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Interview: Rund 30% an Geschäften in Sambia interessiert

Über zehn Jahre beeindruckte Sambia nicht nur mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 6,6%. Johannes Kurt, der die kürzlich in Lusaka gegründete Repräsentanz der Auslandshandelskammer (AHK) für das Südliche Afrika leitet, nennt die sich bietenden Chancen und bewertet die Perspektiven des Landes nach den Präsidentschaftswahlen.

blog:subsahara-afrika: Herr Kurt, die Eröffnung eines Büros einer deutschen AHK ist Indiz, dass man im gastgebenden Markt gute Chancen für Produkte und Dienstleistungen made in Germany sieht. Welches Potenzial schreiben Sie Sambia zu?

Johannes Kurt: Rückgrat der sambischen Wirtschaft war und ist der Kupferbergbau, der mit rund 70% zu den Exporteinnahmen beiträgt. Bis 2014 war Kupfer dank hoher Weltmarktpreise und erhöhter Förderung der treibende Faktor des Wirtschaftswachstums in Sambia. Auch abseits der reichhaltigen Bodenschätze ist die drittgrößte Volkswirtschaft im südlichen Afrika einer der interessantesten Wirtschaftsstandorte in der Region und verfügt über ein günstiges Klima, bedeutende ungenutzte landwirtschaftliche Nutzflächen sowie riesige Wasserreserven. Eine kaufkräftige und konsumfreudige Mittelschicht bevölkert die Einkaufszentren der Großstädte Lusaka, Kitwe und Ndola.

blog:subsahara-afrika: Sie würden demnach trotz niedriger Rohstoffpreise Bergbauunternehmen und Zulieferern empfehlen, Sambia weiter auf dem Schirm zu haben?

Kurt: Ja! Sambia ist der zweitgrößte Kupferproduzent Afrikas und ungeachtet der aktuellen Krise im Sektor bleiben die Bergbaukonzerne im Land. Ab 2019 sollen die Kupferpreise wieder steigen. Alle Betreiber investieren in die Erschließung neuer Lagerstätten sowie in die Modernisierung der Minen. Für deutsche Unternehmen bieten sich dabei interessante Chancen, zum Beispiel für effiziente und ressourcensparende Ausrüstung bei Kälte- und Lüftungsanlagen, moderne Aufzugs- und Fördertechniken oder Solar-Diesel-Hybridsysteme zur Energieversorgung.

blog:subsahara-afrika: Wer sollte sich noch mit Sambia beschäftigen?

Kurt: Um seine Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen in den nächsten Jahren zu reduzieren, sollen bestimmte Bereiche verstärkt gefördert werden. Das betrifft beispielsweise den Energiesektor und die Transportinfrastruktur, die sowohl im Straßen- als auch im Schienenbereich ausgebaut werden soll. Besondere Potenziale liegen zudem in der Landwirtschaft sowie im Wassermanagement. Im Wassersektor stellten internationale Geber die Finanzierung einer Reihe von Wasserprojekten sicher. In Lusaka wird in den nächsten Jahren ein Masterplan zur Versorgung mit Frisch- und Abwasser sowie zur Entwässerung umgesetzt. Auch alle drei im Kupfergürtel tätigen Wasserversorger haben Ausbauprogramme für ihre Wassernetze aufgesetzt. Gefragt sind auch innovative und integrierte Konzepte für Abwasser- und Müllentsorgung.

blog:subsahara-afrika: Man liest, dass die Landwirtschaft eine größere Rolle spielen soll …

Kurt: Der Landwirtschaftssektor trägt zwar nur 20% zum BIP bei, beschäftigt jedoch etwa 70% der Bevölkerung. Für eine nachhaltige Armutsbekämpfung kommt Sambias Landwirtschaft daher eine Schlüsselstellung zu. Die reichen Wasserressourcen, ein gemäßigtes Klima und ausgedehnte landwirtschaftlich nutzbare Flächen bescheren dem Land einen potentiellen Selbstversorgungsgrad von über 200%. Bisher sind aber rund 85% der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen ungenutzt. In den letzten Jahren wuchs die Zahl der kommerziellen Farmprojekte in Sambia. Eine Vielzahl von Agrarinvestoren sicherten sich Flächen in den ausgewiesenen Farmblocks. Gleichzeitig wird die Landwirtschaft zunehmend professionalisiert, weshalb langfristig ein Markt für Landtechnik bestehen dürfte. In der Lebensmittelproduktion konnten sich zudem bereits einige Unternehmen etablieren. Technische Lösungen im Bereich der Nahrungsmittelverarbeitung sowie der Energieeffizienz finden hier einen Markt, der wettbewerbsfähiger werden muss, um gegenüber der südafrikanischen Konkurrenz bestehen zu können. Der nächste nationale Entwicklungsplan von Sambia wird daher wohl auch das Thema Landwirtschaft in den Fokus setzten. Mehr staatlichen Aktivitäten und Investitionen in diesem Sektor können erwartet werden.

blog:subsahara-afrika: Man hört wenig über deutsches Engagement in Sambia. Wer ist bereits vor Ort aktiv?

Kurt: Die bislang größte deutsche Investition in Sambia ist Amatheon Agri. Seit November 2012 bewirtschaftet das Agrarunternehmen einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Größe von 38.000 Hektar Gesamtfläche. Primär geht es um Mais, Soja und Viehwirtschaft. Produziert wird in erster Linie für den sambischen Markt. Amatheon prüft Expansionsmöglichkeiten in Sambia und der Region. Die Chemiekonzerne BASF und Bayer sind ebenso in Sambia vertreten wie das Frankfurter Ingenieurbüro Gauff, das rund 35 Mitarbeiter in Sambia beschäftigt. ABB aus Mannheim ist beim geplanten Ausbau und der Rehabilitierung der Stromnetze engagiert. Hinzu kommen die Aktivitäten der AB Bank Zambia, die seit fünf Jahren kleinste, kleinere und mittelgroße Unternehmen sowie private Haushalte der unteren Einkommensschichten mit Finanzdienstleistungen insbesondere Mikrokrediten versorgt und an der auch die KfW Entwicklungsbank beteiligt ist.

blog:subsahara-afrika: Welche strategische Rolle kann Südafrika bei der Erschließung des sambischen Marktes spielen?

Kurt: Viele der Aktivitäten deutscher Unternehmen werden über Firmenniederlassungen in Südafrika abgewickelt und werden daher nicht in den bilateralen Statistiken erfasst. Südafrika bietet nach wie vor eine hervorragende rechtliche und unternehmerische Plattform, um das südliche Afrika zu erschließen. Auch für die Arbeit der AHK-Repräsentanz spielt Südafrika eine entscheidende Rolle. Eine Umfrage der AHK Südliches Afrika unter seinen 600 Mitgliedsunternehmen hat ergeben, dass 50% der südafrikanischen Kammermitglieder bereits Geschäfte in Sambia machen und über 30% an einem Neugeschäft in Sambia interessiert sind. In Zusammenarbeit mit unseren drei Büros in Südafrika ergeben sich sehr gute Chancen neue Interessenten für den sambischen Markt zu gewinnen.

blog:subsahara-afrika: Werfen wir einen Blick auf die politischen Rahmenbedingungen. Im afrikanischen Vergleich ist Sambia eine stabile und gefestigte Demokratie. Kürzlich fanden Präsidentschaftswahlen statt. Wie stellt sich die Situation derzeit dar?

Kurt: Die Präsidentschaftswahl ist zwar abgeschlossen, aber der endgültige Sieger ist noch nicht verkündet. Sambia ist eines von nur vier Ländern innerhalb der Southern African Development Community, die zweimal eine friedliche Transition der Regierungsübergabe an eine Oppositionspartei vollziehen konnten. Auch wenn im Wahlkampf mit harten Bandagen gekämpft wurde, deutet auch in diesem Jahr vieles auf einen friedlichen Regierungswechsel hin.

blog:subsahara-afrika: Mit welchem Angebot sollte man auf die neue sambische Regierung herantreten, um die beschriebenen Potenziale des Landes unternehmerisch nutzen zu können?

Kurt: Das deutsche Angebot im Rahmen der Wirtschaftskooperation mit der neuen, auf fünf Jahre gewählten Regierung sollte sich auf die für die Entwicklung Sambias strategisch wichtigen Sektoren konzentrieren und Beteiligungsmöglichkeiten schaffen. Gerade im Energie- und Landwirtschaftssektor sowie im Wassermanagement verfügen deutsche Unternehmen über große Expertise, mit der sie die Weiterentwicklung der sambischen Wirtschaft unterstützen könnten. Letztlich hängt es aber an den deutschen Unternehmen, die sich für ein Engagement entscheiden müssen. Das AHK-Büro in Sambia will diese Entscheidungsfindung mit guten Informationen zu Geschäftsmöglichkeiten und Kontakten sowie praktischen Hilfestellungen vor Ort positiv zu beeinflussen.

blog:subsahara-afrika: An welchen Stellschrauben müsste die neue Regierung drehen, damit deutschen Unternehmen die Entscheidung für ein Engagement leicht gemacht wird?

Kurt: Aus wirtschaftspolitischer Perspektive sind vor allem zusätzliche Impulse zur Diversifizierung der Wirtschaft nötig. Dafür bestehen angesichts des hohen Entwicklungspotentials sowie der konkreten Geschäftschancen alle Möglichkeiten. Es wird für die neue Regierung entscheidend sein, eine kohärente Strategie der wirtschaftlichen Diversifizierung zu entwickeln und diese auch konsequent umzusetzen.

blog:subsahara-afrika: Zum Schluss unseres Gespräches zu Ihnen persönlich. Sie leiten die erst im Mai 2016 in der sambischen Hauptstadt Lusaka gegründete Repräsentanz der AHK Südliches Afrika. Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Kurt: Das Büro der AHK Südliches Afrika in Sambia ist erster Anlaufpunkt für alle, die nachhaltige Investitionen planen, exportieren und neue Märkte erschließen möchten. Ich bin über das Programm ExperTS in Lusaka im Einsatz, einer Kooperation zwischen dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. Ich berate Unternehmen also auch zu entwicklungspolitischen Förderprogrammen, denn in Sambia gehen sehr häufig wirtschaftliche mit entwicklungspolitischen Interessen einher.

kurt_ahk_sambiaJohannes Kurt ist Leiter der AHK-Repräsentanz in Sambia. Zuvor arbeitete er beim Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft und stand dort als Referent für das südliche Afrika im engen Austausch mit afrikanischen Regierungsvertretern sowie dem deutschen Privatsektor. Im Februar 2016 wechselte er zur deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika, um dort die neue Zweigstelle in Sambia aufzubauen. Kontakt: Tel.: 00260 (0) 211 372687 Ext. 123, Mobil: 00260 (0) 97 4252091, E-Mail: lusaka@germanchamber.co.za.

(Bildnachweis: Lusaka, Sambia, Mike Rosenberg – www.flickr.com)

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