Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.
Im Fokus dieses Artikels steht Shoprite Holdings Ltd. aus Südafrika, die größte Einzelhandelskette auf dem Kontinent. Das Unternehmen nimmt 2020 wie in den Vorjahren auch einen der vorderen Plätze (Rang 25) unter den 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine ein.
Geschäftsmodell und Strategie: Marktsegmentierung, Risikobereitschaft und Internationalisierung
Die Strategie der Marktsegmentierung ist als Kern der Strategie von CEO Basson anzusehen, nach seinem vielzitierten „philosophischen Leitsatz“: „Matching brands to markets“ (siehe in: accountancysa.org.za). Entsprechend wurde bei Übernahme maroder Unternehmen deren Angebot neu strukturiert, an die jeweils im Fokus stehenden Käuferschichten angepasst und auf diese Weise wieder profitabel gemacht. Wegen dieser Strategie der Marktsegmentierung firmierte die Unternehmensgruppe nach Übernahme von Checkers auch unter zwei verschiedenen Namen (Shoprite – Checkers), obwohl es derselbe Konzern war.
Einen interessanten Einblick in die Art der Risikobereitschaft – oder besser gesagt Spielernatur – des früheren Shoprite-CEO Basson bei der Expansions- und Übernahmepolitik gibt ein 2015 erschienenes Buch über „South African Business Leaders: What Makes Them Tick“ von Adele Shevel. Vor allem die spontane Übernahme von OK Bazaars war für Basson wie ein Münzwurf: „Ich setzte mein ganzes Vermögen und meinen guten Ruf aufs Spiel. Ich musste den Deal nicht machen, aber ich konnte nicht widerstehen. Es ging alles gut, aber ich hätte auch zwei Jahrzehnte gute Arbeit, Geld, Ruf und Vermögen in einem verrückten Moment verlieren können“, sagt Basson im Interview mit der Buchautorin. An anderer Stelle wird er zitiert mit dem Statement: „Wer keine Risiken übernehmen will, sollte kein Geschäftsmann sein.“
In diesem Interview gibt Basson ferner auch Einblicke in die Beschäftigungspolitik des Unternehmens – dies ist ein wichtiger Aspekt gerade in Afrika, wo immer hinter einem regulär Beschäftigten eine ganze Großfamilie steht, die von diesem Gehalt abhängig ist. „Wir haben den Grundsatz, die Kinder unserer Mitarbeiter als erste einzustellen, sofern sie die Fähigkeiten haben und die Kriterien für den Job erfüllen“, sagt Basson dazu. Ebenso wichtig ist die besondere Arbeitgeberfürsorge, die von afrikanischen oder in Afrika operierenden Unternehmen erwartet – aber keineswegs immer erfüllt – wird. Hierzu heißt es von dem langjährigen CEO: „Es ist für uns gar nichts Ungewöhnliches, in Notfällen einem Mitarbeiter mit ein paar Hunderttausend Rand auszuhelfen, wenn es sich um jemand handelt, der hervorragende Arbeit für unsere Firma geleistet hat.“ Allerdings war ein relativ niedriges Lohnniveau in dem Konzern schon öfter Gegenstand von Kritik, die Basson immer konterte mit dem Verweis auf die Schaffung von vielen Arbeitsplätzen (siehe etwa unter: qz.com).
Shopping Malls und Supermärkte für Afrikas wachsende Mittelklasse
Zu den besonderen Ambitionen Bassons gehörte von Anfang an die Expansion auf dem afrikanischen Kontinent. Der Shoprite-Chef hatte das Ziel, wie er auch in Interviews betonte (siehe etwa: youtube.com/watch?v=bm72v3wVEzs), in möglichst vielen afrikanischen Ländern zur Nahrungssicherung beizutragen, das heißt der Bevölkerung die wichtigen Bedarfsgüter des täglichen Lebens zu erschwinglichen Preisen zu bieten. Nach Schätzung der Vereinten Nationen wird die afrikanische Bevölkerung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf nahe 4 Mrd. anwachsen. Nach den regelmäßigen Erhebungen der FAO, World Food Programme und weiterer Welternährungsorganisationen ist rund ein Viertel der afrikanischen Bevölkerung von Mangelernährung bedroht, mit steigender Tendenz (siehe dazu: “The State of Food Security and Nutrition in the World” unter wfp.org). Gleichzeitig hat Afrika die am schnellsten wachsende Mittelklasse, deren aggregierte Konsumausgaben nach Schätzung von Experten der African Development Bank (ABD) von schätzungsweise 860 Mrd. US-Dollar (USD) 2008 bis 2020 auf rund 1,4 Bio. gewachsen sein dürften (siehe dazu: uhy.com).
Die Expansion von Shoprite in andere afrikanische Länder wurde natürlich erst nach der demokratischen Wende in Südafrika möglich, als die Boykottmaßnahmen gegen das alte Apartheidregime in den übrigen afrikanischen Ländern aufgehoben wurden. Auch zu diesem Komplex gibt der ehemalige CEO in dem oben zitierten Interview mit der Buchautorin Shevel einen vielsagenden Hinweis: „Ich wollte schon immer außerhalb Südafrikas spielen. Ich hatte ja niemals die Gelegenheit, mich gegen internationale Konkurrenten zu beweisen und zu sehen, ob wir wirklich so gut sind, wie wir glauben.“ Was ihm, wie er berichtet, bei seinen ersten Reisen auf dem Kontinent außerhalb Südafrikas vor allem auffiel, war das Fehlen moderner Supermärkte und der von Südafrikanern so heiß geliebten „Shopping Malls“. Diese hat Shoprite bei seinem Einzug in das „andere“ Afrika als Exportschlager mitgebracht – wie zum Beispiel in Nigeria (siehe dazu auch: qz.com).
Als erste Geschäftseröffnung außerhalb der südafrikanischen Grenzen wurde nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 in Windhuk eine Shoprite-Filiale eröffnet. 1995 folgte Lusaka, die Hauptstadt Sambias. Bassons Expansionspolitik auf dem Kontinent hatte neben dem Ziel der Versorgung breiter Bevölkerungsschichten vor allem die wachsende afrikanische Mittelklasse im Fokus und setzte hierbei auch auf die Zustimmung und Unterstützung der afrikanischen Regierungen (siehe hierzu auch qz.com). Die Ausdehnung ist bis heute vor allem in den umliegenden Ländern des südlichen Afrika gelungen, unter anderem in Botswana und Eswatini mit der Übernahme von Läden der OK Bazaar Group, die zu Shoprite Outlets umgestaltet wurden. Die Ausdehnung auf dem Kontinent geht heute bis Ghana und Nigeria im Nordwesten sowie Madagaskar im Indischen Ozean und sogar (als erste Supermarktkette) bis in die Dem. Rep. Kongo (Einzelheiten siehe auch in der in Teil 1 des Shoprite-Artikels abgebildeten Tabelle). Es hat allerdings auch durchaus Misserfolge gegeben: Länder, aus denen sich wegen zu hoher bürokratischer Hemmnisse (Ägypten) oder wirtschaftlich schwieriger Umstände der Konzern nach einigen Jahren wieder zurückzog, wie zum Beispiel aus Mauritius, Indien und Simbabwe (siehe Informationen unter: shopriteholdings.co.za).
Marktsättigung in Südafrika – Nachholbedarf in anderen Ländern
Die Rahmenbedingungen für ausländische Investitionen im Einzelhandelssektor und die Expansionsstrategie von Shoprite auf dem Kontinent legte Basson einmal in einem Interview mit der internationalen Consultinggesellschaft Price Waterhouse Cooper (PwC) von 2012 dar (howwemadeitinafrica.com). Danach war ein Faktor für das Engagement außerhalb Südafrikas die dortige Marktsättigung, nachdem sich die Branche jahrzehntelang rasant entwickelt hatte. In jeder Dekade seit den 1960ern betrug das Wachstum der Branche durchschnittlich mehr als ein Drittel, und allein zwischen etwa 2006 und 2014 verdoppelte sich die gesamte Einzelhandelsfläche (vgl. dazu: link.springer.com). Demgegenüber bietet die Mehrzahl der übrigen afrikanischen Länder im Bereich des regulären Einzelhandels – neben dem traditionell großen informellen Sektor – erhebliche Bedarfslücken, unter anderem auch in den erdölreichen westafrikanischen Ländern.
Bisher erwirtschaftet der Shoprite-Konzern rund 20 Prozent seiner Gewinne außerhalb Südafrikas, wobei laut Jahresbericht 2019 erstmals Verluste eingefahren wurden. Dies veranlasste den Konzern dazu, eine Revision seiner Operationen außerhalb Südafrikas in Angriff zu nehmen (vgl. iol.co.za). Dabei wird jedoch betont, dass die bereits starke Präsenz und das schon erreichte Ansehen der Marke „Shoprite“ langfristig die Aussicht auf Gewinnerzielung sichern. Als wichtige Voraussetzung für erfolgreiche grenzüberschreitende Operationen gilt unter anderem auch das neu eingeführte, hochmoderne IT-System innerhalb der Unternehmensgruppe. Eine Herausforderung stellt jedoch nach den Erfahrungen des Konzerns die Bürokratie im intra-regionalen Handel dar. So ist nicht zuletzt der Import nach Südafrika in dem Bereich schwierig, und zwar aufgrund der Regularien des nationalen Consumer Protection Act, der den südafrikanischen Verbraucher laut Basson „zu einem der am stärksten geschützten der Welt“ mache (in: howwemadeitinafrica.com).
Zum Schluss soll die Frage gestellt werden, welche Lehren ausländische und speziell deutsche Unternehmen aus dem Erfolg des südafrikanischen Retail-Imperiums für ihre eigene Afrikastrategie ziehen können. Dies betrifft zunächst die Erkenntnis, dass Afrika zunehmend auch als Konsumgütermarkt eine Rolle spielt: dank der überall wachsenden afrikanischen Mittelschicht, die auch zunehmend aufgeschlossen und kaufkräftig genug für gehobene Importprodukte sowie moderne Vertriebskonzepte (Shopping Malls) wird. Auch die Strategie der Marktsegmentierung nach dem Motto „matching brands to markets“ kann ausländischen Konkurrenten durchaus als eine Grundregel für das eigene Marketing dienen. Dies gilt ebenso für ein gewisses Maß an Risikobereitschaft, eine notwendige Voraussetzung insbesondere im Hinblick auf das schwierige Afrikageschäft. Und schließlich können die Beschäftigungsprinzipien bei Shoprite durchaus einen gewissen Vorbildcharakter haben – denn in Afrika gibt es aufgrund der besonderen sozialen Bedingungen immer auch spezielle Ansprüche an die Fürsorgeprinzipien des Arbeitgebers
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Lesen Sie im Teil 1 über die Geschichte, Eigentümerstruktur und Management des Konzerns: Afrikas Champions: Shoprite – das Retail-Imperium aus Südafrika (Teil 1) (02.11.2020)
Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:
- Cosumar aus Marokko – Marktführer im Agroindustrie-Geschäft (07.06.2021)
- Jumia – das Amazon des Kontinents? (22.02.2021)
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(Bildnachweise: Black Friday sales underway at Shoprite Greenacres, Eastern Cape – www.shopriteholdings.co.za)
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