Praxisspiegel Kenia

Interview mit Sabine Hüster, Kiboko Leisure Wear Ltd.

„Bis vor wenigen Jahren hatte man als deutsche Firma einen guten Ruf“

Sabine Hüster verfügt über 25 Jahre Erfahrung als deutsche Textilunternehmerin in Kenia. Sie gibt praktische Tipps und Empfehlungen für einen möglichst reibungslosen interkulturellen Austausch im geschäftlichen Alltag in Nairobi.

Wie sind Ihre Erfahrungen im Umgang mit lokalen Geschäftspartnern und Behördenvertretern?

Beide müssen unterschiedlich behandelt werden. Meine Geschäftspartner versuche ich mit meiner Kompetenz zu überzeugen. Mein deutscher Background ist da sicher förderlich. Dazu gehört für mich Pünktlichkeit. Ich erwähne immer mit einem „zwinkernden Auge“, dass ich von „Mzungu time“ spreche. Das hilft meistens. Ich versuche das umzusetzen, was der Kunde möchte, und nicht ihm das aufzudrängen, was ich vielleicht gerade auf Lager habe und loswerden möchte oder was ich bequem machen kann. Dies ist eine „Seuche“, die sich hier seit 25 Jahren nicht geändert hat. Timing ist wichtig: Wenn ich dem Kunden in zwei Tagen die Muster versprochen habe, dann haben sie auch fertig zu sein. Und natürlich ist Qualität ganz wesentlich.

Bei Behördenvertretern braucht es weniger Kompetenz, dafür mehr Durchhaltevermögen und gute Kommunikationsstrategien. Das Anliegen sollte man möglichst geradlinig und sachlich vorbringen. Wenn das Gegenüber nicht so reagiert, wie man es sich wünscht, dann kann man mit Humor reagieren, „menscheln“ oder aber versuchen, etwas Positives in die Situation einzubringen, sodass sich der andere gut und verstanden fühlt. Man muss schon sehr diplomatisch sein.

Wo treten Unterschiede im Umgang mit den im Wirtschaftsleben Kenias aktiven Indern und Afrikanern am deutlichsten zu Tage?

Der größte Unterschied liegt im Umgang mit Geld. Wenn ein Inder das deutsche Auto mit dem Stern fährt, dann weiß man, dass er sich das Auto leisten kann, beim Afrikaner kann man da nicht sicher sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto mit einem Kredit bezahlt ist, ist hoch. Es gilt: mehr Schein als Sein.

Der indische Kunde bringt Werte mit ins Geschäft, die auf langer Tradition basieren und die unseren westlichen Praktiken eher ähnlich sind. Vor 100 Jahren lebten die Afrikaner noch vom Tauschhandel. Das heißt, sie mussten alles in kürzester Zeit lernen, was Europäer und Inder in Jahrhunderten entwickelt haben.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit lokalen Mitarbeitern? Erleben Sie Konflikte zwischen Verpflichtungen des einzelnen Mitarbeiters gegenüber Arbeitgeber und Familie?

Ja, natürlich hängt die ganze Familie an dem oft einzigen arbeitenden Mitglied. Oft ist es gerade die Person, die eine Arbeit hat, die dann zum Beispiel bei einem Todesfall die Beerdigung organisieren soll. Ich versuche dann, meinen Leuten klarzumachen, wo die Priorität liegt. Dass sie zum Beispiel zu der Beerdigung hin müssen, ist in Ordnung, aber dass sie dafür eine Woche Urlaub nehmen müssen, ist nicht in Ordnung, wenn viel Arbeit anliegt. Denn dank Mobile Banking muss das für die Organisation der Beerdigung benötigte Geld nicht mehr persönlich transportiert werden. Frauen sind diesbezüglich etwas verständnisvoller und flexibler als Männer.

Wie intensiv sind Ihre privaten Beziehungen zu Ihren Geschäftspartnern?

Es gibt kaum private Beziehungen. Als Textilproduzentin arbeite ich in einer Männerdomäne, die von Indern besetzt ist. Es wäre eher ungewöhnlich, sich abends noch zum Bier zusammenzusetzen. Ich glaube auch, Frauen trennen geschäftliche und private Beziehungen mehr als Männer.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Zahlungsmoral von Kunden und wie verhalten Sie sich bei Forderungsausfall?

Für uns ist das kein allzu großes Problem. Wir produzieren hauptsächlich für unsere Schwestergesellschaft ,,Oneway”. Die meisten anderen Kunden sind indischer Abstammung und die Zahlungsmoral ist nicht schlecht. Bei neuen Kunden lassen wir uns ein LPO/Local Purchase Order ausstellen und verlangen eine Anzahlung von 50 %. Die restlichen 50 % werden bei Lieferung fällig. So sichere ich mich gegen Ausfälle ab. Erst wenn eine Vertrauensbasis geschaffen ist, gewähren wir 30 oder 60 Tage Zahlungsziel. Es hat natϋrlich ϋber die Jahre auch die eine oder andere Pleite gegeben, und somit gab es auch schon Forderungsausfälle.

Wie viel Anlaufzeit haben Sie benötigt, bis Ihr Geschäft profitabel wurde?

Zwei bis drei Jahre. Wir haben klein angefangen, mit eigenem Geld, und haben uns aus unseren eigenen Reserven vergrößert, mussten also keine Kredite aufnehmen.

Welche Veränderungen oder wichtigen Entwicklungen hat es in den letzten Jahren im Geschäftsleben fϋr Sie in Kenia gegeben?

Von den Wahlen von 2007/08 und der Nachwahlkrise hat sich Kenia nie wieder erholt. Vor jeder Wahl war das Jahr davor schlecht, und jedes Mal hat sich Kenia danach wieder ganz schnell erholt. Seit den Wahlen von 2007/08 hat sich die Situation von Jahr zu Jahr verschlechtert. Die politische Instabilität, die ICC-Geschichte, mit den Anklagen gegen führende kenianische Politiker vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, die sich stetig verschlechternde Sicherheitslage, die im Terroranschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi ihren Höhepunkt fand, und dann noch die Ebola-Krise: Wir haben kaum mehr Touristen, die Bettenauslastung liegt zur Zeit bei 4 bis 10 %. Jeder, der vom Tourismus abhängig ist, zittert um das Überleben. Diesmal ist kein Ende abzusehen.

Ziehen Sie bestimmte Konsequenzen für Ihr Unternehmen aus der aktuellen Problematik in Kenia?

Auch für unser Unternehmen ist die Lage sehr ernst: Wir beliefern Hotels mit Uniformen oder bestücken ihre Souvenirläden. Wir machen Konferenztaschen für den Konferenztourismus, der ein boomender Markt war, bis Ebola kam. Wir beliefern die Läden unserer Schwesterfirma „Oneway“ in den großen Einkaufs-Malls. Aber die Leute mögen nicht mehr gerne in große Malls gehen. Allein die Zeit, die man braucht, um durch die Sicherheitsvorkehrungen zu kommen und der damit verbundene Rϋckstau sind eher abschreckend. Und natϋrlich wird man dadurch immer wieder an die Sicherheitsproblematik erinnert. Fϋr Kiboko haben wir daher entschieden, dass wir uns vermehrt auf den Exportmarkt konzentrieren.

Werden Sie als deutsche Firma eher bevorzugt oder benachteiligt im Geschäftsleben in Kenia?

Bis vor sechs Jahren hatte man als deutsche Firma einen guten Ruf. Im Laufe der letzten sechs Jahre hat sich das geändert. Jetzt werden die Chinesen hofiert, die nicht an Politik und Ethik interessiert sind, keine Fragen und Forderungen stellen, die die Nachwahlkrise von 2008 zu ihren Gunsten genutzt haben und nur an ihren eigenen Profiten interessiert sind.

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kenia_huesterDie Deutsche Sabine Hüster ist Gründerin und Geschäftsführerin der Kiboko Leisure Wear Ltd. in Nairobi, Kenia. Das mittlerweile rund 70 Mitarbeiter zählende Unternehmen stellt seit 1996 Bekleidungsartikel her.
www.kiboko-leisure-wear.com | www.facebook.com/pages/Kiboko-Leisure-Wear

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Dieses Interview ist im Praxisratgeber “Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara Afrika” erschienen. Weitere Interviews zum Umgang mit ausgesuchten afrikanischen Geschäftskulturen sind zu finden auf der Seite zum Praxisratgeber unter “Kulturkompetenz“.

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