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Erlösmodelle und innovative Technologien für das Afrikageschäft (Teil 1)

Verleih-Geschäftsmodelle und Sharing-Konzepte „powered by technology“ sind mögliche Lösungen, um der häufig eingeschränkten Kaufkraft afrikanischer Kunden zu begegnen und sich neue Kundensegmente auf dem europäischen Nachbarkontinent zu erschließen. Wie das genau funktioniert und welche Unternehmen bereits mit solchen Angeboten aktiv sind, darüber schreiben Prof. Philipp von Carlowitz und Yaw Asante von der ESB Business School der Hochschule Reutlingen* in einem zweiteiligen Artikel auf blog:subsahara-afrika.

Das enorme Bevölkerungswachstum, eine dynamische Wirtschaftsentwicklung sowie eine wachsende Mittelschicht von ca. 300 Millionen sind nur einige der Chancen, die im Zusammenhang mit Afrika als Markt der Zukunft immer wieder genannt werden. Bei allem Potenzial sind Unternehmen, die in Afrika Fuß fassen wollen mit Herausforderungen konfrontiert, die es vor bzw. bei Markteintritt zu adressieren gilt. Denn trotz der Entstehung von gut ausgebildeten, tech-affinen Mittelschichten und schneller steigendem Pro-Kopf-Einkommen in Subsahara Afrika als im Rest der Welt, besitzt die breite Bevölkerung ein vergleichsweise niedriges Einkommensniveau. Zusätzlich reicht die Frequenz der Einkommensströme von Monatslöhnen per Banküberweisung bis hin zu täglichen Bareinkommen bei Tagelöhnern. Diese Umstände wirken sich zwangsläufig auf die Preissensitivität sowie das zu jedem Zeitpunkt verfügbare Einkommen der afrikanischen Konsumenten aus.

Angesichts dieser Situation müssen Unternehmen, die den afrikanischen Zukunftsmarkt optimal bearbeiten wollen, ihre auf industrialisierte Märkte zugeschnittenen Erlösmodelle anpassen. Bei der Beantwortung dieser Fragestellungen können digitale Lösungen und die Nutzung neuer Technologien für Unternehmen eine zentrale Rolle spielen, weil sie neue, flexiblere Erlösmodelle ermöglichen. Deshalb ist es wichtig zu beleuchten, welche digitalen Möglichkeiten es bei den Erlösmodellen gibt.

Leih- und Sharing-Modelle mit digitalen Technologien als Lösung für limitierte Kaufkraft

Eine Lösung, um der eingeschränkten Kaufkraft von Kunden zu entgegnen und neue Kundensegmente zu erschließen, sind Verleih-Geschäftsmodelle („Rent-instead-of-Buy“) bzw. („Rent-to-Buy“) und Sharing-Modelle. Diese Geschäftsmodelle werden häufig mit dem Einsatz von Satellitenortungstechnologie in den verliehenen bzw. geteilten Geräten (Zustandsüberwachung und Diebstahlprävention), nutzungsabhängiger Abrechnung (Pay-Per-Use) sowie mobilen Bezahlsystemen kombiniert. Beispielsweise betreibt Caterpillar über ihre chinesische Low-Costs Marke Barloworld SEM ein Verleih für Baumaschinen und Dieselgeneratoren für Firmenkunden aus Landwirtschaft, Bauwesen, Industrie, Materialumschlag und Bergbau im Süden Afrikas. Barry Fang, Business Manager von Barloworld SEM, setzt bei den Ertragsmodellen auf Flexibilität: ”Our 2019 offering will include a mix of new, used and rental machines.” Im Rahmen des Verleihmodells werden Baumaschinen in der Regel für einen Zeitraum von 3 bis 12 Monaten oder mehr verliehen und monatlich abgerechnet. Die Maschinen sind mit GPS-Trackern zur Satellitenortung ausgestattet und vereinfachen somit das Betreiben des Verleih-Modells. Am Ende der Leihe kann der Kunde die benutzte Maschine (oder eine mit ähnlichen Maschinenstunden) erwerben und erhält eine 12-Monatsgarantie.

In eine ähnliche Richtung wie Verleih-Geschäftsmodelle gehen Sharing-Modelle mit dem Unterschied, dass die angebotenen Produkte von mehreren Kunden im selben Zeitraum genutzt werden können. In Westafrika bieten TROTRO Tractor (Ghana) und Hello Tractor (Nigeria) eine Art Uber für Traktoren an. Hierbei werden Landwirte über eine Plattform bzw. App verbunden und können ihre Traktoren inkl. Fahrer an andere Bauern vermieten. Über ein auf GPS basierendes System wird während der Nutzung das Ausmaß der Inanspruchnahme des verliehenen Geräts präzise erfasst. Die Abrechnung erfolgt schon vorab über mobile Bezahlsysteme, was aus Kundensicht nicht ideal ist. Trotzdem wird hiermit auf die beschränkten Finanzierungsmöglichkeiten eingegangen, weil den Landwirten ermöglicht wird, das Pflügen der Felder „on Demand“ zu bezahlen, anstatt eine hohe Anfangsinvestition in einen Traktor zu tätigen. Wie in der Plattformökonomie üblich erhalten die Betreiber der Plattformen für jedes erfolgreiche Matching eine Vermittlungsgebühr, die bei TROTRO Tractor bspw. 10% beträgt.

Eine Kombination aus digitalen Technologien macht sich seit 2018 auch Volkswagen über die Car-Sharing-App „Move Drive“ und Ride-Hailing „Move Ride“ in Ruanda zu Nutze. Über die App erfolgt das Matching von Kunden und Fahrern, die beide gleichermaßen die Investitionen in ein Fahrzeug vermeiden und dann pro genutzter Einheit (Kilometer oder Minute) über Mobile Money zahlen bzw. bezahlt werden. Darüber hinaus bietet Volkswagen Leasing Dienstleistungen für Firmen und Shuttle-Services für Konferenzen und Flughäfen mit elektrischen Fahrzeugen. Serge Kamuhinda, CEO von Volkswagen Ruanda, zieht im Juli 2022 aus dem Engagement bisher eine positive Bilanz:

“Unsere Anwesenheit in Ruanda zeugt davon, dass die Zeit für eine afrikanische Automobilwertschöpfungskette gekommen ist. Wir haben gezeigt wie man den Fuhrpark in einem afrikanischen Land nachhaltig
und so schnell wie möglich erneuern kann.“

Derart geartete Geschäftsmodelle eignen sich im B2B-Bereich grundsätzlich für jegliche Fuhr- und Maschinenparks. So könnten bspw. abgesehen von Traktoren auch andere landwirtschaftliche Maschinen mehreren Kunden gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden, die je nach ihrer Nutzungsintensität abgerechnet werden.

Erschließung von „Bottom-of-the-Pyramid“-Konsumenten durch flexible und digitale Bezahlmodelle

Um den unregelmäßigen Einkommensströmen von Schreinern, Maurern, Elektrikern zu entgegnen, hat Bosch Powertools in Ghana „Pay-Small-Small“- eingeführt. Dabei können Handwerker auf einer Mobile Money Plattform über Raten in ein „digital Wallet“ (digitale Geldbörse) einzahlen. Die Bestellung wird ausgelöst und die Lieferung der Geräte erfolgt bei Erreichen des Kaufpreises. Mit solchen Konzepten könnten neue Käuferschichten grundsätzlich erschlossen werden, ohne gleichzeitig ein höheres Ausfallrisiko tragen zu müssen, denn das verkaufende Unternehmen geht nicht in Vorleistung wie in einem regulären Finanzierungsvertrag.

Ein Prepaid-System für Kochgas hat das kenianische Start-up PayGo Energy entwickelt, um „Bottom-of-the-Pyramid“-Konsumenten (einkommensschwächste Käuferschichten) Zugang zu sauberem Kochgas zu ermöglichen. Dafür registrieren sich Nutzer auf der PayGo Energy-Plattform und erhalten gegen eine niedrige Gebühr eine Gasflasche mit einem intelligenten Ventil (Smart Meter), das nur so viel Gas freischaltet, wie der Nutzer vorher gekauft hat. So erspart sich der Kunde die Kosten für den Kauf einer vollen Gasflasche. Die hier benutzten Smart Meter ermöglichen den Abschluss von „Smart Contracts“, die auf einer automatisierten „wenn-dann“-Logik („wenn Zahlungseingang … dann Ventilöffnung“) basieren. Wenn das Gaskontingent erschöpft ist, muss per mobilen Bezahlsystemen wie M-Pesa, die häufig bei solchen Pay-per-Use-Modellen in Afrika zur Anwendung kommen, nachgezahlt werden. Ein ähnliches Erlösmodell benutzte auch das mittlerweile von Circle Gas (UK) akquirierte tansanische Unternehmen KopaGas. Gründer Andron Mendes erläutert:

“We target such homes that share a common kitchen and give them a complete kit which consists of a gas cooker, gas cylinder plus a meter and gas card that loads credit which essentially is for pay as you cook.”

Teil des Ansatzes ist hier die Bereitstellung einer Solution (bestehend aus Gaskocher, Gaszylinder, Verbrauchzähler und Gasguthabenkarte) und der regelmäßige Verkauf von Gas, das nutzungsbasiert abgerechnet wird. Neben der Verbrauchszählung ermöglicht die digital vernetzte Gasguthabenkarte, den Verbrauch und die damit verbundene Abrechnungsbeträge dem richtigen Nutzer zuzuordnen.

Auch im Solarbereich finden sich eine Reihe von Pay-per-Use-Geschäftsmodellen oder auch Fee-For-Service-Modelle, bei denen das Monitoring der Nutzung über digital vernetzte Verbrauchzähler erfolgt. So stellt das niederländische Unternehmen FRES zum Beispiel Photovoltaiksysteme oder auch Netzersatzanlagen (sog. mini off-grid Systeme) zur Verfügung. Kunden bezahlen die in Anspruch genommene Elektrizität monatlich oder Prepaid (Vorabbezahlung) über Mobile Money Lösungen. Solche Produkte werden häufig mit Fernwartung bzw. -überwachung kombiniert, sodass der Dienstleister die Versorgung im Falle der Nichtzahlung aus der Ferne trennen kann. Darüber hinaus statten manche Anbieter die Anlagen mit GPS-Trackern aus, um Diebstahl vorzubeugen.

Hier geht es zu Teil 2 des Artikels.

*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Doing Business in Africa Forschungsprojekts entstanden, Teil der wirtschaftswissenschaftliche Clusterforschung Afrika, finanziert durch Mittel des deutschen Bundestags, gefördert durch das BMWK und BMF.

(Bildnachweis: Trotro Tractor)

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