Drucken

Als Expatriate nach Nigeria – Teil 1: Vorbereitung

Wer als Fachkraft von seinem Unternehmen ins Ausland versetzt wird, der wird mit einer ganzen Reihe von zumeist organisatorischen Herausforderungen konfrontiert. Blog:subsahara-afrika beleuchtet mit einer Artikelserie ausgesuchte Aspekte einer Entsendung nach Nigeria. Im Fokus des ersten Teils: Fragen der Vorbereitung.

Die Fachkraft eines international tätigen Unternehmens, die für einen bestimmten kürzeren oder längeren Zeitraum – meist ein bis drei Jahre – in eine Auslandsniederlassung versetzt wird, bezeichnet man als Expatriate. Eine solche Versetzung beinhaltet ganz spezielle Herausforderungen an die Arbeitnehmer und ihre Familien, die sich aus dem Leben und Arbeiten in einem fremden Kulturkreis ergeben. So sind in der Vorbereitungsphase vor allem Visafragen zu klären, die Krankenversicherung für die ganze Familie zu regeln und die geeignete Schule für die Kinder auszuwählen.

Sprachliche Vorbereitung

Von den vielfältigen Schwierigkeiten, die gewöhnlich mit einem Einsatz in Nigeria verbunden werden, ist die Frage der sprachlichen Vorbereitung sicher die am wenigsten problematische. Als ehemalige britische Kolonie hat Nigeria Englisch als Amts- und Verkehrssprache behalten, wenn auch für den Newcomer der besondere nigerianische Akzent sicherlich gewöhnungsbedürftig ist. Zwar ist Nigeria ein Vielvölkerstaat mit einigen dominierenden Bevölkerungsgruppen, die jeweils eine eigene Region, Kultur, Religion und Sprache besitzen, doch wird von keinem dort ansässigen Ausländer die Beherrschung einer indigenen Sprache erwartet.

Visafragen

Jeder deutsche Staatsbürger benötigt für eine Einreise nach Nigeria ein gültiges Visum, das rechtzeitig vor Reiseantritt bei der Botschaft Nigerias in Berlin zu beantragen ist. Hierbei ist eine Bearbeitungsdauer von mindestens drei Wochen oder länger einzukalkulieren. Voraussetzung jeder Visaerteilung ist, dass der jeweilige Reisepass noch mindestens sechs Monate über die Reise hinaus gültig ist. Die Visaanträge können online gestellt werden, Informationen über die erforderlichen Dokumente sowie die Höhe der Gebühren finden sich ebenfalls auf der Homepage der Botschaft. Die benötigten Dokumente sind nach Stellung des Online-Antrags persönlich bei der Konsularabteilung der Botschaft in Berlin vorzulegen. Bei Erstbesuch in Nigeria ist ein Interview mit dem zuständigen Konsularbeamten und somit ein persönliches Erscheinen in Berlin vorgeschrieben. Zu beachten ist, dass grundsätzlich keine Barzahlung von Gebühren gestattet ist. Ein Zahlungsbeleg (Online-Zahlung oder Überweisung auf das Konto der Botschaft) ist mit dem Visum bei Einreise vorzulegen.

Geschäftsvisa erfordern ein Einladungsschreiben eines Unternehmens oder einer Organisation in Nigeria. Für regelmäßige Geschäftsreisen nach Nigeria werden Multiple Entry Visa für sechs oder zwölf Monate vergeben. Die Visa zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Nigeria werden für einen kürzeren, befristeten Zeitraum als sog. TWP-Visa – Temporary Work Permits – oder unbefristet bzw. verlängerbar als sog. STR-Visa – Subject to Regularisation – erteilt. Diese erfordern neben zahlreichen Dokumenten wie Gesundheitszeugnis, Impfpass usw. insbesondere die Vorlage eines Arbeitsvertrages sowie einen Beleg des erforderlichen sog. Expatriate Quota Approval vom Ministry of Internal Affairs in Nigeria. Diese ist immer Voraussetzung für die Beschäftigung von Expatriates durch ein in Nigeria ansässiges Unternehmen.

Doch auch bei Beachtung sämtlicher Vorschriften und Einhaltung aller Fristen usw. kann es vor allem bei Beantragung einer Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Nigeria (Residence Permit) im Einzelfall immer zu unvorhergesehenen Komplikationen kommen. Landeskenner empfehlen daher den einstellenden Unternehmen, besondere auf das Einwanderungsrecht spezialisierte Anwaltskanzleien mit der Abwicklung zu beauftragen. Außerdem sollte der zukünftige Nigeria-Expat unbedingt darauf bestehen, dass die Visaproblematik im Arbeitsvertrag berücksichtigt wird und vertragliche Vorsorge für mögliche Verzögerungen oder gar Ablehnung von Anträgen getroffen wird.

Sozialversicherungsrechtliche / steuerliche Fragen

In Nigeria gibt es wie in sämtlichen afrikanischen Staaten keine mit Deutschland vergleichbare gesetzliche Sozialversicherung für Arbeitnehmer. Da auch kein diesbezügliches bilaterales Abkommen besteht, kann eine Versendung bzw. Arbeitsaufnahme in Nigeria für den sozialrechtlichen Status des deutschen Expat im Einzelfall weitreichende Auswirkungen haben. Unter bestimmten Bedingungen gibt es die Möglichkeit, weiterhin im deutschen System zu bleiben (Ausstrahlungsprinzip) bzw. sich freiwillig in Deutschland weiter zu versichern. Da hierzu die Vertragsausgestaltung entscheidend ist, sollte unbedingt vom entsendenden Unternehmen hierzu professioneller Rat z.B. eines spezialisierten Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers eingeholt werden. Dies gilt ebenfalls im Hinblick auf steuerliche Fragen, die bei der Vertragsgestaltung wegen der unterschiedlichen steuerlichen Belastung des entsandten Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.

Gesundheitsvorsorge

Das Thema Gesundheitsvorsorge ist beim Zielland Nigeria besonders wichtig, da die klimatischen Bedingungen in diesem Teil Afrikas zu den schwierigsten und krankheitsträchtigsten der Welt vor allem für Europäer zählen. Das malariaverseuchte Nigerdelta war nicht zuletzt der wohl wichtigste Faktor für die – im Unterschied etwa zu Ostafrika – nicht erfolgte Besiedlung durch die damaligen britischen Kolonisatoren. Unbedingt erforderlich und keinesfalls vernachlässigt werden sollte daher eine offizielle Tropentauglichkeitsuntersuchung vor einem Nigeria-Einsatz. Diese umfasst einen kompletten Gesundheitscheck nach den Kriterien, die etwa in den Gesundheitsbestimmungen des Auswärtigen Amtes für deren Bedienstete festgelegt sind. Dies bedeutet, dass ein mehrjähriger erfolgreicher Einsatz in Nigeria in jedem Fall eine robuste Gesundheit erfordert.

Das hohe Malariarisiko, und zwar in der besonders gefährlichen Form der „malaria tropica“ (über 95% aller Fälle in Nigeria), stellt europäische Zuwanderer vor besondere Herausforderungen, da eine permanente Prophylaxe in aller Regel wegen der gravierenden Nebenwirkungen nicht durchgeführt werden kann. Also bleibt nur die gewissenhafte Beachtung von Schutzkleidung (möglichst vollständige Körperbedeckung) sowie Verwendung von Mückensprays u.Ä.. Davon abgesehen gilt als bester Schutz nach Einbruch der Dunkelheit der Aufenthalt in klimatisierten Räumen und natürlich das Schlafen unter dem Moskitonetz. Dennoch trifft es die meisten Expatriates irgendwann bei einem mehrjährigen Nigeria-Aufenthalt, weshalb jede Fiebererkrankung vor Ort oder auch etwa nach Rückkehr in heimatliche Gefilde peinlich genau ärztlich abgeklärt werden sollte. Andernfalls besteht die Gefahr einer lebensbedrohenden verschleppten Malariaerkrankung.

Malaria ist natürlich nicht das einzige Krankheitsrisiko in Nigeria, wie die einschlägigen reisemedizinischen Empfehlungen des Auswärtigen Amtes zeigen. Grundsätzlich sollten bei allen Reisen und kürzeren oder längeren Aufenthalten speziell in außereuropäischen Ländern immer die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes zur reisemedizinischen Vorsorge im Rahmen der Reise- und Sicherheitsbestimmungen sowie die Gesundheitsmerkblätter berücksichtigt werden. Wichtig für Nigeria sind hierbei auch die Empfehlungen zur Impfvorsorge (Gelbfieberimpfung) und ggf. zu weiteren Impfungen etwa gegen Tetanus, Diphtherie sowie evtl. auch Polio, Pneumokokken und Influenza. Eine wichtige Empfehlung betrifft die unbedingte Mitnahme einer ausgiebigen Reiseapotheke mit allen wichtigen Medikamenten für gängige Alltagserkrankungen, einschließlich Breitsprektrum-Antibiotika. Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass vermutlich der größte Teil der in nigerianischen Apotheken verkauften Präparate gefälscht sind.

Unbedingt zu klären ist vor einem Einsatz in Nigeria der Krankenversicherungsschutz für die ganze Familie, die ggf. mit der deutschen Versicherungsgesellschaft in Form einer Auslandserweiterung geregelt werden kann. Wegen des noch in weiten Teilen unzureichenden lokalen Gesundheitswesens in Nigeria ist eine sofortige Rückholung im Krankheitsfall immer in die Krankenversicherung einzubeziehen. Selbst die meisten privaten Kliniken und Arztpraxen in den größeren Städten sollten von Expatriates nur bei einfachen Erkrankungen oder für Routinechecks in Anspruch genommen werden, da Qualität und Ausstattung nicht mit mitteleuropäischen Standards zu vergleichen sind. In Lagos gibt es allerdings inzwischen einige adäquate, wenn auch teure Kliniken und Fachärzte. Eine entsprechende Liste ist in der Julius-Berger-Klinik in Ijora erhältlich. Und zu erwähnen ist eine Verbesserung der Zahnarztversorgung, da eine sogenannte Dental Service-Kette mit drei Niederlassungen im Großraum Lagos für ihre hervorragenden Leistungen (einschließlich Implantate) bekannt geworden ist. Grundsätzlich wird für ärztliche Leistungen Vorkasse in Bar verlangt. In Deutschland gibt es auf Ausland spezialisierte Krankenversicherungsunternehmen, deren Angebote gründlich geprüft und verglichen werden sollten.

Schulfragen

Bei Mitnahme schulpflichtiger Kinder ist die Schulfrage im frühestmöglichen Stadium zu klären. Eine deutsche Schule gibt es nicht mehr in Lagos (wurde geschlossen), jedoch in Abuja, mit Lehrplänen nach den Richtlinien des Bundeslandes Thüringen. Mögliche deutsche Schulabschlüsse sind Hauptschulabschluss, Realschulabschluss und die Prüfung zum Eintritt in die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe. Schulträger ist die Firma Bilfinger SE, frühere Muttergesellschaft des in Nigeria führenden Baukonzerns Julius Berger Nigeria Plc.

In Lagos stehen einige internationale Schulen zur Auswahl, darunter die American International School, die British International School, die Children’s International School sowie das Lycée Français Lagos. Die Auswahl an internationalen Schulen ist generell am größten in Lagos, dem Wirtschaftszentrum des Landes und bis zum Bau der neuen Stadt Abuja in den 90er Jahren auch die langjährige Hauptstadt.

Dieser Artikel ist Teil 1 der Serie: Als Expatriate nach Nigeria.

Teil 2: Etablierung (10.10.2016)
Teil 3: Personalmanagement (24.10.2016)
Teil 4: Soziales Umfeld / Stolpersteine (07.11.2016)
Teil 5: Interview: „You love it or you hate it“ (21.11.2016)

(Bildnachweis: Stiefi & Monkey Business & Minerva Studio & bst2012 – Fotolia.com)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Hinweis:
Bitte beachten Sie unsere Blogregeln. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf die Veröffentlichung Ihres Kommentars. Je nach Inhalt behalten wir uns vor, von einer Veröffentlichung abzusehen. Mit dem Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der Veröffentlichung auf dieser Website zu. Auf Wunsch des Absenders können Kommentare auch wieder gelöscht werden. Bitte senden Sie in diesem Fall eine E-Mail an den Administrator.