Interview mit S.E. Klaus Peter Schick, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Brazzaville
„Deutsche Unternehmen können in der Republik Kongo auf einem Vertrauensvorschuss aufbauen“
S.E. Klaus Peter Schick ist seit August 2016 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Brazzaville (Republik Kongo). Er gibt Einblick in seine umfassende Kenntnis und Erfahrung mit der Geschäftskultur der Region, vor allem mit Blick auf die in der Republik Kongo zu beachtenden Besonderheiten.
Sehr geehrter Herr Botschafter, warum gibt es – im Vergleich mit den westafrikanischen Ländern Nigeria und Ghana – so wenig Präsenz deutscher Firmen in der Republik Kongo?
Aus meiner Sicht ist die Republik Kongo in Deutschland und in deutschen Wirtschaftskreisen relativ unbekannt und wird zudem ständig mit dem großen Nachbarn, der Demokratischen Republik Kongo, verwechselt. Hinzu kommt, dass deutsche Firmen, die früher in der Republik Kongo vor allem im Holzsektor gute Geschäfte gemacht haben, im Bürgerkrieg von 1997 fast alles durch Plünderungen verloren haben, nie entschädigt wurden und seither nicht wiedergekommen sind. Dabei ist das Land seit dem Ende des Bürgerkriegs im Vergleich mit seinen zentralafrikanischen Nachbarstaaten ein relativ stabiles Land und bietet vielfältige Investitionsmöglichkeiten. Als ehemalige französische Kolonie nehmen viele deutsche Firmen die Republik Kongo zudem als „chasse gardée“, als Revier Frankreichs wahr und scheuen davor zurück, sich anzusiedeln und im Land zu investieren. Ein weiterer Grund ist sicher auch die anhaltende Wirtschafts- und Finanzkrise, deren Hauptgründe im Verfall des Ölpreises, aber auch der schlechten Regierungsführung und der weit verbreiteten Korruption zu suchen sind. Mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank hofft die Regierung, die Krise in den Griff zu bekommen.
Warum sollten sich deutsche Unternehmen Ihr Gastland dennoch genauer anschauen? Welche positiven Entwicklungen gibt es?
Die kongolesische Regierung hat erkannt, dass sie die Wirtschaft diversifizieren muss und nicht länger allein auf Öl und Tropenholz als Einnahmequellen setzen kann. Das sehr dünn besiedelte Land (nur ca. 5 Mio. Einwohner) bietet aufgrund fruchtbarer Böden und ausreichender Regenfälle sehr gute Voraussetzungen für Investitionen in der Landwirtschaft. Auch in der Umwelttechnik und anderen Bereichen gibt es gute Chancen. Außerdem gibt es nahe der Wirtschaftsmetropole Pointe Noire mit dem größten Tiefseehafen des Landes mehrere Freihandelszonen, die auch für deutsche Firmen interessant sind. Die Infrastruktur des Landes ist dank großzügiger Investitionen in moderne Flughäfen, Straßen und den permanenten Ausbau des Tiefseehafens in Pointe Noire vergleichsweise gut. Zudem ist von der Regierung die „Gängelung“ der Privatwirtschaft durch den Staat sowie die verbreitete Korruption als Investitionshindernis erkannt worden, und ihre Beseitigung wird derzeit aktiver als früher betrieben. Von der Regierung höre ich immer wieder, dass man mehr deutsches wirtschaftliches Engagement sehr begrüßen würde.
Sie erwähnen die französische Konkurrenz. Auf welchen weiteren internationalen Wettbewerb trifft man in der Republik Kongo?
Die Präsenz französischer Unternehmen im Land, allen voran der Erdölkonzern „Total“, ist auch historisch bedingt relativ stark. Inzwischen ist aber China der größte Investor in der Republik Kongo, gefolgt von eben Frankreich, Italien und der Türkei. Nicht zu unterschätzen ist auch der Anteil der Libanesen und Marokkaner im Geschäftsleben der Republik Kongo. Hinzu kommen zahlreiche Kleingewerbetreibende aus den Staaten Westafrikas. Das sind aber nicht nur Konkurrenten. Vielmehr denke ich, dass sich daraus vielfache Exportbeziehungen für deutsche Unternehmen, aber auch als Subunternehmer oder für Drittgeschäfte ergeben können. Deutsche Unternehmen sind in der Republik Kongo sehr willkommen und würden sicher nicht anders behandelt werden als andere Firmen.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit lokalen Mitarbeitern der Botschaft? Erleben Sie Konflikte zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen des einzelnen Mitarbeiters?
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs wurde die deutsche Botschaft 1997 geschlossen und erst Ende 2013 mit nur einem Entsandten wiedereröffnet. Erst ab August 2018 wird die Botschaft mit einem zweiten entsandten Mitarbeiter ausgestattet werden. Derzeit hat die Botschaft nur zwei lokale Halbtagskräfte. Nicht anders als bei deutschen Mitarbeitern gibt es gelegentlich Konflikte zwischen den beruflichen und den privaten Verpflichtungen. Bei der Lösung sind die Führungsqualitäten des Leiters gefragt.
Wie würden Sie die kongolesische Arbeitskultur – im Vergleich zu der deutschen Arbeitskultur – beschreiben?
„Zeit“ und „Pünktlichkeit“ werden im Kongo oft anders definiert als in Deutschland. Hier ist Geduld und Fingerspitzengefühl gefragt. Zudem sind die Arbeitszeiten sehr verschieden. Behörden öffnen selten vor 10 Uhr, und ab 15 Uhr trifft man niemanden mehr an. Im Privatsektor gelten andere Arbeitszeiten, die jedoch „flexibel“ gehandhabt werden.
Welche Tipps würden Sie deutschen Unternehmensvertretern mit Blick auf die von Ihnen wahrgenommenen kulturellen Besonderheiten Kongos geben?
Deutschland hat im Kongo einen guten Ruf, deutsche Produkte werden geschätzt. Deutsche und deutsche Firmen gelten als seriös, zuverlässig, verlässlich und vertrauenswürdig. Auf diesem Vertrauensvorschuss kann man aufbauen. Überheblichkeit oder abfällige Bemerkungen über die vielfachen Schwächen des Landes werden übelgenommen. Positive Entwicklungen sollten entsprechend gewürdigt werden. Interesse an der Kultur des Landes, bis hin zur Teilnahme an Sport- und Tanzveranstaltungen sind sicherlich hilfreich.
Ghana wird ja häufig als „Einstiegstor“ nach Westafrika bezeichnet. Was bietet Kongo deutschen Unternehmen als Sprungbrett, die langfristig die gesamte zentralafrikanische Region im Blick haben?
Die Republik Kongo ist ein vergleichsweise stabiles Land in Zentralafrika mit guter Infrastruktur und einer freundlichen und disziplinierten Bevölkerung. Ihr wirtschaftliches Potenzial für deutsche Unternehmen ist bisher überhaupt noch nicht ausgeschöpft, dabei sind deutsche Investitionen höchst willkommen. Daraus ergeben sich auch eventuelle Exportchancen in die übrigen Staaten Zentralafrikas.
Herr Botschafter, wir bedanken uns für dieses Gespräch.
Botschafter Klaus Peter Schick ist seit 1976 im Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Seine außereuropäischen Einsatzländer waren unter anderem Trinidad und Tobago, Haiti, Indien und Thailand. In Afrika war er bereits in Abidjan / Côte d’Ivoire (ständiger Vertreter des Botschafters) sowie in Asmara / Eritrea (Botschafter) stationiert. Internet: www.brazzaville.diplo.de
Dieses Interview ist im „Kulturprofil Kongo„ erschienen, das den Praxisratgeber „Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara Afrika“ ergänzt. Weitere Interviews zum Umgang mit ausgesuchten afrikanischen Geschäftskulturen sind zu finden auf der Seite zum Praxisratgeber unter „Kulturkompetenz„.