Interview mit Dr. Gerhard Dust, PolyCare Research Technology GmbH & Co. KG
„In Namibias Arbeitskultur wird immer nach Konsens gestrebt“
Dr. Gerhard Dust ist Geschäftsführer der PolyCare Research Technology GmbH & Co. KG aus Gehlberg, die in Namibia ein Projekt zur Anfertigung von Bauteilen aus Wüstensand durchführt. Dr. Dust gibt Einblick in die Besonderheiten der namibischen Geschäftskultur und seine Erfahrungen als Investor in Namibia.
Herr Dr. Dust, wie ist es zu Ihrem Engagement in Namibia gekommen?
Unser Projekt im „affordable housing“ geht zurück auf meine eher zufällige Begegnung mit dem damals neuen namibischen Botschafter in Deutschland auf einer Veranstaltung in Berlin vor einigen Jahren. Er zeigte großes Interesse an unseren Produkten und empfahl diese an Ministerien und Organisationen in seiner Heimat weiter. Daraufhin wurde unsere Firma vom namibischen Bischof Kameeta besucht, der in Vorbereitung des Lutherjahres in Deutschland war, sowie im Anschluss auch von der für Wohnungsbau zuständigen namibischen Ministerin Shaningwa. So kam es zur Teilnahme unserer Firma an der Veranstaltung Invest in Namibia, wo wir ein Musterhaus präsentierten und vielfältige Kontakte zu namibischen Unternehmen und Organisationen knüpften. Und dort fanden wir schließlich auch unsere jetzigen Partner, zwei Bauunternehmen von Deutschnamibiern in der vierten Generation.
Namibia ist eine stark multikulturelle Gesellschaft. Wie macht sich dies nach Ihrer Erfahrung im Arbeitsleben bemerkbar?
Die Zusammenarbeit mit Namibiern mit deutschen bzw. europäischen Wurzeln funktioniert, ob im Rahmen einer Partnerschaft oder eines Angestelltenverhältnisses, reibungslos. Sie sind allgemein sehr verlässlich und auch bereit, im betrieblichen Ablauf selbst Verantwortung zu übernehmen. Bei afrikanischen Partnern bzw. Mitarbeitern, vor allem auf den unteren Hierarchieebenen, ist eigeninitiatives Handeln hingegen eher problematisch. Es gibt es aber. Zudem fällt in afrikanisch geführten Unternehmen ein im Vergleich mit deutschen Unternehmen stärker ausgeprägter Formalismus auf. Es gibt selbst in kleinen Firmen für alles und jedes ein „Board“, wie etwa ein Investment Board oder ein Administration Board. Diese dienen dazu, den in der namibischen Gesellschaft als überaus wichtig erachteten Konsens zu erreichen. Das ist oft sehr zeitintensiv, weil immer nach Einstimmigkeit gestrebt wird und unter Umständen sogar nachträglich noch einmal eine Vereinbarung wieder umgestoßen werden kann: etwa, wenn ein Mitarbeiter, der wegen Abwesenheit nicht mit einbezogen wurde, ein Veto einlegt. Dann fängt der ganze Prozess noch einmal von vorne an, und es geht unter Umständen ein weiteres halbes Jahr verloren.
Was verlangt Führung von namibischen Arbeitnehmern nach Ihrer Einschätzung?
Arbeitnehmer in Namibia erwarten von ihrem Vorgesetzten vor allem drei Dinge: Klare Ansagen über ihre Aufgaben im Arbeitsablauf, pünktliche Bezahlung und einen freundlichen Umgangston. Darüber hinaus sollten Vorgesetzte ihre namibischen Mitarbeiter auf Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Erfüllung von Qualitätsvorgaben kontrollieren.
Erleben Sie Konflikte zwischen Verpflichtungen des einzelnen Mitarbeiters gegenüber Arbeitgeber und (Groß-)Familie?
Derartige Konflikte haben wir selbst in unserer Firma vor Ort bisher nicht erlebt. Es ist jedoch zweifellos so, dass die Loyalität eines Afrikaners auch in Namibia zunächst der Großfamilie und dem Clan gilt. Wenn man einen afrikanischen Mitarbeiter beschäftigt, so muss man daher auch dessen große finanzielle Verpflichtungen gegenüber seiner Familie und Großfamilie berücksichtigen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen leider, dass diese Verpflichtungen im schlimmsten Fall sogar zum „Griff in die Kasse“ führen können. Die Loyalitätsfrage ist auch ein wichtiger Aspekt bei der Einstellung der oft exzellent ausgebildeten jungen Namibier, die häufig an besten und damit oft teuren Universitäten etwa in Südafrika oder in Übersee studiert haben. Deren Großfamilien warten darauf, dass sich ihr teuer ausgebildeter Nachwuchs nun auch großzügig revanchiert. Daneben führt die beschriebene Loyalität dazu, dass etwa bei zu besetzenden Stellen die eigenen Familienangehörigen protegiert werden, was wiederum der Effizienz des Unternehmens zuwiderlaufen kann.
Wie intensiv sind Ihre privaten Beziehungen zu Ihren Geschäftspartnern?
Meine privaten Beziehungen vor allem zu meinen deutschnamibischen Geschäftspartnern sind zweifellos intensiver als zu meinen Geschäftspartnern in Deutschland. Da der Feierabend geregelt ist und Überstunden so gut wie nie anfallen, gibt es mehr Zeit für das soziale Leben am Abend. Da Deutschnamibier auch oft eine heimische Farm besitzen, sind Einladungen dorthin nach Feierabend oder auch für ein Wochenende häufig und werden vom deutschen Besucher natürlich gern angenommen. Intensive private Beziehungen zwischen weißen und schwarzen Geschäftspartnern sind bisher eher selten, obwohl sie generell zunehmen. Doch wird es wird wohl noch etliche Jahre dauern, bis diese so selbstverständlich geworden sind, wie wir uns dies sicher alle wünschen.
Wie gestalten Sie die Pflege Ihrer Kontakte und Netzwerke?
Persönliche Kontakte sind im namibischen Geschäftsleben am wichtigsten. Wir und unsere Projektpartner besuchen uns daher im Jahr mehrmals gegenseitig. Außerdem finden regelmäßig Skype-Konferenzen statt, und natürlich besteht ein lebhafter E-Mail-Verkehr. Außerdem gibt es regelmäßigen Austausch mit der deutschen Botschaft, an deren Events und Veranstaltungen ich teilnehme, wenn ich vor Ort in Windhuk bin.
Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Zahlungsmoral von Kunden und wie verhalten Sie sich bei Forderungsausfall?
Die Zahlungsmoral, auch von öffentlichen Stellen, ist in Namibia deutlich schlechter, als wir das in Deutschland gewohnt sind. Die Banken arbeiten ebenfalls erheblich bürokratischer und langsamer als deutsche Banken. Daher ist im Geschäfts- und speziell im Zahlungsverkehr ein erhebliches Maß an Geduld gefragt. Im privaten Geschäftsverkehr Namibias wird durchaus zur Sicherung und Beitreibung von Forderungen auf das sogenannte Anwaltsinkasso zurückgegriffen, bei dem ein Rechtsanwalt Unternehmen, Selbständige und Privatleute unterstützt. Im Unterschied zu Inkassounternehmen können Rechtsanwälte eine „ganzheitliche“ Dienstleistung anbieten, da ihnen der Rückgriff auf das gesamte rechtliche Maßnahmenspektrum (gerichtlich und außergerichtlich) möglich ist. Allerdings ist vor allem im Geschäftsverkehr mit öffentlichen Stellen bei einem langfristig angelegten Engagement eines ausländischen Investors immer zu einer gütlichen Einigung ohne Einschaltung des Rechtsweges zu raten, die eben Geduld vom Gläubiger erfordert, aber auch die Fortführung des Projektes nicht gefährdet.
Wie viel Anlaufzeit kalkulieren Sie ein, bis Ihr Geschäft profitabel wird?
Wir haben für die Anlaufzeit bis zur Erzielung eines Gewinns etwa ein Jahr kalkuliert. Tatsächlich ist es so, dass in der gegenwärtigen Anlaufphase die finanzielle Hauptlast von uns und unseren deutschnamibischen Partnern getragen wird.
Wie wirkt sich die namibische Politik des Black Economic Empowerment (BEE), durch die die während der Apartheid benachteiligten schwarzen und farbigen Namibier gefördert werden sollen, auf Investoren in Namibia aus?
Diese Politik sieht vor bzw. empfiehlt Investoren, bei neuen Projekten BEE-Partner einzubinden. Wir haben lange nach einem solchen Partner gesucht, der unser Projekt auch langfristig fördern und mit entwickeln kann, und hatten in dieser Phase oftmals den Verdacht, dass angeblich gut vernetzte Personen dabei Korruptionsabsichten hatten. Die Auswahl hat uns jedenfalls viel Zeit gekostet. Wir haben uns letztendlich dafür entschieden, keine Einzelperson ins Boot zu holen, sondern eine Organisation. Unser lokaler BEE-Partner ist die Regierungspartei Swapo, die eigene Investment Firmen besitzt und sich per Satzung zur Armutsbekämpfung verpflichtet hat. Im Moment muss allerdings parteiintern noch „ausgehandelt“ werden, welche der beiden Investmentgesellschaften bei uns beteiligt sein soll.
Hat es Veränderungen oder wichtige Entwicklungen in den letzten Jahren im Geschäftsleben für Sie in Namibia gegeben?
BEE war ein solches Thema. Obwohl es noch gar kein Gesetz dazu gibt, sondern nur eine entsprechende Vergaberichtlinie für öffentliche Stellen, hat die BEE-Diskussion Namibia nach meinem Eindruck geschadet. Die Auflage, einen schwarzen Partner ins Boot zu holen, selbst wenn dieser die Anteilssumme nicht einzahlen kann, schreckt Investoren ab, da wegen der (noch) fehlenden gesetzlichen Bestimmungen keine Rechtssicherheit besteht. Inzwischen scheint es so, dass die BEE-Initiative wieder „zurückgefahren“ wird. Ein weiteres Thema mit Auswirkungen auf das Geschäftsleben ist die Abhängigkeit der namibischen Währung von Ereignissen in Südafrika. Der namibische Dollar ist eins zu eins an den Rand gekoppelt und hat daher den Verfall der südafrikanischen Währung in den letzten Jahren (vor allem 2018) mitgemacht. Dies beeinträchtigt entsprechend unsere betriebliche Kalkulation.
Fühlen Sie sich als deutsche Firma eher bevorzugt oder benachteiligt im Geschäftsleben in Namibia, auch mit Blick auf die deutsche Vergangenheit als Kolonialmacht?
Es ist nach unserer Erfahrung eher ein Vorteil, eine Firma aus Deutschland in Namibia zu sein. Deutschstämmige Firmen genießen in Namibia allgemein einen guten Ruf, von dem auch wir profitieren.
Dr. Gerhard Dust ist gelernter Industriekaufmann und Dipl.-Ökonom, promovierte an der Universität Bayreuth und wurde in seiner beruflichen Laufbahn Experte für die Buchlogistik. Er war 25 Jahre in leitender Funktion im Buchgroßhandel tätig und ab 1999 Geschäftsführer des Buchlogistikunternehmens Libri GmbH. Dust gründete 2010 gemeinsam mit dem Erfinder Gunther Plötner in Thüringen die PolyCare Research Technology GmbH & Co. KG für die marktreife Entwicklung einfacher Not- und Dauerunterkünfte aus Polymerbeton. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Internationalen Wirtschaftsrat e.V.. Kontakt: E-Mail: g1dust@aol.com, Internet: www.poly-care.de.
Dieses Interview ist im „Kulturprofil Namibia„ erschienen, das den Praxisratgeber „Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara Afrika“ ergänzt. Weitere Interviews zum Umgang mit ausgesuchten afrikanischen Geschäftskulturen sind zu finden auf der Seite zum Praxisratgeber unter „Kulturkompetenz„.