Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.
Den Auftakt macht Dangote Cement Plc, Herzstück der Dangote Group – Dangote Industries Ltd. aus Nigeria, Westafrikas größtes Industriekonglomerat. Dangote Cement nimmt 2020 erneut wie in den Vorjahren einen der vorderen Plätze (Rang 21) unter den 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine ein.
Internationalisierung: Grenzenloser Expansionsdrang
Ein wesentlicher Pfeiler der Geschäftsstrategie von Dangote Cement ist die Internationalisierung, die der Konzern seit Jahren betreibt. Begonnen wurde die Expansion nach ganz Subsahara-Afrika 2011 im benachbarten Ghana, wo im firmeneigenen Cement Terminal in Tema jährlich 1,4 Mio. t hauptsächlich aus Nigeria importierter Zement verpackt wird. Im Süden Ghanas bei Takoradi soll nach Ankündigung von Dangote außerdem eine Klinkermahlanlage (Clinker Grinding Plant) entstehen. Im benachbarten Kamerun war Dangote 2015 der erste neue Investor im Zementsektor nach 40 Jahren mit einer Klinkermahlanlage für inzwischen 3,0 Mio. t jährlich.
Seit etwa 2014 wird eine verstärkte Expansionsstrategie des Unternehmens in Afrika beobachtet, die Dangote selbst immer mit dem Ziel begründet, ganz Afrika zum Selbstversorger von Zement zu machen. Die 49 Staaten Subsahara-Afrikas (Subsahara-Afrika) haben im Jahr 2020 eine Bevölkerung von mehr als 1 Mrd., die noch immer mit Raten zwischen 2 und 3 Prozent jährlich wächst. Deren Versorgung mit essenzieller Infrastruktur, vor allem Straßen- und Wohnungsbau, Wasser- und Stromversorgung, bei zunehmender Urbanisierung bedeutet auch wachsenden Zementbedarf. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Zement in SSA macht bislang mit rund 90 kg erst einen Bruchteil des weltweiten Durchschnittsverbrauchs von 520 kg aus. Der Zementmarkt in Afrika war historisch ein Importmarkt und wurde dominiert von den großen multinationalen Konzernen, darunter vor allem Lafarge aus Frankreich, Holcim aus der Schweiz (jetzt fusioniert zu LafargeHolcim) sowie Heidelberg Zement aus Deutschland. Zwar wird inzwischen in zahlreichen afrikanischen Ländern Zement produziert, doch gibt es größere Produktionen erst in einer Handvoll Länder südlich der Sahara, führend dabei Nigeria mit rund 44 Mio. t vor Südafrika (17 Mio. t), Äthiopien (16 Mio. t), Tansania (11 Mio. t) und Ghana (10 Mio. t, Stand 2017).
Protektionismus bremst Expansion in manchen Zielregionen aus
Dangote gab 2015 öffentlich bekannt, seinen regulären chinesischen Kontraktor Sinoma International Engineering Company ltd. mit einem Milliardenauftrag (4,34 Mrd. USD) für den Bau von elf neuen Zementfabriken in zehn afrikanischen Ländern sowie in Nepal versorgt zu haben. In mehreren der hierbei genannten Zielländer hat Dangote allerdings bis heute keinen Zugang erhalten, sondern „Gegenwind“ (sogar bis zu gelegentlicher Sabotage von Projekten) von der lokalen Industrie – die Überlassung von Abbaukonzessionen an ausländische Investoren ist in allen Ländern mit bestimmten Auflagen für lokale Beteiligungen oder (alternativ begrenzte Laufzeiten) verbunden. So schaffte Dangote keinen Einstieg in Kenia, wo er u. a. den größten Zementkonkurrenten übernehmen wollte, und in Nepal wurde ihm 2018 die Abbaulizenz für Kalkstein verweigert. Auch in Mali und Niger ist es bisher noch nicht wie geplant zu Engagements gekommen, und auch in Simbabwe ist ein geplantes Megaprojekt bislang noch nicht in Angriff genommen worden.
Ein Schwerpunkt von Dangotes Operationen außerhalb Nigerias liegt in Westafrika, wo in etlichen Ländern umfangreiche Rohstoffvorkommen liegen und zudem Exportvorteile innerhalb der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS – Economic Community of West African States) genutzt werden können. Inzwischen hat Dangote außerhalb Nigerias in bisher neun weiteren Ländern Produktionsanlagen aufgebaut, überwiegend integrierte Zementfabriken zur Verarbeitung der lokalen Kalksteinvorkommen: so in der Republik Kongo mit einer Anlage mit 1,5 Mio. t jährlich Kapazität bei Mfila zwischen den zwei größten Städten des Landes als bisher größte Produktionsanlage im Land. Eine weitere strategische Operation des Unternehmens besteht in Senegal, das ebenfalls über umfangreiche eigene Rohstoffvorkommen verfügt und nun durch die Dangote-Investition eine inländische Verarbeitungsanlage für 1,5 Mio. t jährlich besitzt. In Sierra Leone hat das Unternehmen ein eigenes Importterminal in Freetown für 0,7 Mio t jährlich errichtet.
Außerhalb Westafrikas entstand die größte Dangote-Fabrik für 3 Mio. t jährlich in Tansania, das über Kalksteinvorkommen für die nächsten 150 Jahre verfügt und einen stark wachsenden Zementbedarf im Lande hat. Im benachbarten Sambia produziert Dangote 1,5 Mio. t jährlich zum Inlandsbedarf sowie zum Export nach Zentralafrika. Schließlich hat Dangote auch in Äthiopien die mit 2,5 Mio. t jährlich Kapazität dort größte inländische Zementfabrik zur Verarbeitung der umfangreichen lokalen Kalksteinvorkommen errichtet. In Südafrika musste Dangote Cement aufgrund der dortigen gesetzlichen Bestimmungen (Black Empowerment usw.) ein Joint Venture mit der dortigen Sephaku Holdings eingehen und firmiert als Hauptanteilseigner unter Sephaku Cement als Betreiber von zwei Zementfabriken mit insgesamt 3,3 Mio. t. jährlich.
Auch nach dem gescheiterten Nepal-Experiment gibt es Anzeichen, dass sich Dangotes Expansionsstreben nicht auf den afrikanischen Kontinent beschränkt. In einem neueren Interview verkündete er die geplante Eröffnung eines US-Büros. Dazu passen auch das schon lange gehegte Vorhaben zum Gang an international renommierte Börsen wie vor allem die London Stock Exchange. Es gibt allerdings auch Zweifel am Gelingen dieses Vorhabens, da „schwarzafrikanische“ Papiere an internationalen Börsen in der Realität kaum nachgefragt sind und sich unter Wert verkaufen müssten.
Bezug zu Deutschland: Hochtechnologie und Ausbildungsprogramm
Was können deutsche Unternehmen bei ihren Engagements in Afrika von dem Dangote-Modell lernen? Die Antwort ist: eigentlich alles – von der konsequenten Ausrichtung auf Märkte mit langfristig hoher Nachfrage über stetige Reinvestitionen für Expansionen zur Steigerung des Marktanteils, bei Ausnutzung der vertikalen Integration, bis zur systematischen Pflege der Beziehungen zu den politischen Entscheidungsträgern. Letzteres kann allerdings gerade für ausländische Investoren eine schwierige Gratwanderung sein, um nicht gegen Anti-Korruptionsgesetze vor allem auch in den Herkunftsländern zu verstoßen.
Dangote Cement ist seit Jahren markentreuer Kunde führender deutscher Anlagenbauer für Förder-, Brech- und Mahltechnik. Nach persönlicher Erfahrung von Zulieferern des Dangote-Konzerns hat es sich gezeigt, dass auch Neubewerber um Aufträge von Dangote eine Chance haben, wenn es etwa um interessante technologische Neuheiten geht. Dangote selbst ist dafür bekannt, dass er seinen verantwortlichen Managern zwar generell freie Hand bei ihren Entscheidungen lässt, sich jedoch auch persönlich einschaltet, wenn es etwa um noch nicht beachtete Neuheiten geht. So wird die oben erwähnte Neuanlage in Okpella, Edo State u. a. mit Mühlen von Gebr. Pfeiffer gebaut in Betrieb gehen. Dangote ist außerdem (in einer Kooperation mit dem brasilianischen Baukonzern Camargo Corrêa) an einem Maut-Straßenbauprojekt beteiligt, bei dem er eine besondere Wirtgen-Technik (Gleitschalungsfertiger) einsetzt.
Seit etlichen Jahren gibt es ferner eine offizielle Kooperation zwischen Dangote Industries ltd. und dem VDMA /Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. im Rahmen der Dangote Academy. Das Projekt nennt sich „Dangote VDMA Initiative on Technical Education & Vocational Training (TVET)“ und beinhaltet u. a. ein Programm „Train the Trainer“ zur Ausbildung von Lehrkräften. Die Akademie ist für Dangote ein Weg zur Ausbildung der eigenen Ingenieure, bei denen der Konzern einen hohen jährlichen Eigenbedarf hat (600 bis 800) und sich nicht mehr ausschließlich auf die staatlichen Hochschulen im Land verlassen muss.
Weiterlesen
Lesen Sie im Teil 1 über die Geschichte, Eigentümerstruktur und Management sowie das Geschäftsmodell des Konzerns: Afrikas Champions: Dangote Cement – Megaplayer aus Nigeria (Teil 1) (10.08.2020)
Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:
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(Bildnachweise: Dangote Website Gallery)
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