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Als Expatriate nach Nigeria – Teil 2: Etablierung

Wer als Fachkraft von seinem Unternehmen ins Ausland versetzt wird, der wird mit einer ganzen Reihe von zumeist organisatorischen Herausforderungen konfrontiert. Blog:subsahara-afrika beleuchtet mit einer Artikelserie ausgesuchte Aspekte einer Entsendung nach Nigeria. Im Fokus des zweiten Teils: Fragen der Etablierung.

Die Fachkraft eines international tätigen Unternehmens, die für einen bestimmten kürzeren oder längeren Zeitraum – meist ein bis drei Jahre – in eine Auslandsniederlassung versetzt wird, bezeichnet man als Expatriate. Eine solche Versetzung beinhaltet ganz spezielle Herausforderungen an die Arbeitnehmer und ihre Familien, die sich aus dem Leben und Arbeiten in einem fremden Kulturkreis ergeben. Bei Planung und Organisation des Umzugs sind bestimmte Regeln und Empfehlungen zu beachten, und zur Etablierungsphase im neuen Land gehören Wahl des Wohnorts und Wohnraumbeschaffung, Inanspruchnahme von Sicherheitsdiensten sowie Erwerb und Anmeldung eines (oder mehrerer) Kfz.

Praktische Umzugsfragen

Nigeria gehört zu den Zielländern, in die ein Umzug besonders komplex ist und spezielle Herausforderungen an die Spedition stellt. Daher ist eine besonders gründliche Recherche zur Einholung von Angeboten erforderlich, die nach Möglichkeit auch die Einholung von persönlichen Erfahrungsberichten von bereits vor Ort Ansässigen umfassen sollte. Ein Hinweis auf die Reputation einer Spedition ist auch die Aufnahme in die offizielle Vertragsliste des Auswärtigen Amtes bzw. der jeweiligen Botschaft, die dort auf Nachfrage einzusehen ist.

Grundsätzlich sollte ein anerkanntes internationales Umzugsunternehmen gewählt werden, das sich auf Umzüge aus und nach Nigeria spezialisiert hat. Das Abfertigungsprozedere im Hafen von Lagos ist wegen der chronischen Überlastung notorisch langwierig und „korruptionsanfällig“. Die Spedition muss hierfür verlässliche Agenten vor Ort haben. Dennoch ist es keine Seltenheit, dass Neuankömmlinge monatelang – in Einzelfällen bis zu neun Monaten – auf die Herausgabe ihres Umzugsguts warten müssen. Alle dringend notwendigen persönlichen Gegenstände sollten daher immer im Reisegepäck mitgenommen werden.

Vor allem bei Mitnahme umfangreicher persönlicher Habe im Umzug ist in jedem Fall ein Komplettangebot, d. h. einschließlich Verpacken am Abgangsort und Auspacken am neuen Wohnort, zu empfehlen, damit der gesamte Hausrat die weite Reise möglichst sicher übersteht. Eine Alternative ist immer, vor allem wenn die Langfristigkeit des Auslandseinsatzes noch nicht abzusehen ist, die Beschränkung beim Umzug auf das Notwendigste an persönlichen Gegenständen und Einlagerung der Möbel oder – bei Immobilieneigentum in Deutschland – befristeter möblierter Vermietung. In dem Fall kann die Mitnahme in Form von unbegleitetem Fluggepäck oder sog. Beiladung der Spedition kostengünstig erfolgen. Allerdings können Beschaffungen in Nigeria ggf. umständlich und teuer sein, so dass sich Mitnahme aller auf Dauer erforderlichen persönlichen und Haushaltsgegenstände vor allem bei abzusehendem längeren Aufenthalt empfiehlt.

Wohnortwahl und Wohnungsmarkt

Das Kriterium der Sicherheit spielt bei sämtlichen Aktivitäten in Nigeria eine wesentliche Rolle, so vor allem bei der Wahl des Wohnorts, neben der Nähe zur Arbeitsstätte. Expatriates und ihre Familien wohnen in den großen Städten – Lagos, Abuja und Port Harcourt – üblicherweise in besonderen Vierteln mit (häufig unternehmenseigenen) sog. Compounds, Apartmentblocks und privaten Residenzen, die ggf. möbliert oder teilmöbliert oder auch leer vermietet werden. Zu den beliebtesten Luxus-Wohnvierteln für Expatriates zählen Victoria Island und Ikoyi in Lagos, in Abuja die Bezirke Maitama oder Mississippi. Hierbei ist zu erwähnen, dass sich der Ruf von Lagos in den letzten rund zehn Jahren erheblich verbessert hat: Der früher vielgehasste Moloch im Nigerdelta hat sich durch Säuberung und Verschönerung des Stadtbilds sowie die zunehmend moderne Bauweise zu einem, nicht zuletzt für Expatriates, wesentlich ansprechenderen Lebensraum entwickelt. Außerdem ist Lagos durch die Einbindung der sogenannten Area Boys (die früher durch tägliche Belästigungen auffielen) in die Pflege der Straßenbepflanzung sowie die Straßenreinigung nicht nur sauberer und schöner geworden, sondern auch sicherer. Straßenüberfälle sind in den letzten Jahren wesentlich seltener geworden. Im gleichen Zeitraum hat sich dagegen die Situation in der neuen Hauptstadt Abuja immer mehr verschlechtert, was Stadtbild, Wohnqualität und Sicherheitslage angeht.

Expat-Compounds haben generell 24-Stunden-Bewachung, ggf. mit bewaffnetem Personal, und umfassen alle möglichen Freizeiteinrichtungen wie Pool, Tennisplätze und natürlich gepflegte Gartenanlagen. In Kauf genommen werden muss allerdings häufig die unmittelbare Nähe zu den nächstgelegenen Armenvierteln, in denen der überwiegende Teil der Bevölkerung hausen muss. Nigeria gehört weltweit zu den Ländern mit den gravierendsten Einkommensunterschieden zwischen Arm und Reich.

Sofern keine unternehmenseigene Wohnung zur Verfügung steht, ist es für neue Expatriates nicht unüblich, das „House-Hunting“ erst nach Einreise zu beginnen und die ersten Wochen in einem Hotel zu verbringen. Lagos verfügt inzwischen über eine ganze Anzahl international renommierter Hotels, die allerdings entsprechend teuer sind. Hierfür sind ggf. Beihilfen des Arbeitgebers auszuhandeln, da ja generell die Bezuschussung von Wohnraum bei Expat-Verträgen üblich ist. Bei der Anmietung von Wohnraum sollte wegen der notorisch unzuverlässigen Stromversorgung und auch häufigen Wasserproblemen unbedingt darauf geachtet werden, dass die Anlage über einen leistungsstarken Generator sowie einen Zugang zu einem Bohrloch verfügt. Ansonsten sind die Mietpreise für gehobene Wohnanlagen teuer und beinhalten üblicherweise Vorauszahlung von mindestens einer Jahresmiete.

Sicherheitsfragen

Die Dienstleistungen eines der vielen privaten Sicherheitsdienste in Anspruch zu nehmen gehört zur obligatorischen Grundausstattung eines Expat-Wohnsitzes. Dies beinhaltet Wachpersonal (ggf. bewaffnet) rund um die Uhr, mit Ablösung jeweils morgens und abends, sowie zusätzlich ggf. Wachhunde, Alarmanlagen und Elektrozäune. Das Leben in separaten, bewachten Compounds schafft einerseits einen gewissen Sicherheitsstandard im Alltag, macht andererseits natürlich den Standort von Expatriates auch sichtbar als mögliches Ziel von Überfällen oder sogar Entführungen. Nigeria ist seit vielen Jahren notorisch für Entführungsfälle, wobei es vor allem die Mitarbeiter großer, finanzstarker Unternehmen häufig trifft. Bestimmte Maßnahmen zur Verhinderung oder Erschwerung von Entführungen gehören daher zum Sicherheitskonzept von Expatriates dazu, wie Vermeiden von sichtbarer Routine im Tagesablauf, d. h. etwa häufige Änderung von Bewegungszeiten und Fahrtwegen usw.

Als größtes Sicherheitsproblem beim Leben in Nigeria gilt die generell als nutzlos angesehene Polizei, die den Ruf hat, korrupt, unterbezahlt und inkompetent zu sein. Hinzu kommt die besondere Terrorismusbedrohung (Boko Haram) im Norden des Landes, weshalb grundsätzlich die aktuellen Informationen zur Sicherheitslage mit Teilreisewarnung des Auswärtigen Amtes immer beachtet werden sollten. Einem Einsatz in Nigeria sollte daher unbedingt ein gründliches, professionelles Sicherheitstraining für die ganze Familie vorausgehen. Es gibt auch in Deutschland Unternehmen in der Sicherheitsindustrie, die auf solche Ausbildungen und Kurse spezialisiert sind. Große Unternehmen, die Auslandsmitarbeiter für Nigeria anwerben, verfügen in diesem Bereich in der Regel über entsprechende Programme zur Vorbereitung eines Nigeria-Einsatzes. Falls dies nicht der Fall sein sollte, ist es für den zu entsendenden Arbeitnehmer unbedingt ratsam, dies bei der verantwortlichen Unternehmensleitung anzusprechen und ggf. selbst ein Training für sich und seine Familie zu organisieren.

Ein weiterer wichtiger Sicherheitsaspekt im Alltag betrifft den Geld- und Zahlungsverkehr. So sollte auf jeden Fall vor Abreise nach Nigeria die Hausbank in Deutschland sowie die Kreditkartengesellschaft informiert bzw. konsultiert werden. Nigeria ist berüchtigt für die weit verbreiteten Finanz- und Kreditkartenbetrügereien, weshalb die internationalen Kreditkartengesellschaften in der Regel Sicherheitssperren gegenüber dem Land eingeführt haben. Daher sollten Expatriates sich darauf einstellen, Kreditkarten in Nigeria nur sehr restriktiv zu verwenden und ansonsten weitgehenden Barverkehr im Geschäftsleben erwarten. Nigeria ist nach wie vor eine „Cash Society“. Eine zunehmend in der Bevölkerung verbreitete und generell sichere Zahlungsvariante sind die mobilen Geldtransfers über Mobiltelefone (Mobile Banking).

Rund um`s Auto und andere Transportmittel

Sicherheitsaspekte sind auch bestimmend bei allen Fragen von Transportmitteln, sei es das Kraftfahrzeug für Stadt und ggf. Überlandfahrten oder die erforderlichen Reisen zwischen den wichtigsten Städten, insbesondere Lagos und Abuja. Trotz aller Verbesserungen im Städtebild von Lagos, zumindest in den gehobenen Wohnvierteln, hat sich das für die Stadt typische Verkehrschaos auf den Straßen, gepaart mit chaotischen Fahrpraktiken, nicht sichtbar gebessert. Daher gilt es nach wie vor als ratsam, nicht selbst zu fahren, sondern einen professionalen Chauffeur zu beschäftigen, sowohl für geschäftliche als auch private Fahrten. Als bestgeeigneter Fahrzeugtyp sollte, vor allem wenn auch gelegentliche Überlandfahrten geplant sind, ein robuster Geländewagentyp angeschafft werden. Im Übrigen machen gerade bei Überlandfahrten allgemeines Verkehrschaos und oft katastrophaler Straßenzustand es unbedingt ratsam, einen erfahrenen einheimischen Fahrer ans Steuer zu setzen.

Die Größe des westafrikanischen Flächenlandes mit seinen 36 Bundesstaaten und mehreren, weit voneinander entfernten Regional- und Wirtschaftszentren begründen die wichtige Funktion des Binnenflugverkehrs in Nigeria. Insbesondere sind für den in Lagos oder Abuja stationierten Expat regelmäßige Flüge zwischen diesen beiden wichtigsten Städten erforderlich, da alle führenden Unternehmen, Organisationen sowie Regierungsbehörden ihre Niederlassungen in beiden Städten haben. Damit kommt der Aspekt der Flugsicherheit ins Spiel, denn der Ruf der inländischen Regionalfluggesellschaften ist durchaus zweifelhaft und kann sich im Lauf der Zeit auch zum Positiven oder Negativen verändern. Die meisten Expatriates bevorzugen daher die sicherheitsmäßig besonders gut beleumdeten Airlines, was im Allgemeinen die von internationalen Erdölgesellschaften betriebenen und gewarteten Fluglinien sind. Auch bei diesen kann sich jedoch erfahrungsgemäß im Zeitverlauf die Situation verschlechtern, so dass im Einzelfall immer mal wieder diesbezügliche Erkundigungen eingeholt werden sollten.

Dieser Artikel ist Teil 2 der Serie: Als Expatriate nach Nigeria.

Teil 1: Vorbereitung (26.09.2016)
Teil 3: Personalmanagement (24.10.2016)
Teil 4: Soziales Umfeld / Stolpersteine (07.11.2016)
Teil 5: Interview: „You love it or you hate it“ (21.11.2016)

(Bildnachweis: Stiefi & Monkey Business & Minerva Studio & bst2012 – Fotolia.com)

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