Die Intercem-Unternehmensgruppe ist in Afrika als Ausrüster von Zementwerken erfolgreich tätig. In dem Bereich gehört das Unternehmen mit der Muttergesellschaft in Zug (Schweiz) und den Tochtergesellschaften im westfälischen Oelde international zu den führenden mittelständischen Anbietern von ganzheitlichen Lösungen. Olaf Michelswirth, General Manager der Intercem Engineering GmbH, gibt Einblicke in seine Erfahrungen auf dem afrikanischen Kontinent.
blog subsahara-afrika: Herr Michelswirth, seit wann sind Sie in Afrika beruflich unterwegs?
Olaf Michelswirth: Vor 25 Jahren wurde ich gefragt, ob ich mich für Afrika erwärmen könnte, und ob ich bereit wäre, einem erfahrenen und überaus erfolgreichen Vertriebsbeauftragten aus der Zementbranche eine Zeitlang „die Tasche zu tragen“ und Afrika zu bereisen. Seitdem hat sich bei mir eine große Sympathie für diesen Kontinent und ein Verständnis der afrikanischen Mentalität entwickelt. Das sind unerlässliche Voraussetzungen, wenn man hier erfolgreich sein will. Insbesondere für den persönlichen Zugang zu und den Umgang mit afrikanischen Kunden. Man muss zudem die Länder regelmäßig bereisen und den Leuten auf Augenhöhe begegnen. Nur so lassen sich die benötigten Netzwerke nachhaltig aufbauen.
blog subsahara-afrika: Welche Trends sehen Sie gegenwärtig in der Region, vor allem in der Zementbranche?
Michelswirth: Insgesamt sehen wir ein starkes Interesse an der Erschließung von wenig entwickelten Ländern. Es gibt eigentlich gar keine Länder in Afrika mehr, welche nicht im Fokus von Investoren stehen. Angesichts der überall wachsenden Bevölkerung steigt auch der Zementbedarf entsprechend und erfordert weitere Investitionen. Allerdings sind in den verschiedenen Ländern immer auch politische und sicherheitsrelevante Fragen bei der Marktbearbeitung zu bewerten. Was wir bei unseren Engagements beobachten: Viele unserer Kunden haben bereits eine Vergangenheit als Zementhändler. Diese sehen dann die Bedarfssteigerung und die Möglichkeit, eine Zementmahlanlage im ersten Schritt zu installieren. Also: der erste Schritt in die Industrialisierung. Die zu installierenden Kapazitäten werden häufig so gewählt, dass regionale Märkte bedient werden können. Somit entsteht eine Vielzahl von kleineren Mahlanlagen, um die Transportkosten möglichst gering zu halten und im Wettbewerb zu bestehen.
blog subsahara-afrika: Wie ist es zum Engagement Ihres aktuellen Unternehmens, der Intercem-Gruppe auf dem Kontinent gekommen?
Olaf Michelswirth: Intercem hatte einen Tätigkeitsschwerpunkt bis 2009/2010 im Mittleren Osten, welcher im Bauboom in der Region und unseren guten Kundenkontakten dort begründet war. Die sich abzeichnende Marktsättigung und die Abkühlung des Marktes im Mittleren Osten haben uns dann motiviert, den Kontinent Afrika konsequenter und intensiver zu bearbeiten. Unser Geschäftsanteil für Afrika liegt bei ca. 80 bis 85 Prozent, mit dem Schwerpunkt in Subsahara-Afrika.
blog subsahara-afrika: Mit welchen Schwerpunktländern?
Michelswirth: Im Wesentlichen konzentrieren sich unsere Aktivitäten momentan auf Westafrika. In der Elfenbeinküste bzw. Côte d’Ivoire in der Hauptstadt Abidjan und in Burkina Faso / Bobo Dioulasso haben wir die größten Mahlanlagen der Länder 2018/19 erfolgreich in Betrieb genommen. Ähnliche Projekte befinden sich in angrenzenden Ländern wie etwa in Kamsar in Guinea in der Installationsphase, und weitere Projekte unter anderem in Mali und Togo sollen kurzfristig mit Intercem realisiert werden.
Impressionen der Intercem-Unternehmensgruppe in Afrika
blog subsahara-afrika: Was ist wichtig bei der Kundengewinnung?
Michelswirth: Der persönliche Zugang zu den Investoren und deren Akzeptanz sind auch in Afrika Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung. Dabei helfen entscheidend die Reputation unseres Unternehmens und dessen Referenzen in der Region. Wichtig sind auch unsere partnerschaftlichen Beziehungen zu Unternehmen aus der Zementindustrie, welche in Afrika bereits aktiv sind. Die hieraus resultierenden Synergien verstärken unseren dortigen Auftritt in jeglicher Beziehung. Ein wichtiger Teil unserer Marketingstrategie ist außerdem die regelmäßige Teilnahme an Fachmessen und Seminaren, um langfristig Präsenz zu zeigen und Kontakte zu pflegen.
blog subsahara-afrika: Was erwarten ihre afrikanischen Kunden?
Michelswirth: Unsere Kunden sind an einem ‚Made in Germany‘ interessiert und erwarten entsprechende Qualität. Aus technischer Sicht lautet die Antwort „tailor made solutions“, das heißt an die Bedürfnisse des Kunden angepasste Lösungen. Um den preislichen Vorstellungen und dem Wettbewerb gerecht zu werden, müssen selbstverständlich Lösungen gefunden werden, welche auch diesen Preisvorstellungen entsprechen. Für uns bedeutet dies ein „global sourcing“ für Stahlbau, Blechfertigung und Montageleistungen mit dem Ziel, möglichst günstige Preise zu erzielen. Zudem wird erwartet, dass wir mit unserer Expertise lokales Betreiberpersonal aufbauen bzw. schulen. Mittelfristig kann unser Kunde so seinen eigenen Personal- und Management-Bedarf optimieren und kostengünstiger produzieren. Langfristig wird der Wirtschaftsstandort für die Bevölkerung attraktiver, und weitere Perspektiven werden geschaffen.
blog subsahara-afrika: Wie sieht es mit der Konkurrenz aus, vor allem den Chinesen?
Michelswirth: Der internationale Wettbewerb ist groß. Insbesondere die Chinesen sind überall dort, wo Projekte realisiert werden. Tendenziell haben sie im Hinblick auf politische und sicherheitsrelevante Aspekte eine relativ hohe Risikobereitschaft. Und ihr Angebot wird von international tätigen Zementherstellern gerne gewählt, um Anlagen in Afrika zu installieren. Die chinesischen Anlagen sind zwar billiger, gleichzeitig aber von schlechter Qualität mit entsprechender Ausfallrate aufgrund insbesondere technischer Probleme. Die Kaufentscheidungen werden nicht in Afrika und nicht für Afrika getroffen, das heißt, Gewinne werden nicht in Afrika investiert, sondern Dividenden werden an shareholder ausgezahlt. Ein ausschlaggebender Faktor hierbei: Für die afrikanischen Investoren bieten chinesische Wettbewerber die Finanzierung gleich mit an. Der Vorteil, den das Paket aus Finanzierung und gleichzeitig relativ geringer Investitionssumme bietet, kompensiert für Investoren zunehmend den (Negativ-) Faktor chinesische Qualität, und zwar auf dem gesamten Kontinent. Im Rahmen der von der Bundesregierung auf der G20-Konferenz 2017 gegründeten Initiative „Compact with Africa“ wird ein Investitionsfonds zur Verfügung gestellt. Durch eine Erweiterung der Finanzierungsabsicherung von Hermes auf öffentliche Auftraggeber, die bisher in vielen afrikanischen Ländern nicht gedeckt wurden, ist ein Ansatz geliefert, gegen den aufgrund der staatlichen chinesischen Finanzierungsabsicherung ungleichen Wettbewerb mit China zu bestehen. Allerdings haben uns unsere Projekte aufgezeigt, dass die sogenannten ECA-Finanzierungen, wie die in Deutschland über Hermes, in der Realisierung zu viel Zeit beanspruchen. Von der Anfrage bei Hermes bis zur Absicherungsbestätigung kann es acht bis zehn Monate dauern!
blog subsahara-afrika: Welche Erfahrungen haben Sie bisher mit staatlichen Stellen in afrikanischen Ländern gemacht?
Michelswirth: Da grundsätzlich alle Genehmigungen und Behördenauflagen direkt durch unsere Kunden organisiert werden, wir hierbei lediglich beratend und informierend tätig sind, ist unser direkter Kontakt zu staatlichen Stellen bislang gering. Wo wir wegen der hohen bürokratischen Hürden eher nicht zufriedenstellende Erfahrungen machen, sind die staatlichen Ausschreibungen, die sogenannten Tender: Diese werden in lokalen Tageszeitungen veröffentlicht, wo ein lokaler Vertreter diese erkennen und die Unterlagen kaufen muss. Die Ausschreibungen sind in aller Regel hoch komplex und zudem unvollständig. Besuche vor Ort zur kaufmännischen und technischen Klärung sind erforderlich. Es müssen Garantien mit langen Laufzeiten, sogenannte Bid Bond und Performance Bond beigebracht werden und Gremien von Interessenvertretern der Kunden müssen die Freigabe der Garantien erteilen – alles sehr zeitraubend. Zudem sind indirekte Garantien, bei denen eine ausländische Korrespondenzbank eingeschaltet wird, außerordentlich schwer zurückzubekommen. Die Evaluierungsverfahren der Angebote sind undurchsichtig, und die Ergebnisse werden nicht immer respektiert. Es kommt regelmäßig zu einem neuen Ausschreibungsverfahren. Daher ist eine Bewerbung auf staatliche Ausschreibungen herausfordernd und der Ausgang höchst ungewiss. Im Auftragsfall sind zudem die Zahlungen häufig nicht abgesichert, und das Gesamtrisiko für die erfolgreiche Realisierung von Projekten steigt entsprechend.
blog subsahara-afrika: Welche Methoden zur Absicherung Ihrer Forderungen verwenden Sie in den afrikanischen Ländern? Und wie sind Ihre Erfahrungen mit der Zahlungsmoral vor Ort, welche Unterschiede beobachten Sie eventuell zwischen privaten und staatlichen Kunden?
Michelswirth: Unsere Forderungen werden durch ein Akkreditiv (L/C – Letter of Credit) abgesichert, welches durch eine erstklassige international tätige Bank bestätigt ist. In Einzelfällen werden vorab Teilzahlungen akzeptiert. Der vereinbarte Leistungs- und Lieferanteil korrespondiert mit der Teilzahlung. Die Restzahlungen werden in der Regel durch den Kunden freigegeben und sind nicht abgesichert. Auch wenn alle daran geknüpften Bedingungen erfüllt sind, werden die Zahlungen erfahrungsgemäß sehr schleppend eingehen. Aufgrund des direkten Zugangs zu privaten Kunden können in diesem Bereich immer Wege gefunden werden, offene Posten zu begleichen. Außerordentlich schwierig gestaltet sich allerdings die Beibringung von offenen Zahlungen, wenn sie nicht wissen, mit wem sie reden können. Dies ist der Fall bei Zahlungen, welche in dem Hauptvertrag nicht geregelt sind, wie Nachträge, Anpassungen, oder Änderungen, die freigegeben werden müssen. Diese Freigaben müssen wieder in Gremien entschieden werden. Hierbei sind die Verantwortlichkeiten unklar und können sich auch ändern.
blog subsahara-afrika: Welche Empfehlungen können Sie aus Ihrer langjährigen Erfahrung deutschen Newcomern in afrikanischen Absatzmärkten geben?
Michelswirth: Ich empfehle, trotz des vermeintlich unerschöpflichen Potenzials des Kontinents nicht einfach ungestüm alleine loszustürmen sondern, sich einem Afrika erfahrenen Netzwerk anzuschließen oder Kooperationen mit Firmen aus der eigenen Branche anzustreben. Gemeinsam ist man stärker und effizienter. Zudem wird man afrikanische Kunden Afrika nicht über Nacht für sich gewinnen, man braucht einen langen Atem. Aber wenn das Vertrauen ausgesprochen ist, läuft’s!
blog subsahara-afrika: Herr Michelswirth, wir bedanken uns für das Gespräch.
Olaf Michelswirth ist gelernter Maschinenbauingenieur und wurde nach rund 15jähriger Erfahrung als Projektingenieur und Projektleiter in Zulieferbetrieben für die Zementindustrie 2005 General Manager von Intercem Engineering. Dort konnte er seither seine Expertise und Erfahrung in vielfältigen Projekten weltweit einsetzen, wie u.a. in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Kuwait, Iran, Tunesien, Libanon, Armenien und zuletzt auch in Ostafrika (Uganda, Tansania) sowie in Westafrika (Burkina Faso, Côte d’Ivoire). Kontakt: E-Mail: O.Michelswirth@intercem.de, Internet: www.intercem.de.
(Bildunterschrift: “CIMASSO – 2,0 Mio tpa cement grinding station in Bobo Diaoulasso / Burkina Faso” – Intercem Engineering)
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