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Produktstrategien für Afrika: Was ist zu beachten?

Die afrikanischen Länder südlich der Sahara sind schon lange nicht mehr nur Absatzmärkte für Maschinen und Ausrüstungen, sondern für die gesamte Warenpalette, die auch in Industrie- und Schwellenländern weltweit bei Kunden gefragt ist. Dies heißt aber noch lange nicht, dass Hersteller ihre Produkte in Afrika auf die gleiche Art und Weise wie anderswo vertreiben können. Vielmehr sind vielfältige, oft sehr spezielle Kriterien zu beachten, die ganz bestimmte Eigenheiten der Menschen und Märkte widerspiegeln und eine Anpassung von Produkten und Strategien zum Markterfolg unabdingbar machen.

Blog:subsahara-afrika widmet zwei Artikel dieser Thematik. Im hier folgenden ersten Beitrag werden grundsätzliche Optionen der Marktbearbeitung und wichtige Aspekte der Produktanpassung für afrikanische Märkte erläutert.

Strategische Optionen im Exportgeschäft

Grundsätzlich hat der Exporteur bei der Marktbearbeitung die Wahl zwischen Produktstandardisierung, Produktanpassung für einzelne Märkte und der Neuentwicklung von Produkten für einen bestimmten Markt. Bei Standardprodukten – Paradebeispiel sind internationale Marken wie Coca-Cola, Mercedes Benz oder Samsung –  liegen die Vorteile in der Ersparnis bei Entwicklungskosten, Produktion und Marketing.

Für Produktmodifizierungen für einzelne Exportmärkte können etwa gesetzliche Standardisierungsvorschriften, spezielle technische Anforderungen oder auch Auflagen über „local content“ für den Vertrieb in einem bestimmten Land eine Rolle spielen. Ferner können auch bestimmte Verbraucherpräferenzen, eine deutlich geringere Kaufkraft, fehlendes lokales Knowhow (Bedienung und Wartung von Maschinen) und vor Ort fehlende Ersatzteile Produktanpassungen und ggf. Veränderungen der Produkteigenschaften erforderlich machen. Die Anpassung an den Exportmarkt kann zudem auch lediglich in einer geänderten, an einen anderen Kulturraum angepassten Kommunikationsstrategie, bzw.  der Änderung der Marketing- und Werbestrategie, bestehen.

Eine Neuentwicklung von Produkten für bestimmte Exportmärkte ist die aufwändigste Methode der Marktbearbeitung im Export und erfordert eine entsprechende Marktgröße, um den Aufwand für den Hersteller lohnend zu machen. Es muss sich also um einen besonders großen Binnenmarkt oder ein besonders bevölkerungsreiches Land handeln (z.B. China oder Indien), oder um einen regionalen Markt mit mehreren Ländern als Absatzziel.

Kriterien der Produktanpassung/-entwicklung für Afrika

Soziokulturelle Kriterien – Der „Mainstream“ ist eher konservativ

Afrika ist im Vergleich zu Europa ein sehr diversifizierter Kulturraum mit ebenso unterschiedlichen Sitten und Gebräuchen, religiösen Praktiken und allgemein akzeptierten Werten. Ob ein Exportprodukt sich darin nahtlos einfügt oder etwa aneckt, hängt von der Art der Ware ab und muss im Vorfeld im Rahmen einer Marktanalyse sorgfältig abgeklärt werden. So spricht man von „sensiblen“ Produktbereichen, wenn es sich z.B. um  Medienerzeugnisse (Print, audiovisuelle Elektronik usw.) handelt, wenn diese als anstößig erachtet oder im Einzelfall auch in afrikanischen Ländern verbotene Inhalte aufweisen (Pornographie, Homoerotik u.Ä.). Religiöse Empfindlichkeiten sind auch bei den Christen Afrikas generell höher als in Europa, und angesichts der in vielen Subsahara-Ländern starken muslimischen Minderheit verbieten sich offen islamkritische Schriften oder Ähnliches auf dem Markt oder sind jedenfalls problematisch.

Generell ist in bestimmten Produktbereichen (z.B. Bekleidung, Mode) zu berücksichtigen, dass afrikanische Gesellschaften im „Mainstream“ eher konservativ geprägt sind. Diese Problematik ist deshalb auch in Werbespots zu berücksichtigen, bei denen zu viel Freizügigkeit bei der Bekleidung von Models eher vermieden werden sollte.

Gleichzeitig entwickelt sich aber auch in vielen Hauptstädten eine besondere Kultur der „hippen“ Mode. Hervorzuheben sind hier vor allem die spezielle „Dandy“-Variante (Sapeur) in Kinshasa, bei der vor allem junge Männer hervorstechen, und die moderne Fashion-Industrie etwa in Windhuk und auch in Nairobi.

In den Hauptstädten lebt die für den Konsumgütervertrieb wichtigste Verbrauchergruppe der gehobenen Mittelschicht, deren Konsumverhalten stark von Status- und Imagefaktoren bestimmt wird – und dem Bestreben, sich von der Masse abzusetzen.

Die ländlichen Gebiete Afrikas, wo es auch noch eine stärkere Rollenverteilung der Geschlechter gibt, sind eher konservativ geprägt und können zum Beispiel bei Produktkategorien im Umfeld von Haushalts- und Kinderprodukten eine Rolle spielen. Bei Werbeinhalten ist deshalb immer zu berücksichtigen, dass für die Bereiche Haus, Küche und Kinder in Afrika generell noch (fast) ausschließlich die Frau zuständig ist.

Zu den hier angesprochenen Aspekten der Produktanpassung zählen auch etwa Geschmacksfragen im Bereich Nahrungsmittel und Getränke. So ist es zum Beispiel wissenswert, dass afrikanische Verbraucher einen – wie die Engländer sagen – „sweet tooth“ haben und vor allem süße Getränke (Limonaden) sehr gern und viel konsumieren. Ansonsten gehören Afrikaner allgemein zu den passionierten Fleischessern, bei denen moderne Ernährungsbewegungen wie etwa vegan oder vegetarisch bisher kaum Resonanz gefunden haben. Fakt ist leider aber auch, dass in praktisch allen Subsahara-Ländern leider immer noch ein großer Teil der Bevölkerung unterernährt oder mangelhaft ernährt ist. Hier eröffnen sich daher zum Beispiel Märkte im Bereich der „high nutricious“ Nahrungsmittel, die mit Vitaminen usw. angereichert sind.

Im soziokulturellen Bereich, hier besonders der Sektor Schulbildung/Ausbildung, weist der größte Teil der Länder Afrikas im Vergleich zu Europa deutliche Defizite auf. Daher gelten überwiegend einfach zu bedienende Geräte und Ausrüstungen als geeigneter für den afrikanischen Markt als komplizierte High-Tech-Anlagen. Gleichzeitig ist in diesem Exportsektor das Zusatzangebot im Service-Bereich – in Form von Training und technischer Hilfe bei der Wartung – ein wichtiger Teil des Gesamtpakets von Lieferanten.

Physische Kriterien – Spezielle Anforderungen an Kosmetika und Pflegeprodukte

Diese Aspekte spielen in vielen gängigen Produktbereichen eine Rolle, wobei es zum einen um die klimatischen Bedingungen und die Mängel der Infrastruktur geht, zum anderen um physische Aspekte im Zusammenhang mit ethnisch bedingten Ausprägungen der Menschen geht. Beim Stichwort Klima geht es vor allem um die Tropentauglichkeit von Verpackungen oder von Maschinen und Ausrüstungen, die eventuell technische Anpassungsmaßnahmen benötigen. Der Aspekt der Infrastruktur spielt bei den Transportausrüstungen eine Rolle, da in weiten Teilen Afrikas der mangelhafte Zustand der Straßen eine verstärkte Federung von Kfz notwendig macht. Auch für die Kfz-Elektronik spielen gegebenenfalls klimatische sowie auch infrastrukturelle Aspekte eine Rolle und können Anpassungen (Vereinfachungen) für den afrikanischen Markt erforderlich machen, um die Bedienungsfreundlichkeit – auch für nicht spezialisierte Mechaniker zu erhöhen. Dies gilt ebenso für Maschinen und Ausrüstungen generell, die in Afrika zum Einsatz kommen.

Der Aspekt der ethnisch bedingten physischen Besonderheiten ist für einen umfangreichen Produktsektor wichtig, nämlich der Körperpflege- und Kosmetikartikel und Haarpflegeprodukte etc.. Zwar sind solche Besonderheiten in diesem Exportsektor auch in anderen Regionen der Welt (Asien) von Bedeutung, doch in Afrika dürfte der physische Unterschied zu europäischen Verbrauchern und Verbraucherinnen am stärksten sein. Die Beschaffenheit von Haut und Haaren afrikanischer Kunden bzw. Kundinnen erfordert spezielle Inhaltsstoffe etwa bei Hautpflegeprodukten (oft für ölige Haut). Hinzu kommen die von Afrikanerinnen relativ stark nachgefragten Aufhellungscremes und die im Haarpflegebereich viel benutzten Glättungsprodukte. Ein in Europa eher als Nische geltender Produktbereich ist bei afrikanischen Kundinnen sehr en vogue: nämlich Perücken aller Art, die häufig im Alltag getragen werden anstelle des zeit- und kostenaufwändigen Haar-Stylings.

Wirtschaftliche Kriterien – Immer auf der Jagd nach „unmöglichen“ Rabattaktionen

Afrikanische Länder südlich der Sahara sind überwiegend zu den klassischen Niedriglohnländern zu zählen, in denen ein zwar langsam abnehmender, aber immer noch erheblicher Teil der Bevölkerung am Rande oder gar unterhalb des Existenzminimums (laut UN 2 US-Dollar am Tag) lebt. Gleichzeitig wächst in den meisten Ländern – vor allem den wirtschaftlichen Schwerpunktländern wie Südafrika, Nigeria, Kenia, Äthiopien, Angola, Namibia, Côte d’Ivoire etwa – die Mittelschicht stetig und wird zunehmend als Absatzmarkt für gehobene Verbrauchsgüter auch für internationale Anbieter interessant. In diesem Absatzsegment werden vor allem auch die klassischen, standardisierten, internationalen Markenprodukte nachgefragt, mit denen ein gehobenes Image (Statusfaktor wichtig) verbunden ist.

Trotz der unterschiedlichen Einkommenslage in den verschiedenen Bevölkerungsschichten gibt es eine Gemeinsamkeit: Geld ist immer knapp, ob beim Tagelöhner oder beim gut bezahlten Manager oder gar auf noch höherer Ebene. Ursache ist ein oft beobachteter fataler Hang, ständig über „seine Verhältnisse“ zu leben. Für das Konsumverhalten bedeutet dies: Familiäre Verpflichtungen und Verpflichtungen der Gemeinschaft gegenüber führen dazu, dass Verbraucher immer auf der Jagd nach Sonderangeboten sind – um möglichst viel für wenig Geld zu ergattern. Dieses ist gerade auch beim Absatz internationaler Markenprodukte zu berücksichtigen – etwa auf populären Online-Plattformen, wo in regelmäßigen Abständen extreme (“unmögliche“) Rabattaktionen veranstaltet werden.

Ein wissenswerter Faktor beim Marketing von Produkten rund um den Haushalt wie etwa Haushaltsgeräte und Verbrauchsartikel betrifft die übliche Ausstattung durchschnittlicher afrikanischer Haushalte. Geräte wie vor allem Waschmaschinen, Wäschetrockner, Geschirrspülmaschinen, Mikrowellen und sogar Kühlschränke und Tiefkühltruhen sind keineswegs wie in Europa selbstverständliche Ausstattungsgegenstände. Vielmehr gehören solche Geräte höchstens in den gehobenen bis Upper-Class-Schichten der Bevölkerung zum Alltag, während Mitglieder der ärmeren Bevölkerung sich höchstens einen Kühlschrank leisten können. Dies bedeutet, dass Afrika generell kein geeigneter Absatzmarkt etwa für Maschinen-Waschmittel oder ähnliches ist, sondern eben für das alte klassische Handwaschmittel.

Demographische Kriterien – Lifestyle-Produkte für die junge Generation

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Gesellschaften Afrikas und Europas ist die Alterspyramide: In afrikanischen Ländern ist ein etwa doppelt so großer Teil der Bevölkerung unter 35 Jahre (Stand 2017), was rund 38 Prozent der Population ausmacht. Dem gegenüber stehen 19 Prozent in Europa und rund 17 Prozent in Deutschland. Unter Marketinggesichtspunkten ist diese Generation auch in Afrika über andere Kanäle zu erreichen, als die älteren Konsumenten. Eine herausragende Rolle spielen hier vor allem die sozialen Netzwerke (Facebook, Instagram, Pinterest, Blogs, WhatsApp u.ä.), wogegen die traditionellen Medien wie Radio und Fernsehen als Werbeträger weniger Bedeutung haben. Bevorzugte Produktbereiche für diese Alterskategorie sind technische Artikel wie Handys, Tablets, Laptops usw., Unterhaltungselektronik sowie Lifestyle-Produkte wie Mode und Zubehör. Große kostspielige Konsumgüter wie etwa Kfz oder teure Möbel usw. werden in dieser Altersgruppe in Afrika eher weniger nachgefragt, da die Einkommen dazu normalerweise nicht ausreichen.

Ein weiterer spezieller demographischer Faktor in Afrika ist die übliche Größe der Familien und Haushalte, die das Ergebnis einer anhaltend hohen durchschnittlichen Geburtenzahl ist. Diese liegt noch immer bei fast fünf Kindern pro Frau (Basis 2016)Entsprechend wichtig sind deshalb die Konsumbereiche rund um Babys, Kinder, Haushalt usw..

Hinsichtlich der regionalen Verteilung der Bevölkerung ist der Faktor der Urbanisierung bei gleichzeitiger Landflucht zu berücksichtigen. Dies verursacht in den meisten afrikanischen Ländern ein anhaltendes Bevölkerungswachstum der großen Städte insbesondere der Hauptstädte. Die Hauptstädte sind daher in den meisten Ländern das wichtigste Absatzzentrum für alle Produktbereiche, und nur in einigen größeren Flächenstaaten mit mehreren Regionalzentren – wie vor allem Nigeria, Südafrika – sind gegebenenfalls mehrere Distributionszentren für den Warenvertrieb zu berücksichtigen.

Regulative Kriterien – Europäische Produkte immer top

Die meisten afrikanischen Ländern verfügen über nationale Organisationen für Standardisierung und Normenwesen, die sukzessive für die verschiedenen gewerblichen Sektoren Produktstandards erarbeiten und in Kraft setzen. Besonders im Fokus stehen hierbei Vorschriften für die Sektoren Nahrungsmittel und Arzneimittel, da praktisch alle Länder mit dem Problem der illegalen Verbreitung gefälschter Medikamente (vorwiegend aus Asien) zu kämpfen haben. Für europäische Hersteller hat dieses – abgesehen von dem Aspekt der unfairen Konkurrenz – im Allgemeinen keine Auswirkungen auf die Marktbearbeitung, da europäische Standards ohnehin international führend sind und alle einschlägigen Anforderungen an Produktqualität usw. erfüllen. Eine Besonderheit sind die sogenannten Halal-Zertifizierungsvorschriften beim Absatz tierischer Nahrungsmittel in muslimischen Ländern.

In einer wachsenden Zahl afrikanischer Länder werden inzwischen auch nationale Verbraucherschutzgesetze erlassen, die die Konsumenten vor allem vor qualitativ minderwertigen Waren schützen sollen. Solche Mindeststandards für die Produktqualität von Importwaren sind vor allem gegen Herkunftsländer wie China gerichtet, das seit seinem verstärkten Engagement in Afrika immer mehr Märkte mit Billigwaren „überschwemmt“.

Dieser Artikel ist Teil 1 der Serie: Produktstrategien für Afrika

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