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Afrikas Champions: Woolworths SA – Konsumerlebnis für die aufstrebende Mittelklasse des Kontinents (Teil 1)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht der südafrikanische Einzelhandelsriese Woolworths, südlich der Sahara ein Markenname für den gehobenen Konsum. Das Unternehmen – jetzt Woolworthsholding Ltd. (WHL)  –  mit seiner über 90jährigen Geschichte besetzt regelmäßig einen Platz in den oberen Rängen unter den Top 250 im jährlichen Ranking des „African Business Magazine“. Aktuell bekleidet die Kaufhauskette Platz 43.

Unternehmensgeschichte: „Five and Dime“-Pioniere aus USA und Australien standen Pate

In Südafrika begann die Unternehmensgeschichte in Kapstadt mit der Eröffnung des ersten Geschäfts von Woolworths South Africa 1931, gegründet von Max Sonnenberg, dem Spross einer drei Generationen alten südafrikanischen Winzerfamilie und Parlamentsabgeordneter in der damaligen Regierung von Jan Smuts. Der sofortige Geschäftserfolg führte in kurzer Zeit zur Eröffnung von zwei weiteren Läden in Kapstadt, und nur ein Mangel an Kapital verhinderte die schnelle Ausbreitung der Geschäftsidee auf das ganze Land. Die notwendige Finanzierung kam dann von Sonnenbergs Freund Elie Susman, ein erfolgreicher jüdischer Geschäftsmann mit Wurzeln im heutigen Litauen, der Sonnenbergs langjähriger Geschäftspartner wurde.

Die Wahl des Namens „Woolworths“ für die neuartige Ladenkette erfolgte damals über einige „interkontinentale“ Umwege und kann noch heute gelegentlich für Verwirrung sorgen (siehe zur Geschichte des Namens hier). Denn der Ursprung des Namens liegt – wie vieles in Südafrika – in den USA und geht zurück auf den kleinen Laden, den Franklin Winfried Woolworth Ende 1879 in Utica im Staat New York eröffnete, wo man alle Artikel des täglichen Bedarfs zum Preis von je 5 Cent erwerben konnte. Das Einheitspreiskonzept wurde nach Eröffnung weiterer Filialen schließlich zu einem durchschlagenden Erfolg, und das Unternehmen „F. W. Woolworth’s Company“ – was im angelsächsischen Raum dann zu „Woolworths“ wurde – wuchs zu einer Kette von rund 1.000 Niederlassungen im Todesjahr des Gründers (1919) an. Damit war Woolworth der Begründer des sogenannten Five and Dime-Store (Discountladen) mit einem Angebot preisgünstiger Waren für den täglichen Bedarf. Damals gab es Woolworth-Filialen auch im Ausland, in Großbritannien und Irland, sowie ab 1927 auch in Deutschland, wo noch bis heute eine Billigkaufhauskette mit dem Namen „Woolworth“ (ohne das angelsächsische „s“) existiert und seit 2010 im Eigentum von Tengelmann und KiK ist. In den USA begann in den 1990er Jahren die Zerschlagung des Konzerns mit Umbenennung des Unternehmens (Venator Group, später Foot Locker) und Verkauf der ausländischen Filialen.

Keinerlei Verbindung zu dem US-amerikanischen Konzern haben dagegen die Woolworths-Unternehmen in Australien (seit 1924) und Südafrika (seit 1931), konnten jedoch jeweils das Woolworth-Kaufhauskonzept kopieren, da die Markenrechte des Namens in diesen Ländern nicht geschützt waren. Tatsächlich wies in den 1930er Jahren sogar ein südafrikanisches Gericht die von der US-amerikanischen Woolworth-Kette angestrengte Klage gegen den Gebrauch des Markenkonzepts durch Woolworths South Africa ab. Die damalige Wahl gerade dieses Namens für das neue Ladenkonzept von Max Sonnenberg ist tatsächlich den Verbindungen des Südafrikaners zu dem damals schon bestehenden australischen Unternehmen zuzuschreiben, und zwar über einen befreundeten britischen Reeder, der regelmäßig die rasch expandierenden australischen Woolworths-Geschäfte belieferte und dem Südafrikaner vorschlug, alle Waren, die auf dem australischen Markt Erfolg hatten, in kleinerer Menge gleichzeitig nach Südafrika zu verschiffen.

Eigener Weg zu führender Kaufhauskette mit gehobenem Angebot

Das Billigpreiskonzept des amerikanischen Vorbilds hat die südafrikanische Woolworths-Kette in kurzer Zeit hinter sich gelassen (siehe zur Firmengeschichte hier). Mit der Eröffnung der ersten Woolworths-Filiale im Wirtschaftszentrum Johannesburg Mitte der 1930er Jahre begann das Unternehmen seinen Aufstieg zu einer gehobenen Kaufhauskette und wurde – so wird die Firmengeschichte erzählt – für sein qualitativ hochwertiges Angebot mit ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt. Zu der Zeit bestanden bereits Filialen in den Großstädten Durban und Port Elizabeth, die gleich in den ersten Jahren des jungen Unternehmens – dank der Kapitalspritze durch Sonnenbergs Partner Susman – eröffnet werden konnten.

Nach der geographischen Expansion des Unternehmens kam in Südafrikas „Neuzeit“ – mit der großen politischen Wende durch Abschaffung des Apartheidsystems – seit den 1990er Jahren die Diversifizierung des Angebots unter anderem mit Hilfe von Firmenübernahmen in Südafrika und Australien in den Fokus. Dazu war bereits nach dem Zweiten Weltkrieg die Woolworths Holdings Ltd. (WHL) gegründet worden, als Dach- bzw. Muttergesellschaft für die verschiedenen Konzernfirmen der WHL Group. Im Wendejahr 1994 wurde als Service für die – mit den gesellschaftlichen Umwälzungen breiter werdende – Kundschaft in den Kaufhäusern die Woolworths-Karte (store card) eingeführt. Ergänzt wurde diese dann zur Jahrtausendwende nach einem Joint-Venture mit Barclays Bank durch ein Angebot von Finanzdienstleistungen für Woolworths-Kunden.

Inzwischen gibt es in Südafrika landesweit über 150 Woolworths-Warenhäuser – im Volksmund liebevoll „Woolies“ getauft – mit einem kompletten Angebot in den Bereichen Mode, Haushaltswaren und Drogerieartikel, häufig auch mit einer angeschlossenen Lebensmittelabteilung. Zusätzlich werden noch landesweit um die 200 reine Lebensmittelmärkte betrieben sowie die sogenannten „Food Stops“, die an Tankstellen des Energiekonzerns Engen in den Städten angegliedert sind. Außerdem gehören zu der Kette noch über 50 weitere Warenhäuser in Südafrika mit einem reinen Non-Food-Angebot in den Abteilungen Mode, Kosmetik und Haushaltsartikel.

Heute gehört die WHL Group mit einem Konzernumsatz von rund 55 Mrd. US$ und etwa 40.000 Beschäftigten (laut Jahresbericht 2021) in derzeit 13 Ländern Afrikas und Australasiens zu den fünf führenden südafrikanischen Einzelhandelsketten, nach Shoprite, Steinhoff, Spar und Pick’n Pay. Diese fünf erscheinen ebenfalls auf der Liste der 250 Top-Einzelhändler weltweit in der jährlich aktualisierten Deloitte Untersuchung (Global Powers of Retail 2022). Etwa 40 Prozent der Umsätze werden von den angegliederten WHL-Konzernfirmen in Australien und Neuseeland generiert. Inzwischen werden auch knapp 10 Prozent der Umsätze im E-Commerce-Geschäft (WooliesX) erzielt.

(Bildnachweis: Woolworths Holding)

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Lesen Sie in Teil 2 über die Eigentümerstruktur, das Geschäftsmodell und die Internationalisierung des Unternehmens: Woolworths SA – Konsumerlebnis für die aufstrebende Mittelklasse des Kontinents (Teil 2) (29.08.2022)

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