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Interview: Derzeit sind zirka 100 deutsche Projekte in Tansania registriert

Das ostafrikanische Tansania zeichnet sich durch ein stetiges Wirtschaftswachstum und politische Stabilität aus. Dr. Jennifer Schwarz, Leiterin des neuen Büros der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in der Wirtschaftsmetropole Dar Es Salaam, nennt die sich bietenden Chancen und Herausforderungen und bewertet die politische Lage des Landes.

Blog:subsahara-afrika: Frau Dr. Schwarz, die Eröffnung eines AHK-Büros ist Indiz, dass man im gastgebenden Markt gute Chancen für Produkte und Dienstleistungen „Made in Germany“ sieht. Welches Potenzial schreiben Sie Tansania zu?

Dr. Jennifer Schwarz: Tansania zeichnet sich durch ein stabiles Wirtschaftswachstum mit durchschnittlichen Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent aus, gepaart mit politischer Stabilität und einem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen im Land. Seit J.P. Magufuli das Präsidentschaftsamt 2015 übernommen hat, stehen die Themen „Industrialisierung“ und „Arbeitsplatzbeschaffung“ im Fokus der Regierung, während gleichzeitig eines der Kernprobleme, die Korruption, mit straffer Hand bekämpft wird. Diese neue Richtung, sowie die reichlich vorhandenen Bodenschätze und eine schnell wachsende und konsumfreudige Bevölkerung bieten zahlreiche Potentiale für ausländische Investoren.

Blog:subsahara-afrika: Welchen Unternehmen aus welchen Branchen würden Sie empfehlen, einen genaueren Blick auf Tansania zu werfen?

Dr. Schwarz: Traditionellerweise sind vor allem die Sektoren Agrarwirtschaft, Bergbau und Dienstleistungen sowie Bauwirtschaft, Infrastruktur, Energie, Tourismus und Handel von besonderem Interesse für ausländische Investoren. Es gibt zahlreiche Programme, um Investitionen ausländischer Unternehmen zu fördern, beispielsweise durch die Errichtung spezieller Exportzonen sowie der Nutzung des Tansanischen Investmentcenters (TIC). Inklusive zahlreicher Vergünstigungen bei Steuern und Zöllen bei Investitionsvolumina von mindestens 500.000 US-Dollar.

Blog:subsahara-afrika: Welche strategische Rolle spielt der „große“ Nachbar Kenia bei der Erschließung des tansanischen Marktes?

Dr. Schwarz: Zahlreiche Unternehmen nutzen Kenia als regionalen Hub, um von dort in die umliegenden Nachbarländer zu expandieren. In Kenia ist der Privatsektor deutlich besser entwickelt und das Land hat sich in den letzten Jahren als Wirtschaftszentrum Ostafrikas etabliert. Die bereits seit 30 Jahren bestehende Deutsch-Kenianische Wirtschaftsvereinigung sowie das seit 2012 existierende Büro der Delegation der Deutschen Wirtschaft und deren kontinuierliches Wachstum unterstreichen dies. Beim “Sprung” nach Tansania ist allerdings zu beachten, dass es deutliche Unterschiede zwischen beiden Ländern gibt, sowohl kultureller, sozialer als auch wirtschaftlicher Art. Zudem gibt es vor allem auf tansanischer Seite gewisse Animositäten gegenüber Kenia. Es existieren aber auch entscheidende Gemeinsamkeiten, wie die Mitgliedschaft beider Länder in der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Von den Zoll- und Steuerabkommen der Gemeinschaft können Unternehmen bei der Expansion nach Tansania profitieren.

Blog:subsahara-afrika: Das deutsche Engagement in Tansania ist aktuell noch überschaubar. Wer ist bereits vor Ort aktiv?

Dr. Schwarz: Das ist richtig, aktuell hält sich das deutsche Engagement noch in Grenzen. Laut dem tansanischen Zentrum für Investitionen (TIC) sind gegenwärtig zirka 100 deutsche Projekte in Tansania registriert. Deutsche Unternehmen, die in Tansania ansässig sind, beziehungsweise Unternehmen, die durch Deutsche in Tansania gegründet wurden, lassen sich auf rund 30 beziffern. Neben einer Vielzahl kleiner und mittelgroßer Unternehmen, sind dies unter Anderem Achelis, BASF, DHL, H.P. Gauff, Jos. Hansen & Soehne, Knauff, Kühne+Nagel, die LH-Gruppe über die SWISS, Mobisol, Siemens und die Strabag als deutsch-österreichisches Unternehmen. Das größte deutsche Unternehmen hinsichtlich des Investitionsvolumens in Tansania ist gegenwärtig die HeidelbergCement AG.

Blog:subsahara-afrika: Trotz ehrgeiziger Versprechen des Staatspräsidenten die Industrialisierung voranzutreiben und bürokratische Hürden für den Privatsektor abzubauen, verschlechterte sich laut letztem Doing-Business-Report der Weltbank das Geschäftsumfeld Tansanias um fünf Plätze auf Rang 137 (von 187 Ländern). An welchen Stellschrauben müsste die Regierung drehen, damit deutschen Unternehmen die Entscheidung für ein Engagement erleichtert wird?

Dr. Schwarz: Die Bekämpfung der Korruption im Land erforderte die Einführung neuer Prozesse, welche dazu beitragen, dass bürokratische Hürden aktuell stärker wahrgenommen werden. Weiterhin führt die Forderung der Regierung nach lokalen Arbeitsplätzen dazu, dass der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte, Dienstleistungen und Produkte stark eingeschränkt wurde. Von diesen Einschränkungen sind besonders die Sektoren Öl und Gas sowie Bergbau betroffen. Dies führt zu Unsicherheiten bei den Unternehmen und erklärt die Verschlechterung im Doing-Business-Report der Weltbank. Notwendig ist eine Stärkung des Dialogs zwischen der Regierung und dem Privatsektor, welcher in der Realität nur selten in Entscheidungen einbezogen wird. Ausländische Investoren brauchen zudem verlässliche Rahmenbedingungen, auf welche Geschäftsaktivitäten und langfristige Planungen gestützt werden. In diesem Zusammenhang braucht es klare Signale der Regierung, dass ausländische Investitionen erwünscht sind und entsprechend unterstützt werden.

Blog:subsahara-afrika: Welche Schwerpunkte möchten Sie als noch neue Leiterin der tansanischen Außenstelle der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Kenia setzen?

Dr. Schwarz: Zunächst liegt meine Hauptaufgabe im Wesentlichen darin, ein funktionierendes Büro mit kompetenten Servicedienstleistungen zur Beratung von Unternehmen zu etablieren. Im Rahmen der Außenwirtschaftsförderung unterstütze ich den Aufbau bilateraler Wirtschaftsbeziehungen und entwickle das hierfür notwendige Netzwerk in Tansania und Deutschland. Delegationen und Projekte in Tansania setze ich, mit Unterstützung des Teams in Nairobi, hier vor Ort um. Im Rahmen meiner Rolle als ExperTS-Fachkraft, berate ich zudem zu Förderangeboten und Kooperationsmöglichkeiten mit Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit und unterstütze bei der Initiierung von Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft. Wir möchten deutschen Unternehmen vor Ort sowie interessierten Unternehmen in Deutschland eine Plattform bieten, um ihnen den Zugang zu relevantem Wissen und Erfahrungen zu ermöglichen. 

Blog:subsahara-afrika: Zum Schluss unseres Gespräches und hoffentlich vor Beginn eines verstärkten deutschen Engagements in Tansania: Was sollte man aus Ihrer persönlichen Erfahrung beherzigen, wenn man sich als Deutscher möglichst schnell in Dar es Salaam einleben will?

Dr. Schwarz: Zunächst einmal – herzlichen Glückwunsch, sollten Sie mit dem Gedanken spielen in Dar es Salaam leben zu wollen. Dies ist bereits das zweite Mal, dass ich diese Entscheidung getroffen habe und ich bereue es nicht. Dar es Salaam ist die größte Stadt Tansanias, mit rund fünf Millionen Einwohnern. Schon bei der Ankunft am Flughafen in Dar es Salaam wird deutlich, dass die Dinge hier etwas anders laufen, als zu Hause in Deutschland. Die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze führt dazu, dass sich alle Prozesse verlangsamen – also braucht man viel Geduld, sei es um das Visum bei der Einreise zu erhalten oder aber durch den Verkehr der Innenstadt zu gelangen. In Tansania gilt ein anderes Lebensmotto, welches man stets bedenken sollte – „Hakuna Matata“ – es gibt kein Problem, oder es kann immer eine Lösung gefunden werden. Je schneller man dieses Lebensmotto akzeptiert und je mehr Geduld man in der Lage ist aufzubringen, desto erfolgreicher lässt es sich in Tansania leben und arbeiten. Abgesehen von den kulturellen und klimatischen Unterschieden, ist es wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen, sodass man sich trotz der Ferne zur Heimat verbunden fühlt, insbesondere in den ersten Monaten. Die deutsche Gemeinschaft ist recht überschaubar, aber sehr offen, so dass Neuankömmlinge herzlich empfangen werden. Ein erfolgreicher Unternehmer in Tansania sollte natürlich auch die tansanische Kultur verstehen – hierzu gibt es zahlreiche Möglichkeiten, beispielsweise bei Sportveranstaltungen.

Dr. Jennifer Schwarz leitet seit April 2018 die neue Außenstelle der Delegation der Deutschen Wirtschaft Kenia in Dar Es Salaam,Tansania. Zuvor leitete sie als Programmdirektorin über fünf Jahre die Aktivitäten in den Regionen des östlichen und südlichen Afrikas bei der schweizerischen Kühne-Stiftung u.a. in Dar Es Salaam und Kapstadt. Sie studierte Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität (FU) in Berlin und setzte ihre wissenschaftliche Karriere an der Technischen Universität (TU) in Berlin fort. Für ihre Doktorarbeit wurde sie mit dem Wissenschaftspreis der Bundesvereinigung für Logistik (BVL) ausgezeichnet. Kontakt: E-Mail: Jennifer.schwarz@tanzania-ahk.co.tz, Tel.: +255 (0)754 309 150.

(Bildnachweise: Pixabay.com und www.alphastockimages.com)

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