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Megacities in Afrika: Nairobi auf dem Weg ins 21. Jahrhundert

Afrikas Millionenstädte wachsen schnell und unaufhaltsam. Die Urbanisierung stellt die Verwaltungen der Metropolen vor riesige Aufgaben, die ihrerseits vielfältige potenzielle Geschäftsmöglichkeiten auch für deutsche Unternehmen beinhalten. Blog:subsahara-Afrika widmet ausgesuchten Megacities in Afrika eine Artikelserie. Mit Nairobi steht die Hauptstadt Kenias im Fokus des vierten Artikels. Neben einigen historischen und statistischen Daten werden vor allem die laufenden und geplanten Vorhaben im Bereich der Infrastruktur der wichtigsten Metropole in Ostafrika vorgestellt.

Nairobi – seit einem Jahrhundert die „Green City in the Sun“

Nairobi ist seit der Unabhängigkeit vor rund 55 Jahren die Hauptstadt Kenias und ebenso das unbestrittene Wirtschaftszentrums Ostafrikas. Die lebendige, multikulturelle Metropole hat immer noch – wie praktisch seit ihrer Gründung Ende des 19. Jahrhunderts – eine große Anziehungskraft für Zuwanderer und Reisende aus allen Regionen des Landes und aller Herren Länder. Die Charakteristika der Stadt spiegeln sich in den diversen Spitznamen, die Nairobi („kühles Wasser“ in Masai-Sprache) im Lauf der Zeit gegeben wurden: Der älteste ist wohl „green city in the sun“ und noch heute zutreffend angesichts der vielen Grünflächen in und um die Stadt herum. Der berühmteste Park ist der Nairobi National Park, weltweit einziges offenes Wildreservat auf dem Gebiet einer Stadt und verantwortlich für den zweiten Spitznamen Nairobis: „Safari-Hauptstadt der Welt“. Auf eine eher düstere Seite weist der (neuere) Spitzname „Nairobbery“ hin, dank hoher Kriminalitätsrate und Risiko täglicher Überfälle – Folge vor allem der extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich. Doch für Afrikaner aus anderen Ländern des Kontinents ist Nairobi so etwas wie das „New York Afrikas“ – eine sehr viel modernere und „coolere“ Metropole als alle anderen Hauptstädte südlich der Sahara, natürlich abgesehen von Johannesburg.

Die Gründung Nairobis 1899 geht auf die Anlage eines Eisenbahndepots für die in der Kolonialzeit gebaute Uganda Railway zurück, das dank der Lage zwischen der Hafenstadt Mombasa als Hauptstadt der britischen Kolonie Kenia und Kampala in Uganda bald als Zentrale der Eisenbahnverwaltung diente. Die Stadt, die um das Eisenbahnquartier entstand, wurde jedoch nach einem Seuchenausbruch (Pest) und dem Niederbrennen der ursprünglichen Struktur zu Anfang des 20. Jahrhunderts neu aufgebaut. Die Lage auf der ostafrikanischen Hochebene 1.700 m über dem Meeresspiegel mit ihrem angenehm kühlen Klima machte die Stadt zum idealen Lebensraum für Europäer, bei ausreichender Wasserversorgung aus einem Netz von Flussläufen. Das einzige, wenn auch schwerwiegende Problem war das Malariarisiko, das erst in neuerer Zeit aufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung keine größere Rolle mehr spielt.

Ab 1905 wurde Nairobi anstelle Mombasas die neue Hauptstadt des britischen Protektorats und ab 1907 die Hauptstadt der neuen Kolonie Kenia. Nairobi entwickelte sich schnell zum beliebten Eingangstor in die Region für die britischen Kolonialisten, Abenteurer und Großwildjäger. Der zunehmende Jagdtourismus der britischen Oberklasse führte bereits in den frühen Jahren des neuen Jahrhunderts zum Bau mehrerer spektakulärer Luxushotels in der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die kontinuierliche räumliche Expansion der beliebten Kolonialstadt zu zunehmenden Konflikten mit den ortsansässigen Volksstämmen, vor allem Masai (Halbnomaden) und Kikuyu (Bauern), und schließlich zu der als „Mau-Mau-Aufstand“ bekannt gewordenen Rebellion gegen die britischen Kolonialisten.

Mit der Unabhängigkeit Kenias 1963 begann für die Stadt eine Periode starken Wachstums mit großen Belastungen für die unzureichende Infrastruktur, resultierend in häufigen Stromausfällen und Wasserknappheit. Erst in den letzten Jahren gelang es, durch verbesserte Planung diese Versorgungsprobleme für die städtische Bevölkerung besser in den Griff zu bekommen. Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit wurde Nairobis und Kenias Wahrzeichen gebaut, das Kenyatta International Conference Centre (KICC), ein bereits damals nach modernen ökologischen Gesichtspunkten (Material, Belüftung, Licht) gebautes 28-stöckiges Gebäude, entworfen von einem norwegischen und einem kenianischen Architekten.

Zweitgrößte Stadt in Ostafrika

Die City of Nairobi hat nach der neuen Verfassung von 2010 den offiziellen Status als eine der insgesamt 47 halbautonomen Gebietskörperschaften Kenias, der sogenannten „counties“, mit einem gewählten Gouverneur als Chef des Nairobi City Council. Das Stadtgebiet ist politisch gegliedert in insgesamt 17 Wahlbezirke mit zusammen 85 sogenannten „wards“, die überwiegend nach den jeweiligen Wohnsiedlungen (estates) benannt sind. Dazu gehören sowohl Slumgebiete wie etwa Kibera als auch die Wohngebiete der wohlhabenden Schichten, wie unter anderem Karen und Langata. Mit einer Bevölkerung von rund 3,5 Mio. (geschätzt für 2017 laut World Population Review) ist Nairobi die zweitgrößte Stadt Ostafrikas (nach Dar es Salaam / Tansania). Damit hat sich die Einwohnerzahl in 30 Jahren etwa verdoppelt. Die Stadt liegt in der sogenannten Greater Nairobi Region, zu der insgesamt fünf der 47 „counties“ Kenias gehören. Im Großraum Nairobi leben gut doppelt so viele Menschen wie in der Stadt Nairobi (7,5 Mio. laut Zensus 2009).

Die Zahlen zur Bevölkerungsdichte zeigen die immensen Ungleichgewichte in der Gesellschaft der Stadt: Mit etwa 2,5 Mio. Bewohnern in mehreren großen Slums leben rund 60 Prozent der Stadtbevölkerung auf nur 6 Prozent der Fläche Nairobis laut einer Erhebung von Kibera UK, einem britischen Informationsportal für Entwicklungshelfer.

Nairobi Metro 2030 – Integrated Urban Development Master Plan

Rund vier Jahrzehnte lang wurde versucht, die verschiedenen Empfehlungen der sogenannten Nairobi Metropolitan Growth Strategy von 1973 in die Praxis umzusetzen. Dies scheiterte jedoch häufig an Kapazitätsengpässen der Administration oder auch am politischen Willen der Verantwortlichen. Als neuer Rahmenplan für die Stadtentwicklung Nairobis und in Anlehnung an die langfristige Entwicklungsstrategie Kenias, bekannt als „Vision 2030“, wurde 2014 der Nairobi Integrated Urban Development Master Plan (NIUPLAN) herausgebracht. Darin wurden nach Angaben der Stadtverwaltung alle vorliegenden Einzelpläne für verschiedene Sektoren zusammengefasst. Dabei wurden sechs spezifische Bereiche identifiziert: Transportwirtschaft, Verwaltung und Institutionen, Umwelt, Landnutzung und Siedlungswesen, Bevölkerung und Sozialwesen und städtische Wirtschaft, Infrastruktur.

Als besondere Herausforderungen für die Verantwortlichen, die ihre Planungen nach Prognosen des nationalen Statistischen Amtes auf eine voraussichtliche Einwohnerzahl Nairobis von rund 5,2 Mio. bis 2030 auslegen müssen, werden insbesondere genannt: ständige Verkehrsstaus, schlechter Straßenzustand und unzureichendes Straßennetz, mangelhafter Wohnraum für die breite Bevölkerung, problematische Sicherheitslage sowie schlechter Zugang zu sauberem Trinkwasser und unzureichende Abfallentsorgung. Zu den Prioritäten im Rahmen des Masterplans gehören unter anderem Bau neuer Umgehungsstraßen und Eisenbahnstrecken sowie Einrichtung neuer Buslinien / Busbahnhöfe im öffentlichen Personennahverkehr, Anlage neuer Wohnungsgebiete, Verbesserung des Wasserleitungsnetzes sowie der Abflusskanäle zur Vermeidung von (bisher häufigen) Überschwemmungen bei Starkregen.

Ein weiterer vorrangiger Planungsbereich ist die Dezentralisierung öffentlicher Dienstleistungen weg vom Central Business District (CBO) durch die Anlage neuer Subzentren im Umkreis des Stadtgebiets. In dem Zusammenhang wurde bereits ein großangelegtes Programm zur Verbesserung öffentlicher Leistungen gestartet: Das sogenannte Nairobi Metropolitan Services Improvement Programme (NaMSIP) wird unter anderem unterstützt von der Weltbank.

Wohnungsbauprogramme für alle Bevölkerungsschichten

Ein Flaggschiffvorhaben unter „Vision 2030“ ist das sogenannte Urban Renewal Housing Project: Die erste Phase ist angelaufen Ende 2016, mit Kosten von 14,3 Mrd. KSh (140 Mio. US$) in den Bezirken Bachelors/Jevanjee und Pangani Estates für untere Einkommensschichten. Als Bauzeit werden rund zwei Jahre veranschlagt. Außerdem wurden insgesamt sieben Wohnsiedlungen, überwiegend in Eastlands, dem Osten der Hauptstadt, ausgewählt für den Neubau von über 100.000 Wohneinheiten für rund 650.000 Bewohner. Ein weiteres großangelegtes Bauprojekt zur Entflechtung der Hauptstadt ist das Tatu City Development, ein Komplex im angrenzenden Kiambu County auf 20.000 qkm mit gemischter Nutzung, darunter Wohnungseinheiten für rund 100.000 Bewohner einschließlich Schulen, Bürogebäuden, Einkaufszentren, Kliniken und Freizeitanlagen für Sport und Unterhaltung. Durchgeführt wird das Vorhaben von der britisch-stämmigen Firma Rendeavour, eine der größten privaten Bauentwicklungsgesellschaften in Subsahara-Afrika.

Ein wichtiges und lange überfälliges Bau- und Entwicklungsprogramm ist mit Unterstützung des United Nations Human Settlement Programme (UN-HABITAT, Hauptsitz Nairobi) in Gang gekommen: das Kenya Slum Upgrading Programme (KenSUP), mit dem die Slums vor allem der Hauptstadt sowie anderer Städte aufgewertet werden sollen. Ziel von KenSUP ist die grundlegende Verbesserung der Lebensumstände von insgesamt 5,3 Mio. Slumbewohner bis zum Jahr 2020. Als Budget für 15 Jahre (2005-2020) wurden 8,6 Mrd. US$ angesetzt, die inzwischen auf etwa 13 Mrd. gestiegen sind. Partner bei der Durchführung sind neben UN-HABITAT die Regierung (Ministry of Housing) sowie die globale Entwicklungsfördergesellschaft Cities Alliance. Zu dem umfassenden Slum-Projekt gehören jeweils als Eingangsmaßnahmen die Bereitstellung grundlegender Versorgungsleistungen wie Wasseranschlüsse und Sanitäreinrichtungen sowie von erschwinglichem Wohnraum. Der Zugang zu notwendigen Finanzierungsmitteln soll durch neue Möglichkeiten der Einkommensgenerierung verbessert werden. Nähere Informationen auch unter: www.nairobiplanninginnovations.com.

Ausbau der Verkehrsinfrastruktur

Das erste Großprojekt einer Umgehungsstraße in Nairobi, die Outer Ring Road, wird mit Finanzierung der African Development Bank (AfDB) von den Chinesen (SinoHydro Tianjin Engineering) gebaut und steht kurz vor Fertigstellung (8 Mrd. Kenia-Shilling, umgerechnet 67 Mio. Euro). Ebenfalls überwiegend mit einem AfDB-Kredit wird der seit langem überfällige Ausbau des Thika Highway finanziert, eine der wichtigsten Verkehrsanbindungen Nairobis an umliegende Vororte und Satellitenstädte (rund 270 Mio. US$). Ein weiteres, seit Jahren anstehendes, Großprojekt ist der vierspurige Ausbau der vielbefahrenen Nairobi-Mombasa-Schnellstraße, wofür umgerechnet 1,9 Mrd. Euro oder 2,2 Mrd. US$ veranschlagt werden. Baubeginn ist für 2018 angesetzt, über Finanzierung wurde zuletzt mit der US-amerikanischen Export-Import Bank verhandelt. Gebaut wird die neue Schnellstraße von der US-Firma Bechtel. Das größte praktische Problem bei Straßenbauvorhaben in Kenia ist die Wartung: Diese war bisher regelmäßig ungenügend und hat dazu geführt, dass auch die besten neugebauten Straßenabschnitte nach wenigen Jahren und Regenzeiten wieder im gleichen schlechten Zustand wie vorher waren.

Auch im Eisenbahnsektor gibt es wichtige neue Entwicklungen. So wurde der Ausbau der Eisenbahnlinie zwischen Nairobi und Mombasa um eine Normalspur, neben der alten Schmalspurstrecke, von der Export-Import Bank of China mit einem Kredit von 3,2 Mrd. US$ finanziert. Chinesische Firmen haben die Strecke gebaut und betreiben die Eisenbahn – den sog. Madaraka Express – seit Mitte 2017 auch (vorläufig) selbst. Vorgesehen ist ein weiterer Ausbau bis Westkenia mit weiteren 3,6 Mrd. US$ chinesischen Krediten. Ferner soll für den Pendlerverkehr im näheren Umkreis von Nairobi die bestehende, bislang wenig ausgenutzte, Regionalbahn modernisiert und mit neuen Signalanlagen und Haltestellen zwischen der Hauptstadt und den umliegenden Satellitenstädten (u.a. Ongata Rongai, Kiserian, Ngong, Kiambu, Kangemi) ausgestattet werden. Bei diesem Projekt kommen die Entwicklungspartner aus Deutschland: Die Finanzierung ist von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Aussicht gestellt, die technische Leitung soll die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) übernehmen.

Chancen für deutsche Unternehmen

Ostafrika generell und auch Kenia speziell sind in der Praxis für deutsche Unternehmen, die sich an Infrastrukturprojekten beteiligen wollen, ein schwieriges Terrain geworden. Grund sind vor allem die Chinesen, die mit umfangreichen Krediten zu großzügigen Konditionen (ohne politische Auflagen wie etwa Demokratie/Menschenrechten usw.) und staatlich geförderten Unternehmen seit Jahren immer größere Teile dieses Marktes erobert haben. Dennoch sind renommierte deutsche Unternehmen, die zum Teil seit Jahrzehnten in Nairobi ansässig sind, immer wieder erfolgreich bei der Akquise von Aufträgen auch im Bau- und Engineeringsektor. Das spektakulärste Projekt in dem Zusammenhang konnte sich Gauff Engineering Ende 2016 an Land ziehen: den Auftrag der Kenya Urban Roads Authority (KURA), als verantwortliche Durchführungsgesellschaft für die Errichtung des neuen Intelligenten Verkehrsleitsystems in Nairobi County als Teil des nationalen „National Urban Transport Improvement Programme (NUTRIP)” zu fungieren. Finanziert wird das Projekt von der kenianischen Regierung und der Weltbank.

Ebenfalls erfolgreich war der deutsch-österreichische Baukonzern Strabag SE mit dem Zuschlag für den Bau des Thiba-Damms nordöstlich von Nairobi, der die ganzjährige Wasserversorgung in der Region sichern soll und rund 72 Mio. Euro kosten wird. Das auf rund vier Jahre angelegte Projekt ist überwiegend international finanziert und umfasst auch die Anbindung an das bestehende Straßennetz sowie Anlagen zur Wasserentnahme und zur sicheren Hochwasserableitung. Eines der größten Bewässerungsvorhaben in Kenia (Westkenia) wird von einem deutschen Joint Venture zwischen Lahmeyer International und GFA Consulting Group für die kenianische Regierung durchgeführt, mit Finanzierung von Weltbank und KfW.

Unterstützung erhalten die deutschen Unternehmen bei ihren Engagements in der Region u.a. vom Ende September 2017 in Nairobi gegründeten „German Desk Financial Support and Solutions“, das partnerschaftlich von der Deutschen Entwicklungsgesellschaft (DEG), der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia (AHK Kenia), und der führenden kenianischen Privatbank I&M Bank getragen wird. Über das „German Desk“ sollen speziell deutsche mittelständische Unternehmen Zugang zu allen Finanzdienstleistungen einschließlich Krediten und Investitionsfinanzierung für Projekte in Kenia erhalten. Partnerorganisation der AHK Kenia in Nairobi ist die seit über 30 Jahren bestehende German Business Association (GBA), in der rund 60 deutsche Firmenniederlassungen und Vertretungen zusammengeschlossen sind.

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Dieser Artikel ist Teil der Serie: Megacities in Afrika

(Bildnachweis: www.pixabay.de)

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