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Afrikas Champions: Kenya Commercial Bank – ein regionales Schwergewicht im Finanzsektor

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht die kenianische Bankengruppe KCB Holdings. Das Unternehmen mit seiner fast 130jährigen Geschichte ist Marktführer in Ostafrika und liegt auf Platz 20 nach der Top-1.000-Liste des „Banker Magazine“ (Afrika). Auch im jährlichen Ranking des „African Business Magazine“ besetzt die KCB Group einen Platz im Mittelfeld der 250 Top-Unternehmen Afrikas.

Unternehmensgeschichte: Es begann mit dem Eisenbahnbau von der Küste zum Viktoriasee

Die Geschichte der Kenya Commercial Bank (KCB) reicht – wie so vieles in Kenia – tief in die Kolonialzeit zurück. In dem Wettstreit zwischen den drei damaligen Kolonialmächten Großbritannien, Deutschland und Frankreich während der 1880er Jahre hatten sich die Briten einen großen Teil Ostafrikas als Einflussgebiet sichern können. Nur einige kleinere Gebiete waren unabhängig geblieben, darunter auch das Sultanat der Insel Sansibar. Die Briten erklärten 1890 Sansibar zu ihrem Protektorat und zwei Jahre später zu einem Freihafen. Der daraus resultierende zollfreie Warenverkehr führte zu einem Handelsboom in der Region, der die Aufmerksamkeit der National Bank of India (NBI) auf sich zog, Nachfolgerin der Calcutta City Banking Corporation und seit 1864 als britische („anglisierte“) Bank von London aus operierend. Einer der Direktoren war der britische Reeder und Geschäftsmann William Mackinnon, Gründer der British East Africa Association (BEA). Diesem wird eine treibende Kraft bei der Entscheidung der NBI zugeschrieben, 1893 eine Zweigstelle auf Sansibar im heutigen Tansania zu errichten.

Drei Jahre später wurde die NBI-Zweigstelle in der Küstenstadt Mombasa im heutigen Kenia als Keimzelle der heutigen KCB gegründet, beflügelt vom Baubeginn der berühmten Eisenbahn von Mombasa quer durch die ostafrikanische Hochebene bis ins heutige Uganda. Dieses wegweisende Großprojekt brachte Tausende von Arbeitern, Ingenieuren und Geschäftsleuten in das offiziell errichtete neue britische Protektorat Ostafrika. Die britische Regierung hatte am 1. Juli 1895 die Verwaltung des Territoriums von der Imperial British East Africa Company (IBEAC), der früheren British East Africa Association (BEAA), übernommen (einen Überblick der Geschichte gibt es hier.)

Von Mombasa ins ganze Land – Unabhängigkeit, Staatskontrolle und neuer Name

Die NBI-Zweigstelle in Mombasa war ausschließlich für die Großbritannien und sein damaliges Kolonialland Indien betreffenden Geschäfte gegründet worden, handelte mit internationalen Währungen und bediente als Kunden auch nur die europäischen und indischen Bevölkerungsgruppen im Protektorat. Die Bank hatte keine Konkurrenz, wuchs entsprechend schnell und eröffnete 1904 eine Niederlassung im Stadtzentrum von Nairobi. Dort gehörten zu den ersten Kunden vor allem die vom Klima der ostafrikanischen Hochebene angezogenen englischen Aristokraten, wie etwa die Betreiber des „ersten Hauses“ am Platze, „The Stanley Hotel“. Mit dem Fortschritt des Eisenbahnbaus entstanden neue Zweigstellen der Bank in allen an der Strecke liegenden städtischen Siedlungen, wie Nakuru, Eldoret, Kitale, Thika, Nyeri und Nanyuki.

Mehr als 50 Jahre operierte die NBI unter diesem Namen, bis sie einige Jahre vor der Unabhängigkeit Kenias die kleinere britische Grindlays Bank übernahm und fortan als National and Grindlays Bank (NGB) firmierte. Nach der Unabhängigkeit Kenias 1963 erwarb die neue Regierung sukzessive die NBI-Kapitalanteile und übernahm 1970 die vollständige Kontrolle über die Bank, die in Kenya Commercial Bank (KCB) umbenannt wurde. Zwei Jahre später erwarb die KCB die auf Hypothekenfinanzierung spezialisierte Savings & Loan Kenya Ltd., dies offensichtlich in dem Bestreben der neuen Regierung, den privaten Wohnungsbau breiter Bevölkerungsschichten zu fördern.

Seit den späten 1980er Jahren ist die KCB privatisiert, mit staatlicher Minderheitsbeteiligung, und an der Börse in Nairobi notiert. Das Unternehmen ist mit über 200 Zweigstellen, einem Einlagenbestand von umgerechnet rund 5,5 Mrd. US$ und einem Vermögensbasiswert von über 7 Mrd. U$ bis heute die größte Geschäftsbank in Kenia, das den am weitesten entwickelten Bankensektor in der Region aufweist. Mit einem Kundenstamm von über 28 Mio. – rund ein Zehntel der EAC-Einwohner –  ist die KCB auch führend in der Region (Finanzjahr 2021, Einzelheiten gibt es hier). Die traditionsreiche Bank erhält regelmäßig Auszeichnungen bei regionalen und internationalen „Best of“-Wettbewerben, so etwa „Kenya’s Best Bank 2021“ oder auch „Africa’s Best Responsible Bank“ in den „Euromoney Awards for Excellence“ sowie den Titel „Most Innovative Banking Brand“ in Kenia bei den „Global Brands Magazine Awards“ 2021 (Einzelheiten gibt es hier).

Eigentümer und Management: Mehr internationale Investoren – Auch ein Deutscher im Board

Bei dem Börsengang der KCB 1988 stellte die kenianische Regierung ihre ersten 20 Prozent Anteile an KCB zum Verkauf und reduzierte in der Folge sukzessive ihre Beteiligungen auf zuletzt knapp 20 Prozent (siehe dazu hier). Damit ist der kenianische Staat weiterhin der größte einzelne Kapitaleigner, gefolgt von einigen institutionellen nationalen und internationalen Anteilseignern, die beiden größten davon der National Social Security Fund Kenya (NSSF) mit rund 8 Prozent und der norwegische Staatsfond, Norges Bank Investment Management, mit knapp 2 Prozent. Annähernd 80 Prozent der Anteile werden frei an der Börse gehandelt.

Seit Jahren bemühte sich die Bankengruppe gezielt um die Anziehung internationaler Investoren, deren Anteile von 2009 bis 2018 von rund 3 Prozent auf annähernd 30 Prozent anstiegen (siehe dazu hier). Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Bank bei in- und ausländischen Anlegern dürfte die positive Gewinnentwicklung sein, die sich zuletzt nach einem pandemiebedingten Einbruch (2020) rasch wieder verbesserte und die Grundlage für wachsende Kapitalausschüttungen an die Anteilseigner bildete (siehe dazu hier).

Was bei der Zusammensetzung des Managementteams auffällt, ist ein relativ häufiger Wechsel an der Spitze, mit Ablösung des CEO nach etwa vier Jahren. Zuletzt wurde Paul Russo im Mai 2022 in die Position berufen zur Ablösung von Joshua Oigara, der seit 2018 an der Spitze des Konzerns gestanden hatte. Das Managementteam wurde 2021 deutlich verkleinert und umfasst gegenwärtig noch zehn Direktoren, davon zwei geschäftsführende (Executives) und auch zwei Frauen. Hierbei sind praktisch alle Regionen und Ethnien Kenias vertreten, was auch heute noch in einem kenianischen Großunternehmen eine Rolle spielt. Einen lesenswerten Einblick in diesen Themenkomplex gibt ein Interview mit dem neuen CEO Paul Russo. Als einziger Ausländer gehört seit 2019 auch ein Deutscher dem Direktorengremium an, Joachim Steuerwald als Chief Technology Officer, mit langjähriger Erfahrung u.a. bei der Deutschen Bank und Airbus.

Geschäftsmodell und Strategie: Mobile Banking, Mittelstand, Frauenförderung, Internationalisierung

Das von der Regierung verordnete Hauptziel der KCB als größte Geschäftsbank im Land war von Anfang an, Bankgeschäfte auch für die breite Bevölkerung erschwinglich zu machen. Ein besonders wichtiger Schritt in diese Richtung war zuletzt das 2007 in Kenia (von der Vodafone-Tochter Safaricom) „erfundene“ Mobile Banking „M-Pesa“, das Zahlungstransaktionen und Bankgeschäfte über Handy einführte und so vielen Millionen Kleinkunden ohne reguläres Bankkonto Finanzgeschäfte ermöglicht. Auch die KCB Group gehört zu den Finanzierungsinstituten, die inzwischen diverse Finanzierungsinstrumente wie Kreditvergaben und Sparkonten als mobile Produkte anbieten. Vor allem die mobile Kreditvergabe wurde bei KCB verstärkt seit Beginn der Pandemie genutzt und wuchs 2021 um 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Ausgerechnet im ersten Pandemiejahr 2020 startete die KCB Group ihren neuen mehrjährigen Strategieplan (bis 2023), genannt „Beyond Banking“ mit den Schwerpunktthemen: Kundenzufriedenheit und Digitalisierung, hier u. a. mit Einführung der online-Kontoeröffnung (Einzelheiten hierzu im Jahresbericht 2020). Kernelemente des Strategieplans sind verschiedene Initiativen zur Vereinheitlichung der Bankleistungen in allen Gruppenunternehmen in den Bereichen Kundenbetreuung, Weiterentwicklung elektronischer Kommunikationstools sowie erweiterte Leistungen in speziellen Kundensegmenten: hier vor allem verbesserte Finanzdienstleistungen für die klein- und mittelständische Wirtschaft (MSME).

In dem MSME-Segment sind in der Praxis erleichterte Garantiebedingungen bei der Kreditvergabe besonders interessant für die in der Regel finanzschwachen Kleinunternehmen. So beteiligt sich die KCB u. a. an den staatlichen Kreditgarantie-Instrumenten und anderen staatlichen Finanzierungssystemen, bietet neue Kreditmöglichkeiten speziell für betrieblichen Cash-Flow, u. a. mit erleichterten Überziehungsmodalitäten, sowie Umschuldungen etwa für die von den Pandemiemaßnahmen besonders betroffenen Unternehmen. Ein weiteres im Fokus stehendes Kundensegment ist die gezielte Unterstützung von Unternehmerinnen – dies als besonders fortschrittliche Initiative in einem traditionell männlich dominierten und hierarchisch strukturierten afrikanischen Land. Im Berichtszeitraum wurde nach Bankangaben die Anzahl der Kundinnen und Unternehmerinnen in diesem Segment um rund 130 Prozent gesteigert.

Auch in einer speziellen neueren Nische in dem traditionell multikulturellen Ostafrika mit starkem islamischen Bevölkerungsanteil engagiert sich die KCB: dem sogenannten Islamic Banking, das seit etwa 2015 zu den Leistungsangeboten der Bankengruppe gehört, gelenkt von einem bankinternen Beratungsausschuss – Shariah Advisory Council. Hierzu werden sukzessive neue sogenannte „Sahl Centers“ an verschiedenen Standorten errichtet, an denen Sharia-konforme Bankgeschäfte (u. a. Zins- und Spekulationsverbot mit Ersatz durch andere Gebührenarten usw.) getätigt werden können.

Die „Beyond Banking Strategy“ umfasst nicht zuletzt das Ziel der Erschließung neuer Wachstumschancen im Rahmen der regionalen Expansionsbestrebungen, die die Bank selbst als „aggressiv“ im Wettbewerb um regionale Führungsmacht bezeichnet. Der Fokus liegt auf der Steigerung der Marktanteile vor allem in den umliegenden Ländern der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAC) – Tansania, Uganda, Burundi, Ruanda und Südsudan – mit Notierung (cross-listing) an den übrigen Aktienbörsen der Region (Dar es Salaam / Ruanda Stock Exchange / Uganda Securities Exchange). Hierbei werden auch Chancen genutzt im Non-Banking-Sektor durch Fusionen und Übernahmen (M&A). Gegenwärtig ist KCB die einzige regionale Bank mit einer Präsenz in allen EAC-Mitgliedsländern. Darüber hinaus eröffnete KCB 2015 als erste kenianische Bank auch ein Representative Office in Äthiopien, als dort erstmals ausländische Bankenvertretungen zugelassen wurden. Seit der Umstrukturierung des Konzern 2015 ist KCB Group als Holding für Management und Kontrolle aller Branchenunternehmen zuständig.

(Bildnachweis: Kenya Commercial Bank)

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