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Als Expatriate nach Ghana – Teil 5: Man braucht Neugierde, Offenheit, Respekt, Humor und Geduld

Carsten Ehlers leitet seit 2014 das Büro von Germany Trade & Invest (GTAI) in Accra, Ghana. Vor dort aus berichtet der Diplomvolkswirt über Wirtschaftsthemen in West- und Zentralafrika. Im Interview gibt er Einblick in die besonderen Lebens- und Arbeitsumstände für Expatriates am Standort Accra und hat zahlreiche Tipps und Empfehlungen für Newcomer in der Region.

blog:subsahara-afrika: Herr Ehlers, wie verliefen die organisatorischen Vorbereitungen auf Ihren Umzug nach Ghana?

Carsten Ehlers: Ich kann mich bislang nicht beschweren. Wichtige Dinge, bei denen es üblicherweise bei Entsendungen hakt, verliefen komplett reibungslos. Dazu zählen Abläufe wie Einfuhr des Containers mit der persönlichen Habe nach Ghana, Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung, Finden einer Wohnung, Anmeldung von Pkw, Handynummer oder Internetzugang. Auch lief alles recht zügig ab. So konnte ich die Aufenthaltsgenehmigung schon nach drei Tagen bei der Ausländerbehörde abholen. Wichtig ist, dass man sich Zeit für Anträge oder Ähnliches nimmt. Gerade Beamte in Ghana empfinden schlampig ausgefüllte Antragsformulare als Respektlosigkeit und reagieren dann unter Umständen mit Verzögerung oder gar Ablehnung.

blog:subsahara-afrika: Ihr Zuständigkeitsgebiet ist mit über 20 Ländern riesig. Welche Herausforderungen begegnen Sie bei ihren häufigen Reisen?

Ehlers: Die Reisen sind mit hohen logistischen Herausforderungen verbunden. Die sorgfältige Auswahl der Fluggesellschaft ist wichtig. Hierbei spielt neben der Sicherheit auch die Zuverlässigkeit eine wesentliche Rolle. Einige Fluggesellschaften mit eigentlich gutem Ruf leisten sich Dinge, die man in Europa nicht kennt. Manchmal kommen die Flieger einfach nicht, auf die man gebucht ist. Am Terminal tut sich das Personal oft schwer mit einer ehrlichen Auskunft, dass es heute mit dem Flug nichts mehr wird. Dann wartet man Stunden, bis der Terminal irgendwann zumacht, muss zu später Stunde wieder auschecken und bekommt unter Umständen kein Taxi mehr zum nächsten Hotel. Das Hotel bekommt man von der Fluggesellschaft meistens nicht bezahlt. Eine Ausnahme gab es, aber dann musste ich in einem schimmeligen Zimmer ohne Fenster übernachten.

blog:subsahara-afrika: Wie sieht es mit der Visabeschaffung aus?

Ehlers: Das Beantragen von Visa ist sehr zeitaufwändig. Für fast alle Länder der Region müssen diese beantragt werden. Einige Länder, wie zum Beispiel Gabun oder Kamerun, unterhalten keine Botschaft in Accra. Dann muss der Pass nach Berlin zur jeweiligen afrikanischen Botschaft geschickt werden. Auch der Transport vor Ort muss gut geplant sein. Zwar kann man sich in vielen Ländern auf der Straße Taxis anhalten, jedoch nicht überall. In Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo oder im nigerianischen Lagos zum Beispiel sollte man sich allein aus Sicherheitsgründen vorab einen – von einem seriösen Geschäftskontakt empfohlenen – Fahrer reservieren.

blog:subsahara-afrika: Gerade im Vergleich mit dem benachbarten Nigeria gilt Ghana als relativ angenehmer Einsatzort für Expatriates.

Ehlers: Das stimmt. Im Gegensatz zu vielen asiatischen Standorten hängt in Accra keine Smog-Glocke über der Stadt. Accra liegt am mehr und es weht immer eine leichte Brise, die für halbwegs saubere Luft sorgt. Ein weiterer Vorteil ist die politische Stabilität sowie die relative Sicherheit, gerade im Vergleich mit Nigeria. Man kann hier selbst mit dem Auto fahren, bei Helligkeit auf der Straße joggen gehen und kann sich in den meisten Stadtteilen auch frei bewegen. Dennoch gibt es immer wieder Überfälle. Als Weißer zählt man automatisch zu den Reichen und ist daher Ziel von Kriminellen. Durch unbelebte Gegenden sollte man bei Dunkelheit nicht zu Fuß gehen. Auch Wertgegenstände wie die teure Uhr oder Handtasche lässt man beim abendlichen Ausgang am besten zu Hause. Geldautomaten, die offen an Hauswänden befestigt sind, meide ich grundsätzlich, weil man leicht beobachtet werden kann. Alternativ gibt es Geldautomaten in Hotels oder Banken.

blog:subsahara-afrika: Welchen weiteren Herausforderungen begegnet man?

Ehlers: Was die generellen Lebensumstände anbelangt, würde ich das feuchtheiße Klima als belastend einstufen, wobei es auch Expatriates gibt, die dieses Wetter lieben. Man schwitzt viel und kommt dann bei Meetings in Räume, die auf 17 Grad heruntergekühlt wurden. Da lässt die nächste Erkältung nicht lange auf sich warten. Auch die Gesundheitsversorgung hat viele Lücken. Zwar leisten einige Kliniken bei Notfällen gute Arbeit nach westlichen Standards, aber Fachärzte sind rar. Für kompliziertere Behandlungen müssen immer wieder Expatriates nach Europa ausgeflogen werden.

blog:subsahara-afrika: Und beruflich?

Ehlers: Beruflich befinden sich die meisten Expatriates, die für private Unternehmen arbeiten, in einem schwierigen Umfeld. Das Wissen über mögliche Kunden und Marktgröße ist in vielen Branchen gering. Unternehmen, die in Ghana Produkte verkaufen möchten, benötigen daher Geduld. Das schnelle Geschäft ist kaum zu machen. Da Ghana zudem teuer ist, muss man auch Geld mitbringen. Korruption, Vetternwirtschaft, Intransparenz und fehlendes Know-how auf dem Arbeitsmarkt sind weitere Erschwernisse. Als schwierig bezeichnen viele ausländische Führungskräfte auch die Kommunikation mit ghanaischen Angestellten. Ganz anders als zum Beispiel Nigerianer, welche eine offene und manchmal als konfrontativ empfundene Kommunikation pflegen, sind Ghanaer eher zurückhaltend. Solange alles perfekt läuft, ist dies angenehm. Kommen aber Probleme auf, dann kann es dauern, bis diese kommuniziert werden. Trotz dieses Hangs zur Intransparenz erleben die meisten Expatriates das Zusammenleben und -arbeiten mit Ghanaern aber als sehr angenehm.

blog:subsahara-afrika: Sie erwähnen das in Afrika allgegenwärtige Problem der Korruption. Daneben sind die Betrügereien der sogenannten Nigeria-Connection auch in Ghana verbreitet.

Ehlers: Korruption beherrscht den Alltag in Afrika und fängt bei ganz kleinen Dingen an. In einigen Ländern deuten einem zum Beispiel schon die Sicherheitsbeamten am Flughafen durch die Blume an: „Wenn Du mir kein Geld gibst, dann lass ich Deinen Koffer erstmal konfiszieren, und Du verpasst Deinen Flieger“. Kaum ein ausländischer Firmenvertreter spricht offen darüber, aber ich vermute, dass nur Wenige in der Lage sind, sich diesem Thema komplett zu entziehen. In der Tat ist der oft sehr geschickt über das Internet eingefädelte Betrug der Nigeria-Connection ein weiteres, auch in Ghana präsentes Thema. Selbst erfahrene Verkäufer aus Deutschland tappen immer wieder in diese Falle. Die Betrüger geben sich häufig als staatliche Stelle aus und locken mit riesigen Auftragsvolumina. Paradoxerweise soll oft der Verkäufer erst einmal eine größere Summe bezahlen, um überhaupt als Zulieferer zugelassen zu werden. Hier ist größte Vorsicht geboten. Die Experten der Delegation der deutschen Wirtschaft in Accra oder der deutschen Botschaft können hier beraten. Auch auf diesem Blog gibt es einige nützliche Hinweise.

blog:subsahara-afrika: Kommen wir zu den angenehmen Seiten des Lebens in Ghana. Wie sieht es mit der Freizeitgestaltung aus, welchen Hobbys kann man nachgehen?

Ehlers: Die Strände sind der Klassiker für die Freizeitgestaltung in Ghana. Wer eine halbe Stunde aus Accra herausfährt, erreicht den ersten schönen Badestrand. An langen Wochenenden fahren viele Familien etwas weiter in Strand-Lodges. Dort kann man prächtig unter Palmen entspannen und die Kinder spielen lassen. Sportarten wie Surfen oder Tennis sind sehr beliebt bei Expatriates. Wer ein paar Stunden in Richtung Norden in die Volta-Region fährt, findet auch sehr schöne Wanderreviere vor. Gerade für junge Familien ist Ghana daher ein beliebter Standort. Für kulturelle Events sind vor allem die beiden Kulturzentren Alliance Francaise und das Goethe-Institut beliebte Anlaufzentren. Übrigens gibt es auffallend wenige Junggesellen unter den Expatriates. Aber auch für diese bietet Accra inzwischen ein vielfältiges Freizeitangebot mit Restaurants, Bars oder Kinos.

blog:subsahara-afrika: Wie wichtig ist die internationale Community in Ghana für das Privatleben?

Ehlers: Das Privatleben der meisten Expatriates richtet sich an den Aktivitäten dieser Community aus, die von Mitarbeitern der Geberorganisationen wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sowie von Diplomaten, weniger von Unternehmensvertretern dominiert wird. Von Partys, Abendempfängen, Spenden-Events, Kaffeeklatsch-Treffen im Einkaufszentrum bis hin zu gemeinsamen Ausflügen wird vieles organisiert. Je nach Lust und Laune kann man sich verschiedenen Nationalitätengruppen anschließen. Die deutsche Expatriates-Gemeinde ist groß, und so wird man immer auch Gleichgesinnte treffen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Treffpunkte wie das Goethe-Institut oder die deutsche Schule. Deren Schulhof ist das ultimative Paradies für Netzwerker, da die meisten Expatriates mit Familie nach Ghana kommen. Hier trifft man sich vor allem als „Mama“ oder „Papa“. Über diese Schiene kommt man viel unverkrampfter miteinander ins Gespräch und tauscht sich natürlich auch über Geschäftliches aus.

blog:subsahara-afrika: Welche Tipps für Neuankömmlinge haben Sie noch?

Ehlers: Ich kann die Website www.accraexpat.com empfehlen. Die gut geführte Internetseite ist auch für alteingesessene Expatriates in Accra eine wichtige Informationsquelle. Dort erfährt man das Neueste über Ausgeh- und Einkaufstipps. Auch wird dort über Events oder Gruppentreffen informiert. Im Übrigen gilt: Der deutsche Hang zum Perfektionismus lässt sich in Westafrika nur schlecht ausleben. Es bringt aber wenig, ständig nur den Kopf zu schütteln. Gar nicht gerne gesehen wird von den gemeinhin stolzen Ghanaern oberlehrerhaftes Auftreten. Wer ein herzliches Verhältnis zu Ghanaern entwickeln möchte, der sollte auf Augenhöhe agieren und nicht von oben herab. Dazu braucht es Neugierde, Offenheit, Respekt, Humor und Geduld. Dies gilt auch für Geschäftsbeziehungen, bei denen nicht in erster Linie das Produkt, sondern die zwischenmenschliche Chemie stimmen muss.

blog:subsahara-afrika: Herr Ehlers, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Accra ist für Carsten Ehlers der zweite Standort in Subsahara-Afrika. Von 2004 bis 2011 berichtete er von Johannesburg, Südafrika, aus für die GTAI über das Südliche Afrika. Die GTAI ist die Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Kontakt: E-Mail: carsten.ehlers@gtai.de; Internet: www.gtai.de.

 

Dieser Artikel ist Teil 5 der Serie: Als Expatriate nach Ghana.

Teil 1: Vorbereitung (16.10.2017)
Teil 2: Etablierung (06.11.2017)
Teil 3: Personalmanagement (20.11.2017)
Teil 4: Soziales Umfeld / Stolpersteine (04.12.2017)

(Bildnachweis: Stiefi & Monkey Business & Minerva Studio & bst2012 – Fotolia.com)

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