Die Transportinfrastruktur ist in den Ländern südlich der Sahara in punkto Umfang und Qualität in weiten Bereichen unterentwickelt. Das stellt für die Güterdistribution in der Region eine große Herausforderung dar. Durch neue, innovative Technologien kann die Effektivität in der Distribution aber schon kurzfristig gesteigert werden, insbesondere im problematischen Bereich der „letzten Meile“. Welche aktuellen technologischen Ansätze bereits auf dem Kontinent zur Anwendung kommen, darüber schreiben Prof. Philipp von Carlowitz und Paul Reichert von der ESB Business School der Hochschule Reutlingen* in einem zweiteiligen Artikel auf blog:subsahara-afrika.
Ein effektiver Logistiksektor ermöglicht es Unternehmen, profitabel Produkte vertreiben zu können. Dazu bedarf es einer funktionierenden Infrastruktur. Allerdings ist die Transportinfrastruktur in Subsahara-Afrikas in Umfang und Qualität in weiten Bereichen unterentwickelt: Das Schienennetz ist stark vernachlässigt bis kaum vorhanden, die Hafenlogistik ineffizient, veraltet und von starker Korruption betroffen und das Straßennetz wenig ausgebaut: Auf hundert Quadratkilometern Landfläche befinden sich in Afrika im Durchschnitt nur 10 Kilometer Straße – und davon sind im Schnitt nur 18,5% asphaltiert. Neben den schlechten Straßen, die zu einer erhöhten Unfallgefahr führen, erhöhen Pannengefahr, vermehrte Staus und häufige Kontrollen die Dauer und Kosten des Transports auf der Straße. In den letzten Jahren gab es signifikante Verbesserungen in vielen Ländern, z. B. in Ghana, Kenia und Äthiopien, aber die Entwicklung startet von niedriger Basis.
Somit ist der Umgang mit den logistischen Rahmenbedingungen in der Distribution der Schlüssel zum Erfolg. Genau hier greifen neue, innovative Technologien an: Durch diese kann die Effektivität in der Distribution schon kurzfristig gesteigert werden. Speziell die Herausforderungen im Bereich der „letzten Meile“, also dem letzten Teilabschnitt der Lieferkette vom Distributionszentrum zum Endkunden, sind in Subsahara-Afrika aufgrund der schlechten Infrastruktursituation immens. Dies spiegelt sich in der Zusammensetzung von Produktpreisen wider: Oft wird in Subsahara-Afrika mehr als die Hälfte des Endpreises eines Produkts zur Deckung der Kosten der Last-Mile-Logistik verwendet. In Extremfällen – so z. B. bei der Belieferung der schwer zugänglichen ärmeren Bevölkerungsgruppen mit Medikamenten – sind es teilweise 800% Aufschlag für die Distribution.
Drohnentechnologie als Lösungsansatz
Drohnen können dringend benötigte Güter schnell, zuverlässig und emissionsarm an abgelegene Ziele befördern, ohne auf ein funktionierendes Straßennetz angewiesen zu sein. Während sich Drohnenbetreiber in westlichen Ländern aufgrund des Dschungels an Regeln und Gesetzen aktuell noch schwertun, unbemannte Fluggeräte skalierbar einzusetzen, ist die Integration in den Luftraum Subsahara-Afrikas oft simpler. Dort gibt es schlichtweg weniger Luftverkehr. Subsahara-Afrika hat im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt etwa nur ein Zehntel des Passagiervolumens und ein Achtel des Luftfrachtvolumens pro Einwohner.
Entsprechend erfolgreich ist das kalifornische Drohnenunternehmen Zipline. Die beiden Gründer Keenan Wyrobek und Keller Rinaudo identifizierten das Last-Mile-Logistik Problem der medizinischen Versorgung in Tansania und begannen, eine spezifisch für diesen Anwendungsfall optimierte Drohne zu entwickeln: Diese kann lange Strecken zurücklegen, fliegt auch bei widrigen Wetterbedingungen und kann Ladung zielgenau per GPS am Zielort per Fallschirm ablassen. CEO Rinaudo wählte Ruanda für die ersten kommerziellen Flüge aus, da es sich um ein Land handelt, welches „klein genug war, um schnell nationale Dimensionen zu erreichen, und eine Regierung hatte, die aktiv in Technologie und Gesundheitsversorgung für ihre Bürger investierte“. Innerhalb kürzester Zeit hat es Zipline geschafft, das komplette Land, in etwa so groß wie Hessen, mit dringend benötigten medizinischen Gütern innerhalb von 15 bis maximal 25 Minuten beliefern zu können. Speziell für den medizinischen Bereich sind Drohnen laut Rinaudo aus drei Gründen ideal geeignet: Erstens rettet jede Lieferung potenziell ein Menschenleben und ist dadurch entsprechend wertvoll. Zweitens handelt es sich bei medizinischen Gütern um dringend benötigte Produkte. Und drittens bietet der Markt für Gesundheitslogistik mit über 7 Milliarden US Dollar entsprechend attraktive Wachstumsmöglichkeiten für Zipline. Der Lieferservice per Drohne ist für Kunden von Zipline laut CEO Rinaudo „zu einem ähnlichen Preis, wenn nicht sogar zu einem niedrigeren Preis als bei anderen Sofortlieferlösungen auf dem Markt“ erhältlich. Dies unterstreicht die kommerziellen Möglichkeiten der Drohnentechnologie im Hinblick auf die Kosten der Distributionslogistik.
„Im Prinzip wollen wir Lieferketten so weit wie möglich Flügel verleihen – Post, Lebensmittel, interne Dokumente. Nur im militärischen Bereich sind wir nicht tätig und wollen es auch niemals sein.” (Tom Plümmer, Wingcopter)
Mittlerweile nutzt das Unternehmen die Erkenntnisse aus dem Piloten in Ruanda, um ebenfalls medizinische Güter in Ghana, Nigeria und Kenia auszuliefern. Außerdem steigt Zipline zusammen mit Jumia, der führenden afrikanischen Onlinehandelsplattform, nun in die Drohnendistribution von Konsumgütern in Afrika ein. „Ganz gleich, ob Kunden Elektronik, Mode, Gesundheit, Beautyprodukte oder andere Kategorien bestellen, Zipline’s Instant-Logistiksystem wird einen schnellen und bequemen Zugang ermöglichen“ erklärt Apoorva Kumar, COO von Jumia. Laut Kumar schafft die Kooperation von Zipline und Jumia den „dringend benötigten Zugang zu ländlichen und abgelegenen Gebieten, in denen herkömmliche Zustelldienste Probleme haben”.
Auch Wingcopter, ein deutsches Drohnenunternehmen mit Sitz in Weiterstadt und Wettbewerber von Zipline, hat das Potential der medizinischen Versorgung in Afrika per Drohne erkannt. Nachdem ein erfolgreiches Pilotprojekt in Zentral-Malawi gelungen ist, hat das Unternehmen einen Auftrag über 12.000 Fluggeräte erhalten, um gemeinsam mit Continental Drones ein großes Drohnen-Liefernetz in Subsahara-Afrika aufzubauen. Auch Wingcopter’s CEO Tom Plümmer sieht attraktive Anwendungsmöglichkeiten von Drohnen abseits der medizinischen Distribution: „Im Prinzip wollen wir Lieferketten so weit wie möglich Flügel verleihen – Post, Lebensmittel, interne Dokumente. Nur im militärischen Bereich sind wir nicht tätig und wollen es auch niemals sein“.
In Teil 2 des Artikels schreiben die Autoren über die Bedeutung der Geokodierungstechnologie und die Rolle von Marketplace-Plattformen für die Distributionslogistik.
*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Doing Business in Africa Forschungsprojekts entstanden, Teil der wirtschaftswissenschaftliche Clusterforschung Afrika, finanziert durch Mittel des deutschen Bundestags, gefördert durch das BMWK und BMF.
(Bildnachweis: Zipline)
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