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Afrikas Champions: East African Breweries – eine fast hundertjährige Erfolgsgeschichte (Teil 1)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

In diesem Artikel steht die East African Breweries Ltd. aus Kenia im Fokus, der führende Bierbrauer und Getränkekonzern in der Region. Das Unternehmen nimmt 2020 erneut wie in den Vorjahren einen der Plätze im oberen Mittelfeld (Rang 90) unter den 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine ein.

Unternehmensgeschichte: „My country, my beer“

Bier ist nicht nur als Genussmittel das meistgetrunkene alkoholische Getränk auf dem Globus, sondern gehört schon seit Jahrtausenden zu den anerkannten Grundnahrungsmitteln der Menschen und wird noch heute scherzhaft als „flüssiges Brot“ bezeichnet. Nach Erkenntnissen von Archäologen soll die Erfindung des Bieres gar maßgeblich zum Sesshaftwerden der Menschheit beigetragen haben. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die europäischen Kolonialisten – in diesem Fall die Briten – bei der Besiedlung des afrikanischen Kontinents unter anderem auch ihre eigenen Produktionsmethoden für Bier in die neue Heimat mitnahmen. So wie die beiden Brüder George und Charles Hurst, „white settlers“ aus Großbritannien, die als Farmer auch erfahrene Bierbrauer waren und 1922 die Kenya Breweries Ltd. (KBL) – Vorläufer der heutigen East African Breweries Ltd. – offiziell in der damaligen britischen Kolonie „Kenya“ registrierten. Das erste Bier wurde am 14. Dezember 1922 gebraut und an das Stanley Hotel in Nairobi, die Top-Adresse in der Kolonie, geliefert, wo es den Firmenberichten zufolge auf eine „gemischte Reaktion“ der Gäste stieß (siehe hierzu die Firmengeschichte).

Jagdunfall mit Folgen – das Bier mit dem Elefantenlogo wird geboren

Im darauffolgenden Jahr 1923 fand nicht nur die erste Jahresversammlung der neuen Gesellschaft statt, sondern es kam auch zu einem tragischen Unfall: Der Firmengründer George Hurst, der wie viele der zugewanderten Briten als „white hunter“ dem Hobby der Großwildjagd frönte, wurde auf der Jagd getötet – ausgerechnet von einem der mächtigen Elefantenbullen, die wegen der gewaltigen Stoßzähne (tusk) auch „Tusker“ genannt werden. Zu Ehren des toten Bruders gab Charles dem ersten gebrauten Firmenbier den Namen „Tusker“ – ein Hinweis auf den für Briten typischen Sinn für Skurrilität und Exzentrik, aber gleichzeitig auch ein spektakulärer Marketingerfolg: Das „Tusker Lager“ mit dem Elefantenlogo wurde in den folgenden Jahrzehnten zu einem der nationalen Wahrzeichen Kenias und zu einem der populärsten Biere in Afrika (siehe dazu etwa: web.archive.org).

Den ersten Preis der Firmengeschichte erhielt das in Ruaraka außerhalb von Nairobi gebraute untergärige Bier „Tusker Lager“ auf der (noch heute stattfindenden) jährlichen Ausstellung der Kenya Agricultural Society 1924, wo der KBL der öffentliche Verkauf erlaubt wurde. Es folgte die erste umfassende „Tusker“-Werbekampagne auf Plakatwänden, in Zeitungen und Kinos. 1929 war ein weiteres wichtiges Jahr für die junge Firma, da die Unternehmensführung die Entscheidung traf, in der Herstellung Gerstenmalz anstelle von importiertem Malzextrakt zu verwenden und dadurch erhebliche Kosten im Produktionsprozess einzusparen. In den 1930er Jahren wurde aus der KBL mit der wachsenden Zahl von Anteilseignern eine Aktiengesellschaft (public company), die später als eine der ersten Unternehmen an der neu gegründeten Nairobi Stock Exchange (heutige Nairobi Securities Exchange) notiert wurde (1954). Die KBL wurde schließlich 1936 nach der Fusion mit Tanganyika Breweries aus der benachbarten britischen Kolonie Tanganyika, dem heutigen Tansania, in East African Breweries Ltd. (EABL) umbenannt. Zwei Jahre später gewann EABL den ersten Preis in einer internationalen Brauerei-Ausstellung in London, immerhin gegen 22 Konkurrenten. Der Börsengang erfolgte später 1954, als die Nairobi Stock Exchange gegründet wurde.

Kriegs- und Nachkriegszeit – Verbesserungen, Expansion und royales Flair

Der Zweite Weltkrieg ging nicht spurlos an dem Unternehmen vorüber – mit Zulieferproblemen einerseits und Nachfragewachstum andererseits. Die wachsende Zahl britischer Soldaten in der Region ließ Bierproduktion und -konsum dramatisch ansteigen. In diesen Jahren gelang es der Firma ferner, ein wesentliches Problem im Produktionsprozess zu lösen: nämlich den Mangel an geeigneter Gerste, da sich die lokal angebaute Sorte als ungeeignet erwiesen hatte und in Kriegszeiten ein Import nicht möglich war. Daher wurde 1942 erstmals ein landesweiter Wettbewerb ausgeschrieben, um die ansässigen Farmer zum Anbau geeigneter Sorten anzuspornen.

Nach dem Krieg und dem Abzug der Soldaten standen EABL wie auch andere lokale Brauereien vor dem Problem der Überkapazitäten. Die Lösung war eine Änderung des Alkoholgesetzes in der Kolonie, der „Liquor Ordinance“ von 1934, die der indigenen Bevölkerung den Konsum und den Verkauf von Bier in Flaschen verboten hatte. Dieses Verbot wurde nunmehr aufgehoben und die Vergabe von Alkohollizenzen auch an alle (einzeln aufgeführten) indigenen afrikanischen Bevölkerungsgruppen offiziell zugelassen. Damit wurde ein entsprechend großer neuer Markt geschaffen (siehe dazu etwa: nation.africa).

In den Nachkriegsjahren wurde die Expansion der EABL-Produktionsanlagen begonnen mit dem Bau einer zweiten Brauerei in Mombasa, dem Wirtschaftszentrum an der Küste des Indischen Ozeans. Die offizielle Eröffnung der Anlage im Februar 1952 durch den britischen Gouverneur Kenyas, Sir Evelyn Baring, hätte eigentlich ein ganz besonderes Highlight der Kolonialgeschichte sein sollen. Denn statt des Gouverneurs sollte eine königliche Hoheit aus dem Hause Windsor die neue Brauerei eröffnen: nämlich Prinz Philip, der sich gerade mit seiner Angetrauten, Kronprinzessin Elisabeth, im (dadurch berühmt gewordenen) „Treetops“ Hotel in Nyeri im Aberdare Nationalpark aufhielt. Und wie alle Welt weiß, musste das königliche Paar abrupt seine Kenya-Safari abbrechen, da König George VI. gestorben war und Elisabeth II. in London ihre Regentschaft antreten musste.

Am Ende dieses Jahrzehnts, kurz vor der Entlassung der britischen Kolonien Ostafrikas in die Unabhängigkeit, begann mit der Beteiligung der EABL an der Uganda Breweries in der Kolonie Uganda eine Periode der verstärkten Expansion in der Region. Dazu gehörten vor allem die Fusion mit dem wohl wichtigsten lokalen Konkurrenten Allsopps Brewery, gegründet als Taylor and Company in den späten 1930er Jahren. Es folgten 1964 die Beteiligung an der Kilimanjaro Brewery in dem seit 1961 selbständigen Tansania und 1969 die Übernahme der in Finanznöte geratenen City Brewery in Nairobi. Damit wurde EABL eine Holdinggesellschaft und die alte Kenya Breweries Ltd. (KBL) wieder ins Leben gerufen als führende Handelsgesellschaft in der EABL Firmengruppe. Gleichzeitig wurde die Ruaraka-Brauerei modernisiert und erweitert. Als besonderer Erfolg in der Firmengeschichte galt 1969 die Teilnahme in Nürnberg am 7. Weltbierwettbewerb des belgischen Qualitätsprüfungsinstituts Monde Selection, bei dem mehrere Biere aus Kenia Gold- und Silbermedaillen gewannen (Pilsner, Coast Lager, White Cap). In den 1970er Jahren, dem ersten Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit (1963), etablierte sich die EABL als eine der Wirtschaftsriesen der jungen Republik Kenia mit regelmäßigen Besuchen des ersten Staatspräsidenten Jomo Kenyatta sowie seines Nachfolgers Daniel arap Moi zu allen feierlichen Gelegenheiten, wie etwa der Grundsteinlegung zur neuen Firmenzentrale in Ruaraka oder der 50-Jahr-Feier der Firmengründung. In den 1980er Jahren setzte sich die Expansion des Unternehmens fort mit dem Bau einer dritten Brauerei in Kisumu, Westkenia sowie der Errichtung der eigenen Flaschenproduktion, Central Glass Industries.

Neue Zeit mit neuer Konkurrenz –  Nairobi-Bierkrieg

Auf dem afrikanischen Kontinent brachten die 1990er Jahre eine Zeitenwende, deren Folgen auch an der Brauereiindustrie Ostafrikas nicht spurlos vorbeigehen sollten: Die Republik Südafrika war nach dem Ende der Apartheid nicht mehr der „Outlaw“ des Kontinents, sondern mit ihrer starken Industrie neuer mächtiger Konkurrent in allen Bereichen. Und so musste sich zum Beginn des neuen Millenniums die EABL gegen die in den Markt drängende South African Breweries International (SABI) – größter Brauereikonzern des Kontinents und heute SABMiller – zur Wehr setzen. Dies ist als die Zeit der „Nairobi Beer Wars“ in die Geschichte eingegangen – denn auch in Afrika spielen Bierpreis und -versorgung eine ähnlich wichtige Rolle für die breite Bevölkerung wie traditionell in Europa und anderen Teilen der Welt.

Der Kampf um den kenianischen Biermarkt schaffte es sogar zu Schlagzeilen in der New York Times. Dem eingesessenen Braukonzern, der damals nach Schätzungen mehr als 95 Prozent des Marktes hielt, wollten die Südafrikaner gern 20 bis 30 Prozent in wenigen Jahren abnehmen. Damals wurde dann die Marke „Tusker“ zu einer Art patriotischem Symbol – mit dem erfolgreichen Marketing-Slogan: „Bia Yangu, Nchi Yangu“, oder auch in Englisch: „My country, my beer“. Dies war in einem Land, dessen Einwohner sich (bis heute) noch in erster Linie durch ihre Stammesherkunft identifizieren, eine durchaus riskante Strategie, die jedoch bei der Bevölkerung ankam.

Der immerhin vier Jahre andauernde „Krieg“ wurde schließlich beendet durch einen ausgehandelten Lizenz- und Beteiligungsvertrag zwischen den Konzernen, die sich jeweils mit 20 Prozent an einem Tochterunternehmen des anderen beteiligten: die Südafrikaner an der EABL-Tochter KBL und EABL an der SABI-Tochter Tanzania Breweries Ltd. Gleichzeitig zog sich SABI aus dem kenianischen Markt zurück, während die Kenianer sich aus Tansania zurückzogen (siehe dazu: sharenet.co.za) Einige Jahre später kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Partnern über Qualitätsmängel beim Bierverkauf in Tansania und der nachfolgenden Auflösung der Vereinbarungen (vgl. auch oeclaw.co.uk). EABL ihrerseits expandierte in den Nullerjahren in die benachbarten EAC-Staaten (East African Community) Tansania und Uganda durch Beteiligungen an eingesessenen lokalen Brauereien, wie Serengeti Breweries Ltd./SBL und International Distillers Uganda Ltd. (vgl. auch web.archive.org).

EABL-Dominanz ungebrochen – Kenia drittgrößter Biermarkt in Afrika

Für die internationale Alkoholbranche gilt der afrikanische Kontinent als ein besonders wachstumsträchtiger Zukunftsmarkt. Wesentliche Faktoren für steigenden Alkoholkonsum sind die zunehmende Mittelklasse – bewirkt durch anhaltend hohes Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum – sowie auch die im Schnitt junge Bevölkerung. Allerdings haben sich bisher die meisten afrikanischen Länder als eher marginale Märkte für die Branche erwiesen, während die Hauptkonsumenten auf wenige Länder verteilt sind (siehe dazu etwa einen Bericht in der kenianischen Business Daily unter: businessdailyafrica.com.) Danach ist Kenia mit einem Anteil von etwa 17 Prozent an den afrikanischen Umsätzen nur knapp hinter Südafrika (18) führender Alkoholkonsument, während das bevölkerungsreichste afrikanische Land Nigeria (190 Mio.) mit 36 Prozent mit weitem Abstand die Spitzenposition einnimmt. Alle anderen Länder kommen auf nicht mehr als etwa 5 bis 6 Prozent Marktanteil. Diese Zahlen sind zwar einige Jahre alt, doch dürften sie auch die heutige Größenordnung noch in etwa widerspiegeln.

Am kenianischen Markt hält EABL unangefochten die Spitzenposition mit stabilen 90 Prozent bei Bier und über 50 Prozent bei Spirituosen, wenn auch in den letzten Jahren die Konkurrenz durch kleine lokale Brauereien sowie internationale Marken wie z. B. Heineken, Carlsberg, Tuborg, SABMiller oder auch die Kenya Wine Agencies Ltd. (KWAL) stärker geworden ist (siehe dazu etwa: businesswire.com). Eine komplettes Verzeichnis der in Kenia verkauften Getränkemarken findet sich unter: nairobidrinks.co.ke/beer/beer. EABL’s aktuelle Produktpalette an Bieren für die drei ostafrikanischen Märkte Kenia, Tansania und Uganda findet sich im letzten Jahresbericht des Unternehmens. Darüber hinaus vermarktet EABL seit der Beteiligung des internationalen Diageo-Konzerns, Nachfolger der britischen Guinness-Brauerei, zahlreiche Marken aus deren Produktpalette alkoholischer und nicht-alkoholischer Getränke in ihren Absatzländern, die außerhalb der EAC (mit Ruanda und Burundi) auch Südsudan umfasst (siehe dazu auch Einzelheiten unter: marketresearch.com).

Weiterlesen

Lesen Sie im übernächste Woche erscheinenden Teil 2 unter anderem über die Geschäftsstrategie des Konzerns: East African Breweries – eine fast hundertjährige Erfolgsgeschichte (Teil 2) (14.12.2020).

Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:

(Bildnachweis: Adobe Stock – JackF)

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