinten westafrikanischen Marktes ist ein schöner Traum mit einer großen Idee, die aber an Partikularinteressen scheitert. Man sieht dies zum Beispiel daran, wie schwer man sich in der ECOWAS tut, das Economic Partnership Agreement mit der EU abzuschließen. Es ist eine schwere Geburt. Ghana hat sich aber als Zielland für Afrika-Einsteiger durchaus einen Namen gemacht. Die Logistik und Infrastruktur in Ghana sind häufig viel besser als in andern Ländern in der Region. Aber Vorsicht, die anderen Länder holen auf.

blog:subsahara-afrika: Blicken wir auf Erneuerbare Energien „made in Germany“, denen Sie in Ghana gute Chancen ausrechnen. Wie sollten Technologieanbieter und Dienstleister dieses Thema in Ghana angehen?

Martens: Es gibt zum Glück unser Büro. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren drei umfangreiche Studien zu diesem Sektor geschrieben, die über unsere Website oder über das Bundeswirtschaftsministerium abrufbar sind. Es empfiehlt sich, diese zu lesen und dann über einen möglichen Markteinstieg zu entscheiden. Wir helfen durch das Angebot von maßgeschneiderten Geschäftsreisen für den einzelnen Unternehmer oder von sogenannten „AHK-Geschäftsreisen“ für bis zu acht Unternehmen. Bei diesen Reisen verzichten wir auf Kooperationsbörsen. Vielmehr bringen wir die deutschen Teilnehmer zu ihren potenziellen Geschäftspartnern, die zuvor nach eingehender Prüfung selektiert wurden. Einen Einblick in das Marktpotential kann man auf der von uns organisierten Leitmesse WACEE gewinnen. Die Energie- und Umweltmesse besitzt Alleinstellungsrang und eint alle Stakeholder. Durch die Bundesbeteiligung, dem sogenannten „Deutschen Pavillon“, können Mittelständler subventioniert an drei Tagen das Geschäftsklima „einatmen“. Die begleitende Konferenz ist eine weitere ideale Hilfestellung.

martens_ahk_ghanaPatrick Martens ist Leiter der zum Netzwerk der Deutschen Auslandshandelskammern (AHK) gehörenden Delegation der Deutschen Wirtschaft in Ghana. Der Landeskenner lebt seit vielen Jahren in dem westafrikanischen Land, das als Modeldemokratie in Afrika gilt. E-Mail: patrick.martens@ghana.ahk.de; Internet: www.ghana.ahk.de.

 

(Bildnachweis: Raymond Acquah – www.citifmonline.com)

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