Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.
Im Fokus dieses Artikels steht der südafrikanische Einzelhandelsriese Woolworths, südlich der Sahara ein Markenname für den gehobenen Konsum. Das Unternehmen – jetzt Woolworthsholding Ltd. (WHL) – mit seiner über 90jährigen Geschichte besetzt regelmäßig einen Platz in den oberen Rängen unter den Top 250 im jährlichen Ranking des „African Business Magazine“. Aktuell bekleidet die Kaufhauskette Platz 43.
Eigentümer und Management: JSE-Top-Unternehmen – Diversität ist Trumpf
Die Woolworths Group ist seit 1997 an der Johannesburg Stock Exchange (JSE) notiert und zählt dort mit einem Kapitalwert von rund 55 Mrd. US$ zu den 40 führenden Unternehmen (vgl. hier). Etwa ein Drittel der Aktien werden gehalten von institutionellen Anlegern hauptsächlich aus Südafrika, davon die Hälfte vom südafrikanischen Staat über die Public Investment Corp. (SOC), weitere Anleger sind britische und norwegische Fonds.
Der Konzern WHL Group ist in drei operative Einheiten aufgeteilt: Die Kaufhauskette Woolworths South Africa (WSA) mit Sitz in Südafrika und mittlerweile Niederlassungen in zehn weiteren Ländern südlich der Sahara; die Einzelhandelskette David Jones (DJ) mit Sitz und Geschäftsbereich Australien und Neuseeland; und die Country Road Group (CRG) mit Sitz in Australien und Geschäftsbereich Australien, Neuseeland und Südafrika (vgl. hier). Die einzelnen Konzernfirmen und Niederlassungen werden jeweils durch ein eigenes Managementteam (subsidiary management board) geleitet, die alle der Oberaufsicht durch das WHL-Direktorium (WHL Group Executives) unterliegen.
Eine selbständige Einheit im Konzern ist ferner Woolworths Financial Services (WFS) als Joint Venture zwischen Woolworths und Absa Group Ltd., ein Finanzdienstleister mit Niederlassungen in 15 afrikanischen Ländern. Das Joint Venture wird geleitet von einem Direktorium aus beiden Partnerfirmen, wobei Absa für Kreditpolitik, Risikomanagement und Kapitalaufbringung und Woolworths für Kundenintegration zuständig ist. Innerhalb von Woolworths SA werden die operativen Einheiten Woolworths FBH (Fashion, Beauty and Home) Woolworths Food unterschieden.
Bei der Zusammensetzung des Managementteams wird bei Woolworths ausdrücklich auf Diversität geachtet: das heißt in Südafrika in erster Linie angemessene Verteilung nach Herkunft (“race”), unter Berücksichtigung von B-BEE-Prinzipien (Broad-Based Black Economic Empowerment), dann in zweiter Linie auch nach Geschlecht (eine detaillierte Übersicht gibt es hier). B-BEE ist in Südafrika aus guten Gründen ein wichtiges Prinzip, das bei allen wirtschaftlichen Aktivitäten berücksichtigt werden muss – auch wenn dies gelegentlich etwa von ausländischen Investoren auch als Hemmnis beklagt wird. Bei Woolworths SA scheint das Pendel in der Hinsicht, zumindest nach dem Geschmack einiger „weißer“ Südafrikaner, etwas zu stark auszuschlagen. So kam es vor einigen Jahren zu einer lebhaften öffentlichen Diskussion, bis in britische Zeitungen hinein, nachdem in Woolworths-Stellenanzeigen ziemlich ausdrücklich weiße Bewerber ausgeschlossen worden waren (siehe etwa: „Y u no like whites?“). Interessant zu lesen ist die Replik eines irisch-stämmigen Kommentators, der den „weißen“ Kritikern „die Leviten liest“.
Geschäftsmodell und Strategie: Zielgruppe der Yuppies – „Good Business Journey“ und Internationalisierung
In den Modeabteilungen verkauft Woolworths Artikel unter einer Reihe von südafrikanischen Premiummarken, darunter auch die eigenen Woolworths-Marken „Studio W, „RE:“ und „JTOne“, sowie einige australischen Marken der übernommenen Mode- und Haushaltskette Country Road Group („Trenery“ und „Witchery“). In dem Zusammenhang ergibt sich ein besonderes Element des Woolworths-Kundenkonzepts aus der von Anfang an gepflegten Verbindung zu Australien: Tatsächlich gehört es zu den ausdrücklichen PR-Strategien der Gruppe, Kunden in Südafrika und Australien eine „über Kontinente hinweg einheitliche besondere Konsumerfahrung“ zu verschaffen, die speziell für die „südliche Hemisphäre der Welt“ gedacht sein soll (siehe dazu etwa hier).
Bevorzugte Zielgruppe hierbei sind die anspruchsvollen, modernen urbanen Käuferschichten – etwa mit dem Werbemotto von „Studio W“: „Urban fashion made easy“ – , was dem früher populären Begriff „Yuppies“ (Young Urban Professionals) nahekommt. Das Unternehmen erklärte selbst ganz offen in seinem als „Schüsselreport“ bezeichneten Jahresbericht 2018, dass sein Haupt-Kundensegment die mittleren bis oberen Einkommensschichten sind, und zwar in Subsahara-Afrika sowie auch Australien und Neuseeland.
Diese Käuferschichten sind in den afrikanischen Ländern außerhalb Südafrikas zwar noch relativ begrenzt, aber seit Jahren stetig wachsend, so auch in den Ländern, in denen Woolworths SA bereits vertreten ist, häufig mit mehreren Häusern in den wichtigsten gehobenen Wohnvierteln der Hauptstädte (zum Beispiel in Nairobi). Die betreffenden Länder sind vor allem im südlichen Afrika Botswana, Namibia, Swasiland, Mosambik und Sambia sowie ferner die drei ostafrikanischen Schwerpunktländer Kenia, Tansania und Mauritius. Auf dem östlichen Afrika soll laut Firmenleitung auch bei zukünftigen Investitionen in Afrika das Augenmerk liegen, nachdem die Woolworths-Niederlassungen im westafrikanischen Nigeria und Ghana vor einigen Jahren wegen Marketingproblemen wieder aufgegeben worden waren.
Woolworths Eigenmarken werden entsprechend dem speziellen „interkontinentalen“ Konzept exklusiv auch in allen Geschäften der australischen Luxusläden David Jones vertrieben, die WHL 2014 übernommen hatte. Bereits in den späten 1990er Jahren war WHL neuer Eigentümer des australischen DOB-Textilfabrikanten Country Road Group geworden, Hersteller hauptsächlich von Baumwollhemden und T-Shirts. Seit Übernahme durch WHL wurde auch dieses Unternehmen fortentwickelt zu einem führender Markenproduzent von gehobener Mode, Accessoires und Haushaltstextilien, unter anderem durch weitere Übernahmen in Australien von dortigen Modeanbietern.
Nachhaltigkeit wird groß geschrieben
Als strategischer Meilenstein in der Konzerngeschichte gilt die 2007 ins Leben gerufene Initiative der „Good Business Journey“, deren ausdrückliches Ziel die Reduzierung des „ökologischen Fußabdrucks“ von WHL sowie gleichzeitig den sozialen und ökonomischen Effekte im Rahmen ihrer Wertschöpfungskette zu steigern (Näheres gibt es hier). Daher wird Nachhaltigkeit bei WHL groß geschrieben, Motto: „zusammen eine bessere Zukunft schaffen“. Eingeführt wurden hierfür sogar formale Punktekarten, sogenannte „sustainability scorecards“, die für alle Operationen des Konzerns über die Grenzen der südlichen Hemisphäre hinweg gelten. Die dazu formulierten Nachhaltigkeitsziele umfassen etwa ein Wassersparprogramm über mehrere Jahre, die sukzessive Umstellung auf saubere Energien bis 2030, die Einführung verantwortungsbewusster Beschaffungsstandards für alle wichtigen Produkte (key commodities) bis 2025 sowie ein Förderprogramm für Kommunen in Milliarden-Rand-Höhe über mehrere Jahre. Zur Umsetzung der konzerneigenen Ethikstandards und der besonderen Unternehmenskultur von der Spitze bis zu der breiten Belegschaft dienen unter anderem auch verschiedene Gremien (Committees) zur Unterstützung des Managementteams.
Nach einer ersten Evaluierung des „Good Business Journey“-Programms 2020 wurde 2021 eine „Vision 2025“ ins Leben gerufen, die dazu verhelfen soll, WHL zu „einem der verantwortungsbewusstesten Einzelhändler der Welt“ zu machen. Zu den einzelnen Zielen des Programms, mit entsprechend geeigneten Maßnahmen, gehören neben den bereits genannten auch: angemessenes Lohnniveau („living wage“), die zum Lebensunterhalt ausreichen (eine in Afrika nur selten beachteter Grundsatz!), Reduzierung der Lebensmittelabfälle, Verwendung recycelter und gebrauchter Materialien in den Mode- und Kosmetikabteilungen, Umstellung auf recycelte Verpackung, Umstellung auf Strom aus Erneuerbaren Energien und Umstellung auf Agrarprodukte aus regenerativen Anbaupraktiken.
(Bildnachweis: Woolworths Holding)
Weiterlesen
Lesen Sie in Teil 1 unter anderem über die Geschichte des Unternehmens: Woolworths SA – Konsumerlebnis für die aufstrebende Mittelklasse des Kontinents (Teil 1) (22.08.2022)
Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:
- Kenya Commercial Bank – ein regionales Schwergewicht im Finanzsektor (20.07.2022)
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