Die westafrikanischen Staaten bilden einen riesigen, aber oft unterschätzten Markt. Bevölkerung und Wirtschaftsleistung der Region wachsen stabil. Seit September 2018 ist Noémie Simon, Regionalbeauftragte für Westafrika bei der Delegation der deutschen Wirtschaft in Ghana. Sie nennt die sich bietenden Chancen und Herausforderungen in der Wirtschaftsregion.
blog:subsahara-afrika: Was genau ist Ihre Aufgabe als Regionalkoordinatorin?
Noémie Simon: Meine Hauptaufgabe besteht darin, deutschen Firmen beim Auf- und Ausbau ihrer Aktivitäten in der Region Westafrika eine erste Anlaufstelle zu bieten und das gesamte Dienstleistungsspektrum der zum Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) gehörenden Delegation der Deutschen Wirtschaft in der Region zu vertreten. Unser Tätigkeitsgebiet umfasst derzeit die Länder Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea, Kamerun (Zentralafrika), Mali, Senegal und Togo, es könnte aber in Zukunft auf weitere Länder der Region ausgedehnt werden. Ich bin auch für die Unterstützung der Kompetenzzentren Energie & Umwelt, Privatsektor-Entwicklung, und Berufliche Bildung bei der Koordination und Durchführung von Projekten im frankophonen Raum zuständig.
blog:subsahara-afrika: Die Einführung einer Regionalkoordinatorin für Westafrika ist ein Indiz, dass man in der Region gute Chancen für Produkte und Dienstleistungen „Made in Germany“ sieht. Welches Potenzial schreiben Sie der Region zu?
Simon: Deutsche Firmen zeigen immer mehr Interesse an der westafrikanischen Region und deutsche Technologien verfügen dort über einen sehr guten Ruf. Insbesondere im Industriebereich gibt es sehr großes Potenzial für deutsche Produkte und Dienstleistungen. Diese Tendenz wird auch politisch durch den „Compact with Africa (CwA)” unterstützt, dem die Länder Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Ghana, Guinea, Senegal, Togo angehören. Die CwA-Länder haben sich verpflichtet, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten zu verbessern.
blog:subsahara-afrika: Welche Märkte in der Region würden Sie Einsteigern ins Afrika-Geschäft empfehlen, welche weniger?
Simon: Zunächst ist es wichtig, Westafrika als einen zusammenhängenden Wirtschaftraum zu betrachten. In dieser Region kann ich grundsätzlich jeden Markt empfehlen. Es ist überall möglich, sich als deutsche Firma anzusiedeln und erfolgreich zu sein. Im Einzelfall kommt es natürlich immer auf das geplante Projekt und die zur Verfügung stehenden Mittel an. Es macht außerdem Sinn, sich in dem Land anzusiedeln, wo die von den lokalen Institutionen gewährleisteten Bedingungen am passendsten sind. Starkes Interesse herrscht derzeit an der Côte d’Ivoire. Dorthin haben wir mehrere Delegationsreisen organisiert. Zudem ist die Eröffnung eines AHK-Büros in der Hauptstadt Abidjan geplant. Darüber hinaus wurden verschiedene Erkundungsprojekte sowie Partner- und Kontaktrecherchen für verschiedene Unternehmen in Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea, Kamerun (Zentralafrika), Senegal, Togo und Deutschland durchgeführt. Zum Beispiel haben wir eine Vertriebspartnersuche in Côte d’Ivoire für eine deutsche Firma für Drucklösungen aus Bayern, eine Vertriebspartnervermittlung in Burkina Faso und Côte d’Ivoire im Pharma-Bereich für eine Bremer Beratungsfirma und eine Kontaktrecherche im Bereich Entsorgungstechnik in Côte d’Ivoire und Senegal für ein Unternehmen aus Brandenburg durchgeführt.
blog:subsahara-afrika: Welchen Unternehmen aus welchen Branchen würden Sie empfehlen, einen genaueren Blick auf diese Märkte zu werfen?
Simon: Deutscher Technologie bieten sich insbesondere in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Agroindustrie, Umwelt und Energie gute Chancen. Möglichkeiten ergeben sich sicherlich auch in der Aus- und Weiterbildung sowie im Bau und der Infrastruktur, im Gesundheitswesen, in der Medizintechnik und im Bergbau.
blog:subsahara-afrika: Der französische Einfluss in der Region ist groß. Welche Herausforderung bringt das für deutschen Unternehmen mit sich?
Simon: Ich würde den französischen Einfluss nicht als Herausforderung sehen, sondern als Chance. Es ist richtig, dass Frankreich aus historischen und strukturellen Gründen immer noch über einen gewissen Einfluss in den frankofonen Ländern Westafrikas verfügt. Dieser Einfluss schwindet im wirtschaftlichen Bereich aber, da die Konkurrenz aus China, der Türkei und Indien gewachsen ist. Vor diesem Hintergrund könnten deutsch-französische Kooperationen in Westafrika durchaus Sinn machen. Zum Beispiel im Bereich Infrastruktur und Bau: Deutsche Unternehmen könnten als Zulieferer für Konzerne aus Frankreich gute Geschäfte machen.
blog:subsahara-afrika: Das deutsche Engagement in der Region ist aktuell noch überschaubar. Wer ist bereits vor Ort aktiv?
Simon: Vor allem große Namen wie unter anderem Allianz, B. Braun, BASF, Bayer, Bosch, DHL, Siemens sind seit mehreren Jahren in Westafrika tätig und erfolgreich. Zunehmend interessieren sich aber auch kleinere Unternehmen für die Chancen in der Region, ermutigt auch durch die zahlreichen aktuellen Afrika-Initiativen der deutschen Bundesregierung.
blog:subsahara-afrika: Das wachsende Interesse deutscher Unternehmen an der Côte d’Ivoire haben Sie erwähnt. Unserer Beobachtung nach entwickelt sich auch der Senegal zu einer Drehscheibe. Wann macht es aus Ihrer Sicht Sinn von Dakar aus die westafrikanischen Märkte zu bearbeiten?
Simon: Das macht meiner Meinung nach Sinn, wenn man die Sahel-Länder – insbesondere Mali, Mauretanien, Burkina Faso, Niger – als Zielmärkte sieht. Dakar ist ein interessanter und angenehmer Standort, politisch etwas stabiler, dafür aber wirtschaftlich etwas ruhiger und weniger offen als zum Beispiel Abidjan. Für die Küstenländer würde ich eher Abidjan als Standort empfehlen. Côte d’Ivoire ist der wirtschaftliche Hub in der Region und die Hauptstadt Abidjan ist sehr gut mit den umliegenden Ländern vernetzt.
blog:subsahara-afrika: Welche strategische Rolle spielt die westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion bei der Erschließung der Region?
Simon: Die Wirtschafts- und Währungsunion ist vor allem von Vorteil, wenn man die frankofonen Länder erschließen möchte. Es existiert mit dem Franc CFA eine gemeinsame, stabile Währung, Wechselkursschwankungen sind kein Thema. In Sachen Freihandel ist die regionale Integration jedoch noch nicht optimal, es kommt immer noch zu Behinderungen des Warenverkehrs an den Grenzen.
blog:subsahara-afrika: Trotz guter Tendenzen ist laut Doing-Business-Report der Weltbank in vielen Ländern das Geschäftsumfeld herausfordernd. An welchen Stellschrauben müssten die lokalen Regierungen drehen, damit deutschen Unternehmen die Entscheidung für ein Engagement erleichtert wird?
Simon: Viele westafrikanische Länder bemühen sich, ihre Institutionen zu verbessern und zu entwickeln. In manchen Ländern funktioniert es schneller als in anderen. Planungssicherheit ist ein zentrales Kriterium für viele deutsche Unternehmen. Wichtig ist aber auch gut vorbereitet, flexibel und anpassungsfähig zu sein.
blog:subsahara-afrika: Stichwort „Anpassungsfähigkeit“: Was sollte man beherzigen, wenn man sich als Deutscher vor Ort gut zurecht finden möchte?
Simon: Die Länder Westafrikas sind unterschiedlich und verfügen alle über eine unheimlich reiche Geschichte, Kultur, Landschaft und Tradition. Ich glaube, es ist wichtig diese kulturelle Vielfalt zu beherzigen und aufgeschlossen zu sein. In der Geschäftswelt wird der kulturelle Aspekt oft vernachlässigt, er ist aber meiner Meinung nach entscheidend, um sich gegenseitig besser zu verstehen und das Gleichgewicht für die Geschäfte zu finden.
Noémie Simon ist Regionalkoordinatorin Westafrika bei der Delegation der deutschen Wirtschaft in Ghana. Sie betreut deutsche Firmen beim Auf- und Ausbau ihrer Aktivitäten in der Region. Davor war sie u.a. als Projektleiterin für das Deutsch-Französische Business Center in Waldkirch sowie das Institut Francais in Düsseldorf und die Alliance Francaise d’Accra tätig. Kontakt: Tel.: +233 2424 38760, E-Mail: noemie.simon@ghana.ahk.de, Internet: www.ghana.ahk.de.
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