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Als Expatriate nach Südafrika – Teil 5: Die Bürokratie kann sehr frustrierend sein

Vor 30 Jahren zog es die Deutsche Barbara Kruchen nach Südafrika. Die heutige Chefin der BME Group in Johannesburg skizziert im Gespräch mit blog:subsahara-afrika die Lebens- und Arbeitsbedingungen im südlichsten Land Afrikas und vermittelt Tipps für den Alltag einer Expatriate-Familie.

blog:subsahara-afrika: Frau Kruchen, welche Erfahrungen haben Sie gemacht als Sie 1986 nach Südafrika kamen?

Barbara Kruchen: Es war noch die Zeit der Apartheid, die ich persönlich im privaten wie auch im geschäftlichen Umfeld, wenn ich ehrlich sein soll, als friedlich und stabil empfunden habe. Es gab im Leben der weißen Südafrikaner damals praktisch keine Alltagskriminalität, wobei die verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Land nebeneinander lebten, aufgrund der vorgeschriebenen Trennung nach Rassenzugehörigkeit. Natürlich war die politische Unfreiheit, die das alte Unrechtssystem für Schwarze bedeutete, durch nichts zu rechtfertigen. Ich selbst war damals verwundert, wie vergleichsweise anders alles in diesem Land funktionierte. Dennoch klappte meine eigene Etablierung ohne Probleme, ich bekam so viel Unterstützung, wie ich es gar nicht erwartet hätte. Die Liebe zum Land wuchs zudem sehr schnell. Afrika und speziell Südafrika hat etwas an sich, das Zugereiste von Anfang an in seinen Bann zieht. Es ist einfach der „menschliche Faktor“, der einen besonders anzieht.

blog:subsahara-afrika: Seitdem hat sich Einiges getan. Welche Veränderungen beobachten Sie?

Kruchen: Die Kluft zwischen der schwarzen jungen und der alten Generation wird stetig größer. Die Lebensvorstellungen der jungen Südafrikaner orientieren sich sehr stark am Westen, vor allem an Amerika, während die traditionellen afrikanischen Werte, wie vor allem die Familienverbundenheit, Einbindung in die Großfamilie, immer mehr verblassen. Die alte Generation versteht diese Entwicklung zwar nicht wirklich, toleriert sie jedoch, weil auch sie sich für ihre Kinder mehr Bildung und berufliche Möglichkeiten im Leben erhofft, als es ihnen unter dem Apartheidsregime vergönnt war. Damit besteht zur Zeit eine ganz schwierige Übergangsperiode der Gesellschaft, und im Grunde sind alle in diesem Generationenkonflikt unglücklich. Dies wirkt sich in vielen Bevölkerungsschichten in einer zunehmend depressiven Haltung und verbreiteten Kritik an der Regierung aus, da diese die Erwartungen der meisten Südafrikaner hinsichtlich der Verbesserung der Lebensbedingungen bisher nicht erfüllt hat.

blog:subsahara-afrika: In der deutschen Wahrnehmung ist die wachsende Kriminalität ein Thema, das die südafrikanische Regierung nicht in den Griff zu bekommen scheint.

Kruchen: Johannesburg ist heute eine Stadt mit sehr hoher Kriminalität, doch auch hier gibt es relativ sichere Viertel und solche, die man auf jeden Fall meiden sollte. Darauf richtet man sich ein und beachtet im Übrigen alle einschlägigen Sicherheitshinweise im Alltag. Zum Beispiel sollte man nicht nach Einbruch der Dunkelheit spazieren gehen, keine Wertsachen mit sich führen oder im Auto bzw. im Haus offen liegen lassen. Bei einem pragmatischen Umgang mit der Sicherheitslage kann aber auch das Leben in Johannesburg durchaus angenehm sein.

blog:subsahara-afrika: Auf was sollte sich ein Expatriate noch einstellen, wenn er den Schritt nach Südafrika macht?

Kruchen: Vor allem darauf, dass die Bürokratie in den letzten Jahren in allen Bereichen überhand genommen hat und daher sehr frustrierend sein kann. So ist es gang und gäbe, dass bei einem Behördengang ein ganzer Tag weg ist. Auf den neuen Festnetz- oder Internetanschluss muss man lange warten. Die Administration in Südafrika funktioniert nicht optimal, vor allem sind die Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen sehr langwierig. Eine weitere Herausforderung sind die häufigen Stromausfälle wegen der Überlastung des Leitungsnetzes.

blog:subsahara-afrika: Deutsche Geschäftsführer von Niederlassungen in Südafrika kritisieren häufig die sogenannte “Broad-Based Black Economic Empowerment”-Politik der südafrikanischen Regierung.

Kruchen: Nach der Abschaffung der Apartheid war es erforderlich, eine affirmative Politik zur besonderen Förderung der zuvor benachteiligten Bevölkerungsgruppen im Arbeitsprozess einzuführen. Die wirtschaftliche Chancengleichheit dieser Bürger soll möglichst breit wieder hergestellt werden. Leider ist diese begrüßenswerte Politik inzwischen total entgleist.

blog:subsahara-afrika: Inwiefern?

Kruchen: Um den Gesetzesvorgaben zu genügen, sind Firmenchefs häufig dazu angehalten, bevorzugt schwarze Arbeitnehmer einzustellen. Allerdings ohne Rücksicht darauf, ob sie der jeweiligen Aufgabe auch gewachsen sind. Dies erweist sich vor allem bei der Besetzung von Führungspositionen als Desaster für den Betriebserfolg, weil die meisten der „neuen“ Manager nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Die Ursache hierfür liegt natürlich in dem aufgrund der Apartheid fehlenden Bildungshintergrund der schwarzen Familien, die in der älteren Generation noch zum großen Teil aus Analphabeten bestehen. Als einen pragmatischen Weg aus diesem Dilemma bietet sich häufig übrigens die Einstellung von schwarzen Frauen an. Dies wird vom B-BBEE-System besonders honoriert und erweist sich unabhängig von der jeweiligen Qualifikation als vorteilhafter für den betrieblichen Ablauf, da weibliche Beschäftigte in der Praxis generell „umgänglicher“ und angenehmer für das Betriebsklima sind.

blog:subsahara-afrika: Aus der Sicht einer weiblichen Führungskraft: Wie sehen Sie die Rolle der Frau in Südafrika generell?

Kruchen: In Südafrika wurden sehr früh Frauen in Führungspositionen berufen. In der schwarzen Gesellschaft haben die Frauen in der Familie „die Hosen an“, und sie machen ihre Sache, wie ich finde, sehr gut. In der traditionellen afrikanischen Familie ist die Frau diejenige, die alles unter Kontrolle hat. Dagegen wird den Männern – leider oft zu Recht – der Ruf angelastet, gewalttätig zu sein, auch in der Familie.

blog:subsahara-afrika: Welche Alltagshinweise würden Sie der Ehefrau eines Expatriate geben, die ihren Mann nach Südafrika begleitet?

Kruchen: Der erste ganz wichtige Hinweis: Jede Ehefrau muss in Südafrika Auto fahren, also ist die Anschaffung eines Zweitwagens für die Familie ein absolutes Muss. Zwar ist eine eigene Erwerbstätigkeit der mitreisenden Ehefrau generell nicht möglich, und zudem muss sie einen Teil der häuslichen Verantwortung an die Dienstboten abgeben. Dennoch wird die Hausfrau aufgrund der besonderen Lebensumstände im Alltag ausgelastet sein, vor allem wenn Kinder da sind: Diese sind bei ihren zahlreichen Freizeitaktivitäten immer auf „Mum’s Taxi“ angewiesen, öffentliche Verkehrsmittel wie in Deutschland sind nicht vorhanden oder – aus Sicherheitsgründen – nicht benutzbar. Dies führt übrigens dazu, dass Mutter und Kinder in Südafrika sehr viel enger zusammen sind, als dies etwa in Deutschland der Fall ist. Üblich sind auch häufige gegenseitige Übernachtungsbesuche der Kinder und ihrer Freunde. Ein großer Vorteil beim Leben in Südafrika ist im Übrigen die Erschwinglichkeit sämtlicher Sportarten, auch der „exklusiveren“, wie etwa Golf, Tennis oder Reiten. Hilfreich für den Aufbau eines stabilen sozialen Umfeldes ist vor allem, die Kinder auf die deutsche Schule zu schicken.

blog:subsahara-afrika: Frau Kruchen, wie danken Ihnen für das Gespräch.

kruchenBarbara Kruchen ist eine deutsche Unternehmerin und „Selfmade-Frau“ in Südafrika. Sie ging als junge Abiturientin mit ihrem damaligen Partner 1986 nach Johannesburg und gründete dort Ende 1989 die Logistikfirma BME Group. Das Unternehmen vertritt als Generalagent eine Reihe von renommierten deutschen Maschinenbau- und Technikfirmen und beschäftigt eine wachsende Zahl von Ingenieuren und Technikern. BME besitzt Niederlassungen in Johannesburg, Durban, Port Elizabeth und Kapstadt und hat den Vertrieb ausgeweitet auf die übrigen Länder im südlichen Afrika bis nach Mauritius und Réunion im Indischen Ozean. Kontakt: E-Mail: barbara@bmepkg.co.za; Internet: www.bmegroup.co.za.

Dieses Interview ist Teil 5 (letzter Teil) der Serie: Als Expatriate nach Südafrika

(Bildnachweis: Stiefi & Monkey Business & Minerva Studio & bst2012 – Fotolia.com)

2 Gedanken zu “Als Expatriate nach Südafrika – Teil 5: Die Bürokratie kann sehr frustrierend sein

  1. Super interessanter Beitrag. Mein Mann und ich haben eine ähnliche Geschichte. Alle drei bis vier Jahre setzen wir uns neuen Ländern und Kulturen aus. Für uns eine großartige Möglichkeit, weshalb wir unsere Jobs sehr lieben. Die Integrationskurse und Sprachkurse sind nach vielen Jahren natürlich etwas ermüdend aber die Erfahrungen und der Austausch machen alles wieder wett.

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