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Afrikas Champions: Cosumar aus Marokko – Marktführer im Agroindustrie-Geschäft (Teil 2)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht der führende marokkanische Zuckerkonzern Cosumar. Das über 90jährige Unternehmen ist in der Region sowie auch weltweit aktiv und besetzt seit Jahren einen Rang im oberen Drittel (2020: Nr. 69) der 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine.

Geschäftsmodell und Strategie: Effiziente Landwirtschaft und hochwertige Endprodukte – die ganze Wertschöpfungskette

Die firmeneigene Strategie umfasst alle drei Stufen der Wertschöpfungskette (siehe dazu die Ausführungen im Annual Report 2019): auf Stufe 1 die kontinuierliche Verbesserung der nationalen Agrarproduktion durch Ertragssteigerung, Mechanisierung und Automatisierung sowie Einsatz von erneuerbaren Energien; auf Stufe 2 die Optimierung der industriellen Kapazitäten der firmeneigenen Zuckerraffinerie; und auf Stufe 3 die Stärkung der externen Marktposition der Firmengruppe mit Schwerpunkt auf dem Mittleren Osten und Afrika mit Hilfe von zusätzlichen Raffineriekapazitäten sowie Produktdiversifizierung im Sektor Zucker (siehe dazu Näheres im Abschnitt „Internationalisierung“).

Das eigene nationale „Ökosystem“ des Zuckerkonzerns erstreckt sich über das ganze Land und umfass rund 80.000 angeschlossene Farmer, über 350 landwirtschaftliche Dienstleistungsbetriebe, 90 Verteilungszentren für landwirtschaftliche Bedarfs- und Einsatzstoffe und fünf eigene Transportbetriebe. Die Hauptaktivität der Firmengruppe besteht in Herstellung und Vertrieb von Zucker in allen möglichen Formen, darunter Zuckerstücke, Granulat, Zuckerhüte usw.. Hauptkunden sind der Großhandel, die Nahrungsmittelindustrie sowie die pharmazeutische Industrie. Der Vertrieb erfolgt landesweit über angeschlossene Agenturen. Cosumar ist Marktführer in Marokko für Produktion, Import, Verpackung, Marketing und Vertrieb von Zucker mit einem Anteil an der nationalen Produktion in dem Bereich von 70 Prozent. Dazu passt das als übergeordnetes Unternehmensziel der Gruppe vorgegebene Motto: „Die Erhaltung der Zuckerindustrie und Sicherung ihrer Wirtschaftlichkeit auf allen Stufen der Wertschöpfungskette“.

Damit sieht sich die Firmengruppe in einer wesentlichen Rolle für den Wachstumspfad der Wirtschaft Marokkos, in der dem Agrarsektor eine wichtige Bedeutung zukommt. Durch die Modernisierung der Zuckerindustrie will die Cosumar-Gruppe den Sektor zu einem der Schlüsselsektoren für das weitere wirtschaftliche Wachstum des Landes machen. Hierbei wird Bezug genommen auf eine Vereinbarung, die zwischen dem Staat und dem Branchenverband der Zuckerwirtschaft (Fima Sucre) 2008 geschlossen wurde, als Teil des Projekts „Plan Maroc Vert“ oder „Green Morocco“. Zu den Zielen dieses Projekts gehörte im Sektor Zucker eine substanzielle Steigerung der nationalen Produktion im Lauf von fünf Jahren um rund 50 Prozent auf annähernd 660.000 t. Der Beitrag der Cosumar zu diesem nationalen Programm umfasste Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität und Qualitätssteigerung der Ernten, verbesserte Bewässerungssysteme, Weiterentwicklung der industriellen Verarbeitung durch Kostenoptimierung in den Bereichen Energie und Logistik, Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie Verbesserungen in den Sektoren Marketing und Distribution.

Im Cosumar-Konzern war bereits nach Übernahme der vier nationalen Zuckergesellschaften 2005 ein Programm unter dem Namen „INDIMAGE 2012“ gestartet worden, in dessen Verlauf eine 20prozentige Ertragssteigerung pro Hektar erzielt wurde. Dies gelang unter anderem durch Einführung umfassender Mechanisierung bei Anbau und Ernte sowie moderner Bewässerungsmethoden (sogenannte drip irrigation / Tropfbewässerung). Mit Investitionen von annähernd 400 Mio. Dirham (umgerechnet etwa 38 Mio. €) wurde die Raffinerie modernisiert durch Automatisierung von Verarbeitung und Verpackung, Qualitätsverbesserungen der Endprodukte sowie Steigerung der Produktivität. Die Forschungsabteilung erhielt den Auftrag, laufende Neuentwicklungen an aktuellen Entwicklungen der Konsumentenansprüchen an Qualität und Verpackung auszurichten. Für die weitere Modernisierung der Verarbeitungsanlagen wurden Investitionen in der Größenordnung von umgerechnet rund 150 Mio. € veranschlagt sowie weitere 190 Mio. € für die laufende Modernisierung der Raffinerie in Casablanca.

Programm zur Steigerung der Energieeffizienz in der Agroindustrie

Im besonderen Fokus der Unternehmenspolitik steht die laufende Erhöhung der Energieeffizienz. Dazu wurden laut Jahresbericht 2019 in den zurückliegenden rund 15 Jahren erhebliche Investitionen in spezielle Technologie getätigt, um Energiekosten zu reduzieren und die Energieeffizienz auf allen Stufen der Produktion zu erhöhen. Dazu wurden zusätzlich zum Einsatz konventioneller fossiler Brennstoffe seit 2012 mit dem Einsatz alternativer Energie durch die Nutzung von Biomasse aus Oliventrester für Dampfkesselanlagen. Zu der Strategie für Nachhaltigkeit gehören ferner umfangreiche Recyclingmaßnahmen etwa für die Verwendung von Zuckerrüben-Molasse als Viehfutter und Zuckerrohr-Bagasse als alternativer Brennstoff für den Betrieb der Verarbeitungsanlagen. Nach Angaben des Unternehmens gelang es, den Energieverbrauch zwischen 2005 und 2019 um 26 Prozent zu senken.

Zu den im Firmenbericht genannten Nachhaltigkeitsprojekten der vergangenen 15 Jahre zählen neben der Verwendung umweltfreundlicher Energiequellen auch Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauchs, der auf allen Stufen der Zuckerproduktion erheblich ist. Die wassersparenden Initiativen umfassen etwa die Entwicklung neuer trockenheitsresistenteren Saaten, Verbesserung der Bewässerungstechnik und Verbesserung des Bewässerungsmanagements. Hinzu kommen Wassersparmaßnahmen im industriellen Prozess unter anderem durch die Wiederverwendung von Kondenswasser usw..

Cosumar war auch einbezogen in eine Veranstaltung zur „Energieeffizienz in der marokkanischen Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft“ im Rahmen der Exportinitiative Energie – German Energy Solutions Initiative der Bundesregierung mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Herbst 2020. Die ursprünglich als Geschäftsreise mit Fachkonferenz geplante Veranstaltung musste aufgrund der Corona-Pandemie online durchgeführt werden. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Marokko (AHK Marokko) in Zusammenarbeit mit der Renewables Energy Academy (RENAC).

Speziell im Fokus standen auf deutscher Seite die Unternehmen aus den Sektoren Bioenergie, Solarenergie, Energieinfrastruktur, Industrie- und Gewerbeeffizienz sowie Energiespeicher. Im Einzelnen gehörten dazu Modul- und Komponentenhersteller speziell für PV und PV Hybrid, Anlagen- und Komponentenhersteller Biogas / Waste-to-Energy, Komponentenhersteller zur Behandlung von Klärschlamm / Deponiegas, Anbieter von Speichertechnologien, Projektentwicklung / EPC (Engineering/Procurement/Construction), Ingenieurbüros, Anbieter von Steuer- und Regeltechnik, Monitoring-Systemen, Anbieter für Q&M (Qualifizierung und Betreuung lokaler Fachkräfte und Berater zu Implementierung von DIN ISO 50001 (Norm für Energiemanagement)).

Zu den potenziellen Kundensegmenten auf marokkanischer Seite gehörten neben der Zuckerindustrie, speziell der Gruppe Cosumar, auch Getränkehersteller wie Boissons du Maroc (SBM), Getreidemühlen, Getreidehersteller und Vertriebsorganisationen wie TRIA, landwirtschaftliche Kooperativen wie Copag, Erzeugergruppen wieLes domaines Agricoles, OCP Group Marokko, Aicha Konservenfabrik in Meknès, Fischkonservenfabrik Silverfood in Casablanca und die Schokoladenfabrik Aiguebelle. Zu der Exportinitiative des BMWi wurde von der AHK eine ausführliche Zielmarktanalyse vorgelegt.

Internationalisierung: Weltweiter Export und Expansion in der Region

Seit den umfangreichen Investitionen in Modernisierung und Ausweitung der Verarbeitungskapazitäten produziert die Cosumar-Gruppe etwa seit 2013 einen substanziellen Überschuss über den nationalen Bedarf hinaus (siehe dazu: Annual Report 2019). Durch die Hereinnahme des neuen strategischen Investors Wilmar International erhielt Cosumar, wie die Firmenleitung selbst berichtet, die notwendige Expertise für ihr Exportgeschäft. Daher konnten die Ausfuhren des Unternehmens von 2015 bis 2019 mehr verdoppelt werden auf annähernd 520.000 t, die in rund 40 Länder geliefert werden. Damit wird derzeit ein knappes Drittel der Gesamtproduktion von Weißzucker exportiert. Die Absatzmärkte von Cosumar befinden sich konzentriert vor allem in Ostafrika, Westafrika sowie dem Mittleren Osten, hinzu kommen einige Märkte in Südasien sowie auch USA und Brasilien als Absatzländer auf dem amerikanischen Kontinent.

Ein wichtiger Teil der regionalen Expansionsstrategie betrifft den Aufbau von bisher zwei Niederlassungen in den letzten drei Jahren, von denen aus die umliegenden Länder mit bearbeitet werden: Dies ist zum einen die neue Raffinerie in Saudi Arabien, Durrah Sugar Refinery, eine Kooperation zwischen Cosumar (ca. 43 Prozent Beteiligung) und den saudischen Partnern Saudi Arabian Consolidated Brothers Co. und Industrial Projects Development Co.. Mit einer Kapazität von 850.000 t Weißzucker soll die neue Fabrik den lokalen saudischen Markt sowie auch die MENA-Region (Middle East/North Africa) beliefern.

Die zweite Niederlassung von Cosumar ist Teil der vertikalen Integrationsstrategie der Firmengruppe und befindet sich im westafrikanischen Conakry, Guinea: Dort ist Cosumar Hauptanteilseigner der Compagnie Maroco-Guinéenne de Sucre (Comaguis), einem Verpackungs- und Marketingbetrieb, in Kooperation mit der guineischen Gesellschaft Sogecile, dem lokalen Spezialisten für die Verpackung von Weißzucker. Bei Comaguis wird Importzucker aus der Casablanca-Raffinerie abgepackt zur Vermarktung in Guinea selbst sowie in den umliegenden Ländern über den Hafen von Conakry. Die Investition soll der marokkanischen Firmengruppe dazu verhelfen, auch in Westafrika zu einem führenden Player der regionalen Agroindustrie  zu werden (siehe auch unter: www.kapitalafrik.com). Berichten zufolge hat sich Cosumar auch stark für die führende senegalesische Zuckergesellschaft CSS interessiert, doch scheiterten die Verhandlungen an den sehr unterschiedlichen Preisvorstellungen.

Kooperation mit lokalen Partnern strategisch wichtig für die Vertikalisierung

Zum Schluss bleibt die Frage, was deutsche Unternehmen für ihr potenzielles Afrika-Geschäft speziell im Bereich Agroindustrie von der marokkanischen Cosumar lernen können. Dabei sind mehrere Aspekte zu erwähnen, darunter zunächst die Strategie des organischen Wachstums mit der sukzessiven Ausweitung der Geschäftsbasis in einer ausgewählten Region, in der die betreffenden Rohmaterialien lokal verfügbar sind. Bei der Vermarktung bieten sich vor allem strategisch günstige Standorte zur Bearbeitung umliegender Märkte an. Kooperationen mit lokalen Partnern sollten Expertise auf verschiedenen Stufen der vertikalen Integration einbringen. Wenn ein strategischer Investor hereingenommen wird, so sollte dieser  zwar einen substanziellen Anteil – wie bei Cosumar rund 30 Prozent – erhalten, jedoch keine übermächtige Dominanz erlangen, damit möglichst ein nennenswerter Teil des Aktienkapitals dem Börsenhandel zur Verfügung steht.

Weiterlesen

Lesen Sie in Teil 1 unter anderem über die Geschichte des Unternehmens: “Cosumar aus Marokko – Marktführer im Agroindustrie-Geschäft (Teil 1)” (07.06.2021).

Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:

(Bildnachweis: www.cosumar.co.ma)

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