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Interview: Prinzipiell gute Erfahrungen mit der Vergabepraxis in Afrika

Das traditionsreiche deutsche Ingenieursunternehmen Lahmeyer führt auf dem afrikanischen Kontinent seit vielen Jahren Projekte in den Bereichen der konventionellen Stromerzeugung, der Stromübertragung und -verteilung, Wasserkraftanlangen, Erneuerbaren Energien und Wasserversorgung durch. Michael Wünnemann, Executive Director Energy Division bei Lahmeyer, gibt Einblick in die Afrika-Strategie des Unternehmens.

blog:subsahara-afrika: Herr Wünnemann, seit wann ist Lahmeyer in Afrika tätig?

Wünnemann: Unmittelbar nach der Gründung im Jahr 1966 wurde die Lahmeyer International GmbH in Afrika tätig. Zu den ersten Projekten gehörten die Elektrifizierung von 16 Städten und 67 Dörfern in Ghana sowie die Wasserkraftanlage Awash III in Äthiopien. Lahmayer ist als beratendes Ingenieurunternehmen an der Umsetzung beider Projekte beteiligt gewesen. Seitdem hat das Unternehmen in nahezu allen afrikanischen Ländern Projekte abgewickelt.

blog:subsahara-afrika: Mit welcher Strategie bearbeiten Sie heute den afrikanischen Markt?

Wünnemann:  Unsere Strategie besteht heute darin, in Ländern, in denen wir bestehende Partnerschaften mit lokalen Ingenieurbüros haben, das Geschäft auszuweiten. Die Zusammenarbeit mit diesen Partnern ist von hoher Bedeutung, da diese über Landes- und Sprachkenntnisse verfügen, die für die Projektabwicklung von enormer Bedeutung sind. Seitdem Lahmeyer ein Teil der Tractebel/Belgien ist, hat sich neben einer generell größeren Ingenieurkompetenz und einem erweiterten Netzwerk auch das Portfolio an Serviceleistungen erweitert. Ein Beispiel hierfür ist die Kompetenz im Bereich Gas, mit dem Schwerpunkt, Anlagen für die Anlieferung und Vergasung von flüssigem Erdgas (LNG), zu planen. Grundsätzlich ist es für uns wichtig, dass die Finanzierung der Projekte gesichert ist. Auch hat die teilweise kritische Sicherheitslage in manchen Ländern einen direkten Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit.

blog:subsahara-afrika: Welches sind Ihre Schwerpunktregionen oder –länder?

Wünnemann: Zurzeit haben wir laufende Projekte oder sehen sehr gute Möglichkeiten für künftige Projekte in Ostafrika, z.B. in Sudan, Kenia, Äthiopien, Mosambik, Tansania und Uganda, und in der South African Development Community (SADC) sehen wir Chancen in Ländern wie Südafrika, Mosambik, Namibia und Botswana. In Nordafrika fokussieren wir uns vor allem auf Ägypten und Marokko.

blog:subsahara-afrika: Woher kommen Ihre Kunden vorrangig?

Wünnemann: Traditionell wurden Investitionen im Energiesektor und im Infrastrukturbereich in Afrika hauptsächlich durch den Staat getätigt. Mittlerweile wurde das staatliche Monopol im Energiebereich in etlichen Ländern aufgebrochen, so dass private Investoren in entsprechende Infrastrukturprojekte investieren. Die Investoren verfügen oft nicht über das notwendige Knowhow, um solche Projekte zu entwickeln, und greifen regelmäßig auf unsere Ingenieurdienstleistungen zurück. In den letzten zehn Jahren waren wir verstärkt als Berater bei privat finanzierten fossilgefeuerten Kraftwerken, Windparks und Solaranlagen beteiligt. Ferner wird weiterhin eine Vielzahl von Projekten durch Entwicklungsbanken wie Weltbank und KfW gefördert.

blog:subsahara-afrika: Welches aktuelle Projekt Ihres Unternehmens steht repräsentativ für die Chancen Afrikas, aber auch für die Komplexität eines Engagements?

Wünnemann: Da Afrika verstärkt auf Projekte im Bereich erneuerbarer Energien setzt, ist ein aktuelles Projekt zur Implementierung von Photovoltaik/Diesel/Batterie Hybridsystemen für 50 Dörfer in Mali sicher ein gutes Beispiel. Die Kombination von bestehenden Dieselkraftwerken mit Solaranlagen und Batteriesystemen reduziert die Abhängigkeit von Dieselöl in den entlegenen Dörfern und führt gleichzeitig zu niedrigeren Stromkosten. Hinsichtlich der Komplexität des Projekts in Mali ist natürlich einerseits die schwierige Sicherheitslage zu nennen. Zum anderen ist auch die Infrastruktur, speziell der Straßenzustand, ein weiteres Thema, das die Komplexität erhöht. Generell hat auf unsere Tätigkeit zudem die politische Lage in einigen Ländern Auswirkungen. Diese führt nämlich regelmäßig zu Regierungsumbildungen, die wiederum einen Einfluss auf die Prozesse in den Ministerien und Behörden haben. Hierdurch kommt es oft zu Verzögerungen bei Entscheidungsprozessen, die den Start des Projektes verschleppen, aber auch während der Projektabwicklung für Verspätungen sorgen. Durch diese politischen Prozesse ändern sich auch häufig unsere Ansprechpartner, was die Projektabwicklung weiter erschwert.

blog:subsahara-afrika: Welche Erfahrungen machen Sie mit der Vergabepraxis der öffentlichen Hand, speziell in den für Sie wichtigsten Ländern?

Wünnemann: Prinzipiell machen wir gute Erfahrungen mit der Vergabepraxis in Afrika. Die Vergaberichtlinien werden oft von den internationalen Finanzierungsinstituten, wie Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank, Europäische Investitionsbank, usw. vorgegeben. In den für uns maßgebenden Ländern sind uns die Vergaberichtlinien bestens bekannt und die Prozesse transparent gestaltet. LI genießt im Übrigen einen sehr guten Ruf in den Ministerien und bei den Energieerzeugungsunternehmen in vielen Ländern in Afrika.

blog:subsahara-afrika: Wie sehen sie die starke Konkurrenz aus China, die häufig mit günstigen Angeboten bei afrikanischen Auftraggebern punktet?

Wünnemann: Vor allem in der Bauindustrie und im Exportgeschäft treten Unternehmen aus China verstärkt auf. Im Bereich der Ingenieurdienstleistungen sind wir der Konkurrenz aus China bisher wenig ausgesetzt. Bei unseren Projekten/Aufträgen handelt es sich um individuelle Lösungen für den Kunden. Hier wird Wert auf die Qualität der Leistungen gelegt, so dass der Auftrag nicht automatisch an den günstigsten Anbieter vergeben wird. In Bezug auf chinesische Firmen lässt sich feststellen, dass China sehr planvoll und gezielt in einzelne Länder investiert. Hierdurch gibt es viele Projekte, die am Ende nur chinesischen Firmen vorbehalten bleiben: nämlich Infrastrukturprojekte, deren Finanzierung die Chinesen selbst “mitbringen”. Als Gegenleistung erhalten sie afrikanisches Erdöl oder sonstige Bodenschätze. Zudem haben sich einige chinesische Firmen gut entwickelt, so dass sich europäische und damit deutsche Firmen auf spezifische Produkte und Serviceleistungen fokussieren sollten, die einen Mehrwert gegenüber chinesischen Firmen schaffen. Generell wäre zudem eine stärkere Investitionsbereitschaft aus Europa und Deutschland in Afrika hilfreich, um mehr Geschäft zu generieren.

blog:subsahara-afrika: Welche Bedeutung haben für Sie Partnerschaften mit chinesischen Auftraggebern im Afrika-Geschäft?

Wünnemann: Wir unterstützen chinesische Unternehmen punktuell, besonders wenn sie als Generalunternehmer tätig sind, da diese oft wenig Erfahrung und Kenntnisse der lokalen technischen Standards und lokalen Gegebenheiten haben.

blog:subsahara-afrika: Eine Frage zu einem anderen Thema, das von deutschen Unternehmen mit Engagement in Afrika oft als Herausforderung wahrgenommen wird: Wie gestalten Sie die Personalakquise für Ihr Unternehmen?

Wünnemann: Unser Unternehmen arbeitet größtenteils mit lokalen Firmen. In einigen Fällen gibt es langjährige Partnerschaften in denen durch Knowhow-Transfer Mitarbeiter ausgebildet wurden, die seither mehr Verantwortung übernehmen können. In einigen Ländern haben wir auch eigene Tochterfirmen, bei denen wir Personal einstellen und ausbilden. Generell benötigen wir Personal mit Erfahrungen, so dass wir Mitarbeiter aus unserem Netzwerk suchen, die bereits entsprechende Vorerfahrungen besitzen.

blog:subsahara-afrika: Wie pflegen Sie Ihre lokalen Netzwerke und ihre Beziehungen zu potenziellen Auftraggebern?

Wünnemann: Wenn wir kein Büro oder keine Tochterfirma im Land haben, werden die Kontakte zu unseren Kunden und lokalen Partnern durch regelmäßige Besuche vor Ort aufrechterhalten. Parallel dazu nehmen wir an Energieforen teil, die z. B. vom Afrikaverein und von Konferenzveranstaltern organisiert werden. Auf Basis unserer Erfahrung sehen wir allerdings die kooperative Abwicklung von Projekten gemeinsam mit dem Kunden und unseren lokalen Partnern als besten Weg, Vertrauen und damit langfristige Beziehungen zu schaffen.

blog:subsahara-afrika: Unsere Leser interessiert regelmäßig, wie deutsche Unternehmen ihre Forderungen absichern. Wie sieht Ihre Praxis aus?

Wünnemann: Unsere Kunden leisten eine Anzahlung, so dass wir nicht in Vorleistung treten müssen. Sollte es zu einer Zahlungsverzögerung kommen, haben wir die Möglichkeit, unsere Leistungen zu reduzieren – jedoch versuchen wir, dies zu vermeiden. Nur in sehr wenigen Fällen haben wir unsere Leistungen auch komplett eingestellt. Schwieriger ist es für Investoren, die erst einmal in Vorleistung treten müssen.

blog:subsahara-afrika: Welche weiteren Tipps und Empfehlungen haben Sie für Newcomer aus Deutschland im Afrikageschäft?

Wünnemann: Es ist wichtig, im Land ein Netzwerk aufzubauen und verlässliche Partner zu finden. Wir empfehlen auch, Kontakt zur Deutschen Botschaft und zu anderen deutschen Unternehmen vor Ort aufzubauen. Die Entwicklung der Beziehungen braucht Zeit, darauf sollte man sich einstellen.

blog:subsahara-afrika: Vor kurzem hat der Bundesminister für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Dr. Gerd Müller, ein Papier mit dem Titel „Eckpunkte für einen Marshallplan mit Afrika“ vorgestellt. Welche staatlichen Instrumente und Fördermaßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit würden Sie sich wünschen, damit deutsche Unternehmen das wirtschaftliche Potenzial Afrikas besser nutzen können?

Wünnemann: Die deutschen Konzerne und mittelständischen Unternehmen treten in Afrika selten als Investoren im Energie- und Infrastrukturbereich auf, weil sie nicht bereit sind, im Falle eines Zahlungsausfalls durch den Staat oder durch einen Partner das finanzielle Risiko komplett auf sich zu nehmen. Die Ausweitung der Euler-Hermes Exportkreditgarantien auf weitere Länder in Afrika könnte daher eine verstärkte Investitionsbereitschaft durch deutsche Unternehmen nach sich ziehen.

blog:subsahara-afrika: Herr Wünnemann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Michael Wünnemann war nach Abschluss seines Maschinenbaustudium (Dipl.-Ingenieur) an der Universität Essen lange Jahre bei ABB/ALSTOM, Nürnberg und Baden/Schweiz, als Projektingenieur und Projektleiter sowie bei MAN Turbo in Oberhausen als Abteilungsleiter tätig. 2010 wechselte er zu Lahmeyer, wo er heute als Executive Director Energy Division fungiert. Kontakt: Tel.: +49 6101 55-1296, E-Mail: Michael.Wuennemann@de.lahmeyer.com, Internet: www.lahmeyer.de.

(Bildnachweis: Engineering Services for Upper Atbara Dam Project in Sudan – www.lahmeyer.de)

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