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Afrikas Champions: Adcock Ingram aus Südafrika – Pharma-Konzern mit anhaltendem Expansionsdrang (Teil 2)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht der südafrikanische Pharmakonzern Adcock Ingram. Das Unternehmen mit seiner fast 130jährigen Geschichte ist die Nr. 2 der Marktführer in Südafrika (nach Aspen) und besetzt auch einen Rang im Mittelfeld (2020: Nr. 148) der 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine.

Geschäftsmodell und Strategie: Diversifizierung in weniger regulierte Marktsegmente

In der jahrzehntelangen kontinuierlichen Expansion und Übernahme erfolgreicher Wettbewerber in verschiedenen Segmenten des Pharmamarktes äußert sich die grundlegende Firmenstrategie von Adcock Ingram als Hersteller, nämlich die möglichst breite Aufstellung in allen wichtigen pharmazeutischen Marktsegmenten: Dies sind der Spezialmarkt der verschreibungspflichtigen Medikamente, das weite Angebot von frei verkäuflichen Präparaten, der besondere medizinische Bedarf der Krankenhäuser für Operationen und Intensivbehandlungen sowie der breite Markt an Konsumerzeugnissen aus dem pharmazeutisch-chemischen Bereich. Hierbei ist nach Erklärung der Firmenleitung ein wichtiges strategisches Ziel von Übernahmen die zunehmende Diversifizierung in weniger regulierte Marktsegmente in den konsumnahen Bereichen, wie etwa Haushaltspflegemittel.

Um die Position des Konzern als einer der Top-Marktführer in Südafrika zu erhalten und abzusichern, will Adcock auch weiterhin sein Portfolio in neue Angebotssegmente erweitern, darunter vor allem: Opioid-Substitute, orale und intravenöse Analgetika, andere intravenöse Präparate, Immunsuppressiva sowie unter anderem Hand- und Oberflächen-Desinfektionsmittel. Zu den strategischen Konstanten der Firmenpolitik gehört grundsätzlich eine enge Beziehung zu den Playern im staatlichen Gesundheitswesen, das vom Gesundheitsministerium (Department of Health) überwacht wird. Rund 80 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung nehmen das staatliche Gesundheitswesen in Anspruch und nur 20 Prozent private Einrichtungen (Einzelheiten dazu unter: expatica.com).

Als wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie und die Grundlage der geschäftlichen Entwicklung ist die breit aufgestellte Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Konzerns anzusehen. Das firmeneigene Entwicklungslabor gehört zu den insgesamt neun Qualitätskontroll-Laboren in Afrika, die (Stand 2020) den Standards der WHO entsprechen und die sogenannte Pre-Qualification Accreditation erhalten haben. Das Adcock-Labor ist eines von drei in Südafrika. Zu den einzelnen Bereichen der Forschungsabteilung gehören Formulierungsentwicklung (Dosierung von Tabletten, Dragees, Tropfen, Salben usw.), Analyseentwicklung (Entwicklung analytischer Methoden für Pharmazeutika), Entwicklung von Testverfahren (u. a. für langfristige Stabilität und Lagerungsbedingungen von Pharmazeutika), Qualitätsüberwachung und Projektmanagement. Als fundamentale Prinzipien der Forschungsstrategie gelten: Abstimmung des Konzepts auf den Konsumenten, Erhaltung der Marke mit Blick auf Marktanteil und Produktstandard sowie Sicherung hoher Qualitätsstandards bei Innovationen und neuen Technologien.

Auf der betrieblich-organisatorischen Ebene gehört zu den wichtigsten strategischen Maßnahmen die Optimierung des Distributionssystems bzw. der Distributions-Infrastruktur, und zwar im Sinne einer direkt auf den Kunden abgestimmten Strategie (sogenannte direct to customer distribution strategy). Die Optimierung dieser Infrastruktur hat sich der Konzern nach eigenen Angaben Gesamtinvestitionen in der Größenordnung von einer Milliarde Rand, umgerechnet nahezu 60 Mio. Euro, kosten lassen. Zu den neu geschaffenen Fazilitäten gehören unter anderem Schüttgutlager sowie auch ein hochmodernes neues Feinkommissionier-System (fine picking system), um das Management des Lagerumschlags zu verbessern und den Partnern eine umfassende Logistiklösung zur Verfügung stellen zu können. Zu der breiten Palette an Dienstleistungsangeboten gehören Warenlager, Distribution, innerbetrieblicher Versand, Auftragserfassung und Kundenservice. Um die Logistikleistungen zu optimieren, hat der Konzern 2020 unter anderem ein mehrjähriges Kooperationsabkommen mit dem Logistikkonzern RTT Logistics abgeschlossen. Die strategischen Schlagworte der Firmenpolitik bei Adcock Ingram sind: qualitativ hochwertige Standards und Verfahren, exzellentes Teamwork und gute Kundenbeziehungen. Und was nicht vergessen werden soll im heutigen Zeitalter: der Aspekt der Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit – es sollen langfristige Lösungskonzepte gefunden werden, um den „carbon footprint“ der Logistikkonzepte zu reduzieren.

Internationalisierung: Wettbewerbsvorteil durch Indien-Engagement – In Afrika Fokus auf Vertriebskonzepten

Zu den wesentlichen grenzüberschreitenden Operationen gehören zunächst die verschiedenen Abschlüsse von Kooperationen mit ausländischen Marktführern. So hält die jahrzehntelange US-südafrikanische Partnerschaft mit Baxter International bis heute und wurde zuletzt 2008 um weitere 15 Jahre verlängert. Wichtige neue multinationale Kooperationen betrafen 2010 vor allem eine Zusammenarbeit mit zwei Schweizer Pharmafirmen von Weltrang, so die Firma MSD Lilly mit den Schwerpunkten Onkologie, Impfstoffe, Immunologie und Diabetes sowie mit dem Biotechnologie- und Pharmakonzern Novartis.

Eines der ersten Engagements als Investor außerhalb der Grenzen Südafrikas war der Erwerb von führenden OTC-Marken im benachbarten Simbabwe im südafrikanischen „Wendejahr“ 1994. Weitere Engagements folgten im südlichen Afrika, so die Übernahme eines 50 Prozent-Anteils an der führenden Pharmafirma Datlabs aus Bulawayo/Simbabwe, die dann 2012 vollständig von Adcock übernommen wurde. Das Unternehmen streckte seine Fühler auch in andere Regionen Afrikas aus und gründete 2009 eine Niederlassung im ostafrikanischen Kenia. Ein Jahr später erwarben die Südafrikaner einen Mehrheitsanteil (62,2 Prozent) an der Ayton Drug Manufacturing Ltd. in Ghana. Für die Zukunft kündigte der Konzern jedoch an, auf dem afrikanischen Kontinent nicht mehr in feste betriebliche Infrastrukturen zu investieren, sondern nur in interessanten Märkten den Absatz über Vertriebsfirmen oder Agenturen zu organisieren. Daher soll etwa die Niederlassung in Nairobi/Kenia demnächst geschlossen werden. Über die Motivation kann zum jetzigen Zeitpunkt nur spekuliert werden, doch liegt es nahe, dass Kostengesichtspunkte sowie auch Aspekte der Risikominimierung hier eine Rolle spielen.

Ein verstärktes Engagement außerhalb Afrikas begann im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums. So ging Adcock 2007 ein Joint Venture mit einem führenden indischen Partner ein, Medreich Ltd., die für über 50 Pharmamultis weltweit Generika produzierten und gründete ihre indische Niederlassung Adcock Ingram India. Dazu muss man wissen, dass die Beziehungen zwischen Südafrika und (insbesondere aufgrund der vielen indischstämmigen Einwohner Südafrikas) generell lebhaft sind, dies besonders in bestimmten Märkten wie unter anderem auch Pharmazeutika (siehe dazu eine ausführliche Untersuchung unter: thehindubusinessline.com). Mit dem Erwerb des führenden indischen Pharmaherstellers Cosme Farma Ltd. einige Jahre später (2013) besaß Adcock ein Portfolio von rund 60 Medizinpräparaten sowie ein Vertriebsnetzwerk in fast allen der rund 30 indischen Bundesstaaten und Provinzen. Als zusätzlicher Nutzen der Übernahme galt zudem das damalige Milliarden-Dollar-Projekt der indischen Regierung zur kostenlosen Versorgung der Bevölkerung mit Generika. Bis heute ist Adcocks Fabrik im südindischen Bangalore die einzige ausländische Produktionsanlage des Konzerns, die dem Unternehmen gegenüber der Konkurrenz im Heimatmarkt einen Wettbewerbsvorteil aufgrund günstiger Kostenstruktur verschaffen soll.

Zum Schluss bleibt die Frage, was speziell deutsche Unternehmen von Adcock Ingram für ihre Marktbearbeitung und Expansion auf dem afrikanischen Kontinent lernen können – oder vielmehr: ob es auch für deutsche Unternehmen Sinn machen könnte, in Afrika eine ähnliche Expansions- und Übernahmestrategie wie Adcock zu verfolgen. Dies bedeutet ja in der Praxis eine grundsätzlich andere Strategie, als sie häufig deutsche Anbieter gerade auch im Sektor Gesundheitsversorgung in Afrika verfolgen: nämlich eher Nischenmärkte etwa mit technologisch hochqualifizierten Produkten zu bedienen oder als Pharmakonzern ein begrenztes Angebot besonders nachgefragter Marken in bestimmten Bereichen, neben Pharmaprodukten und Medizintechnik auch Agrochemie usw., zu vermarkten. Ob für eine langfristige und nachhaltige Marktstrategie eine so breite Aufstellung und Diversifizierung wie bei Adcock mehr Erfolg verspricht, ist jedoch fraglich – immerhin müssen bei einer solchen Strategie hohe Ressourcen gebunden und auch im Einzelnen viele Risiken in Kauf genommen werden. Eine wesentliche Entscheidung bei einer breit angelegten Marktstrategie ist immer die Auswahl einer – oder ggf. auch mehrerer – geeigneter Produktionsstätten gegenüber den Märkten, die nur mit Hilfe einer Vertriebsorganisation bedient werden.

Weiterlesen

Lesen Sie in Teil 1 unter anderem über die Geschichte des Unternehmens: Adcock Ingram aus Südafrika – Pharma-Konzern mit anhaltendem Expansionsdrang (Teil 1) (23.08.2021)

Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:

(Bildnachweise: adcock.co.za “SShow-Clayville”)

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