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Interview: In Ghana gibt es im Abfallsektor große Möglichkeiten

Jürgen Meinel ist ein Pionier der Umwelttechnik in Afrika. Schon in den 1980er Jahren hat er sich mit Abfallverwertung beschäftigt und hierzu erste Studien in Ghana betrieben. Der Unternehmer, der heute ein Recycling-Unternehmen in Accra betreibt, gewährt im Gespräch mit blog:subsahara-afrika Einblicke in sein Geschäft.

blog:subsahara-afrika: Herr Meinel, hat Ghana ein Müllproblem?

Jürgen Meinel: Ja, Ghana hat sogar ein großes Müllproblem. Eine geregelte Müllentsorgung gibt es grundsätzlich nur in den besseren Wohngegenden, dort, wo die Leute für diesen Service bezahlen können. Überall sonst, das heißt in den ärmeren Wohngebieten und vor allem in den Slums im Umkreis der Städte, wird Müll oft einfach auf die Straße geworfen und sammelt sich auf ungeregelten Müllhalden an. Diese Situation ist typisch für die Städte, wo die Menschen in einer gewissen Anonymität leben. Anders sieht es in den Dörfern aus. Auf dem Land haben die Menschen ein stärkeres Umweltbewusstsein, weil sie nicht anonym sind und auch näher an der Natur leben. Hier wird sogar der Sand vor den Häusern und Hütten gefegt. Die Dörfer sind sauber.

blog:subsahara-afrika: Sie selbst sind in Ghana im Recyclingbereich tätig. Wie ist es dazu gekommen?

Meinel: Ich bin gelernter Kfz-Meister und schon seit 1980 im Recyclingbereich tätig. Angefangen habe ich mit der Wiederverwertung von Material bei der Wartung von Maschinen. 1995 setzte ich in Ghana, damals noch als Mitarbeiter der ehemals Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, ein kleines Projekt zur Wiederverwendung von Sägemehl um. Dazu beschaffte ich eine alte Brikettieranlage aus deutscher Herstellung, die im ghanaischen Busch herumstand. Nachdem ich die Maschine wieder in Stand gesetzt hatte, produzierte ich gemeinsam mit einem ghanaischen Partner, der als Firmeninhaber fungierte, Sägemehlbriketts. Das war mein Einstieg in die Branche.

blog:subsahara-afrika: Mittlerweile sind Sie Mitinhaber der City Waste Group in Accra. Was verbirgt sich hinter dieser Unternehmensgruppe?

Meinel: Die City Waste Group besteht aus zwei Unternehmen: Die City Waste Management Co. Ltd., kurz CWM, und die City Waste Recycling Ltd., kurz CWR. Die CWM wurde 1997 gegründet. In dem Betrieb recyceln wir Kunststoffabfälle, pressen Metalldosen und entfernen professionell Gase aus Kühlaggregaten. Mit der 2008 gegründeten CWR recyceln wir elektronischen Abfall und säurehaltige Batterien. Wir beschäftigen mit unseren Unternehmungen insgesamt rund 500 Menschen. Rund 70 Personen arbeiten in regulären Arbeitsverhältnissen in den einzelnen Betrieben, die übrigen Beschäftigten sind für uns im informellen Wirtschaftssektor tätig. Sie sammeln als sogenannte Kollektoren für uns den Abfall zum Recycling ein. Die Unternehmensgruppe gehört zu gleichen Teilen mir und meinem „stillen“ ghanaischen Partner, der mir bei der Leitung der Betriebe freie Hand lässt. Gegenwärtig starten wir übrigens einen neuen Recyclingbetrieb rund 30 km außerhalb Accras bei Teacher Mante in Ghanas Eastern Region. Dort haben wir 2015 mit dem Bau einer Fabrik einschließlich einer Ausbildungsabteilung begonnen. Außerdem begannen wir 2015 ein Pilotprojekt mit einer Sammelstelle für verwertbare Abfälle und einer Plastik Recycling Pre-Processing-Plant in der Ho / Volta Region, circa 160 km von Accra entfernt.

blog:subsahara-afrika: Stichwort Ausbildung beziehungsweise Wissenstransfer. Was machen Sie in diesem Bereich?

Meinel: Wir führen innerbetriebliche Ausbildungslehrgänge durch um sicherzustellen, dass die technischen Standards auf höchstem Niveau gehalten werden. Des Weiteren organisieren wir Kurse für z.B. Non-Governmental Organizations, kurz NGOs, und andere Institutionen. Unsere Kurse werden regelmäßig unterstützt durch externe Trainer aus der Recyclingindustrie, von Universitäten, von den relevanten staatlichen Institutionen oder NGOs aus dem Ausland. Drei unserer Mitarbeiter waren in Deutschland, um sich Kenntnisse über aktuelle Recyclingverfahren anzueignen. Diese Workshops wurden durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in NRW ermöglicht.

blog:subsahara-afrika: Blicken wir auf Ihr Geschäft. Wer sind Ihre Kunden?

Meinel: Alle in Ghana tätigen großen Industrieunternehmen sind unsere Kunden, das sind ungefähr ein Dutzend. Das sind Betriebe aus dem Nahrungsmittel- und Getränkesektor sowie alle Betriebe mit industrieller Mülltrennung. Lokale Firmen stellen aus unserem Kunststoffgranulat Verpackungsmaterial oder Ähnliches sowie diverse Kunststoffprodukte her. Das recycelte Kunststoffgranulat wird sehr gern genommen, weil es umständliche und teure Importe erspart. Unsere Qualität ist sehr hochwertig, so dass der Kunststoff auf viele verschiedene Arten weiterverarbeitet werden kann. Zum Beispiel werden unter anderem auch Plastikmöbel, wie Stühle und Tische, daraus hergestellt. Im Bereich des Elektromüllrecyclings holen wir die Computer und andere elektronische Geräte aus den Firmen und Büros ab, nehmen sie auseinander und verkaufen die Materialien wieder bzw. exportieren sie.

blog:subsahara-afrika: Wie finanziert sich das Geschäft?

Meinel: Die Finanzierung muss ausschließlich aus den Erträgen unserer Unternehmen bewerkstelligt werden. Eine Kreditfinanzierung ist in Ghana wegen der extrem hohen Zinsen von rund 40 Prozent viel zu teuer.

blog:subsahara-afrika: Finanzielle Unterstützung könnte man unter Umständen von den Entwicklungshilfegebern erhalten.

Meinel: Generell ist es sehr schwierig, für unseren Bereich staatliche Unterstützung zu bekommen. Wir hoffen darauf, in Zukunft Finanzierungshilfen aus kleineren zweckgebundenen Fonds zu erhalten. Bislang bekommen wird nur gelegentlich in geringem Umfang Subventionen aus Entwicklungshilfeetats. So erhielten wird zum Beispiel Mitte 2015 von der Deutschen Botschaft in Accra aus dem Bundeshaushalt eine Finanzierungshilfe zum Erwerb einer Kabel-Granulatanlage. Anfang 2013 haben wir eine Förderung aus dem Etat des United Nations Development Programme für ein Joint Venture zwischen der CWM und der luxemburgischen Firma Super Drecks Käscht speziell für die Gasentleerung von Kühlschränken bekommen. Dieses Projekt entstand unter der Aufsicht der ghanaischen Umweltschutzbehörde. Anfang 2015 hat die CWR außerdem ein Memorandum of Understanding mit der belgischen Organisation Worldloop zur Entwicklung dauerhafter Lösungen für Elektronikabfälle unterzeichnet.

blog:subsahara-afrika: Wie sieht Ihr Wettbewerb in Ghana aus?

Meinel: Wir sind das einzige professionelle Abfallrecyclingunternehmen in Ghana, das im gesamten Abfallbereich tätig ist. Da es jedoch keinerlei staatliche Vorgaben gibt, der Sektor unreguliert ist, haben wir mit dem Problem des ruinösen Wettbewerbs durch qualitativ minderwertige Produkte aus dem informellen Sektor zu kämpfen. Ghana besitzt zwar eine Umweltbehörde, doch wird diese teilweise durch politische Einflussnahme in ihren Aktivitäten gebremst.

blog:subsahara-afrika: Wie schätzen Sie das Potenzial des Abfallsektors für ein Engagement deutscher Unternehmen ein?

Meinel: Schauen Sie sich nur die Zahlen zur nationalen Müllproduktion an. Täglich fallen in Ghana nach der statistischen Erfassung rund 2.500 Tonnen Plastikmüll an. Die City Waste Group und noch andere, reine Plastik-Recyclingfirmen verarbeiten davon aber derzeit nur 100 Tonnen. Insgesamt sehe ich, was das Verhalten der breiten Bevölkerung in Ghana im Umgang mit dem Müllproblem angeht, eher Rückschritte gegenüber früher. Dies liegt vor allem an dem geänderten Konsumverhalten und dem zunehmenden Kauf von verpackten Waren. Vor 20 Jahren gab es lange nicht so viel Plastikmüll wie heute. Im gewerblichen Bereich gibt es hingegen Fortschritte zu beobachten, weil die Unternehmen für die ISO-Zertifizierung als Qualitätssiegel nachweisen müssen, was sie mit ihren Abfällen machen. Das Betätigungsfeld für deutsche Unternehmen ist daher grundsätzlich groß. Im Recyclingbereich bei den Kunststoffen und vor allem bei den Kartonagen, bei denen sich hier noch gar nichts tut.

blog:subsahara-afrika: Große Chancen, die aber bislang von deutscher Seite nicht wahrgenommen werden.

Meinel: Um die Möglichkeiten zu nutzen, muss man große Investitionen in die notwendigen Maschinen und Ausrüstungen tätigen. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit eine Kooperation mit einem großen deutschen Abfallentsorger begonnen, das Konzept stand bereits, als der neue Partner sich von heute auf morgen aus Gründen, die ich persönlich nicht nachvollziehen konnte, aus dem Projekt zurückzog. Dies haben wir sehr bedauert.

blog:subsahara-afrika: Haben Sie spezielle Empfehlungen für deutsche Unternehmen, die sich für ein Engagement in Ghana interessieren?

Meinel: Meine Empfehlungen betreffen die Partnerschaft, deren Eingehen in Afrika häufig unumgänglich ist: Der lokale Partner sollte sehr sorgfältig ausgesucht werden. Es sollten vorab persönliche Empfehlungen von anderen Unternehmern oder Landeskennern eingeholt werden. Potenzielle Bewerber sollten auf „Herz und Nieren“ und auf ihre Bonität geprüft werden. Und: Niemals die Mehrheit aus der Hand geben! Denn, wenn es bei einer ausländischen Minderheitsbeteiligung zum Streitfall mit dem oder den Partnern kommt, wird immer der Ausländer benachteiligt und im Zweifel sogar „über den Tisch gezogen“. Ich selbst habe mit meinem ghanaischen Geschäftspartner großes Glück gehabt. Wir arbeiten seit 15 Jahren sehr gut zusammen und vertrauen uns gegenseitig hundertprozentig. Es ist also eine ideale Konstellation. Ein weiterer Tipp: Da die Stromversorgung in Ghana aus dem nationalen Netz sehr teuer ist, sollte so viel wie möglich Solarenergie zum Einsatz kommen. Wir bei der City Waste Group wollen in der Zukunft unsere einzelnen Firmen zu einem großen Unternehmen zusammenlegen und dann vollständig auf Solarenergie umstellen.

blog:subsahara-afrika: Herr Meinel, wir danken Ihnen für das Gespräch.

meinel_klJürgen Meinel ist Managing Director der City Waste Group in der ghanaischen Hauptstadt Accra. Die Unternehmen der Gruppe verwerten u.a. Sägemehl, Kunststoffe und elektronische Abfälle sowie Kühlaggregate. Vorher war Herr Meinel in der Abfallberatung und der Entwicklungshilfe u.a. für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH tätig. Kontakt: Tel.: 00233 24 4315069, E-Mail: cwmcl@gmx.net, Internet: www.cwmc10.wix.com/citywastegroup.

(Bildnachweis: © Renate Wefers – Fotolia.com)

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