Praxisspiegel Uganda

Interview mit Hans Georg Hinterberger, Achelis und Söhne GmbH

Das Rad wird immer wieder neu erfunden

Hans Georg Hinterberger ist Geschäftsführer der Uganda-Niederlassung des deutschen Handelshauses Achelis in Kampala, das hauptsächlich Industrieausrüstungen  in Uganda vertreibt. Hinterberger ist seit 2010 im Land ansässig, mit einer Uganderin verheiratet (zwei Töchter) und gibt Einblick in seine Erfahrungen als deutscher Firmenchef in der ugandischen Arbeitswelt.

Herr Hinterberger, Uganda ist ein Vielvölkerstaat mit vielen verschiedenen Traditionen, Religionen, Sitten und Gebräuchen. Wie macht sich nach Ihrer Erfahrung die unterschiedliche Herkunft im Arbeitsleben bemerkbar? 

Im geschäftlichen Alltag bemerkt man die kulturellen Unterschiede zwischen den ugandischen Volksstämmen nicht wirklich. Was aber auffällt, ist, dass Menschen aus einigen Regionen besseres English sprechen als die meisten. Dies trifft besonders auf die Leute aus dem Norden, bzw. vor allem aus der Region West Nile (Arua, Gulu und Lira) zu. Ich kann nicht sagen, woher das kommt, aber selbst Ugander aus anderen Landesteilen erkennen das an. Innerhalb unseres Unternehmens gibt es Mitarbeiter aus allen Landesteilen. Sicherlich kann man eine gewisse Gruppenbildung und gegenseitige Sympathie unter Mitarbeitern, die aus derselben Region stammen, erkennen, und zwar auch, wenn sie zu unterschiedlichen Volksstämmen gehören.

Wie würden Sie die ugandische Arbeitskultur beschreiben?

Die meisten Ugander sind willig und hilfsbereit. Besonders Frauen geben sich sehr viel Mühe. Leider fehlt es generell an den aus Deutschland gewohnten Arbeitsmethoden und Organisation. Effiziente Planung über den Tag oder die Woche hinaus ist schwierig. Auch fehlt in der Regel die Erfahrung, wie andere das machen oder Probleme gelöst haben. Das hat auch damit zu tun, dass ugandische Mitarbeiter sich untereinander nicht mit Tipps oder mit Hinweisen auf Fehler unterstützen. Man will einfach nicht anecken oder besserwisserisch wirken, man schaut lieber weg. Daher mangelt es an einem Lernprozess und „das Rad wird immer wieder neu erfunden“ – leider mit unterschiedlichen Resultaten. Problematisch ist ferner, dass Anweisungen oder eine vereinbarte Vorgehensweise nicht oder nur teilweise beachtet werden. Beispielsweise werden unangenehme oder unbequeme Teile eines Arbeitsablaufes einfach übersprungen. Speziell gegenüber europäischen (weißen) Mitarbeitern und Vorgesetzten besteht unter den Ugandern eine latente Unsicherheit und Angst, etwas falsch zu machen. Darum wird wenig gefragt und mehr improvisiert – sozusagen „aus dem Bauch“ oder dem Gedächtnis heraus gehandelt. Es fehlt insgesamt an Selbstvertrauen und dem Verständnis für die Kontinuität von Arbeitsabläufen.

Welche Anforderungen stellt dies an eine Führungskraft?

Man muss in Uganda seine Mitarbeiter wegen der bereits beschriebenen Defizite viel stärker kontrollieren. Werden die besprochenen Arbeitsabläufe richtig umgesetzt? Aber auch die (latente) Gefahr von Mitarbeiterdelikten in Form von etwa Diebstahl, Unterschlagung, Urkundenfälschung, Einreichung fremder Bewerbungsunterlagen als eigene, überhöhte Rechnungsstellung, Absprachen mit Lieferanten usw. spielt eine Rolle. Die Mitarbeiter erwarten von ihrem Vorgesetzten Anleitung, aber auch Anerkennung und Zustimmung. Natürlich gibt es auch in Uganda erstklassige Mitarbeiter, die entweder schon in anderen Unternehmen Erfahrung und Selbstvertrauen gesammelt oder im Ausland studiert haben, aber diese befinden sich leider in der Minderheit.

Wie sind denn Ihre Erfahrungen im Umgang mit lokalen Geschäftspartnern und Behördenvertretern?

Auch hier ist erst einmal Hilfsbereitschaft und Verständnis vorhanden. Dies trifft etwas weniger zu auf Ugander mit indischen Wurzeln, von denen es erstaunlich viele gibt. Von diesen legen die meisten ein sehr professionelles Verhalten an den Tag, was das Verhandeln sowie die Herangehensweise an Probleme betrifft. Bei Behördenvertretern geht es wie überall in Afrika (und darüber hinaus) meist ziemlich bürokratisch und unflexibel zu. Allerdings hat man als Europäer Vorteile bei den Behörden: Man wird respektvoller behandelt als „einfache“ Ugander.

Erleben Sie Konflikte zwischen Verpflichtungen des einzelnen Mitarbeiters gegenüber Arbeitgeber und (Groß-)Familie?

Die Konflikte ergeben sich ganz zwangsläufig daraus, dass Ugander mit einem regulären Job und einem regelmäßigen Einkommen oft ihre Großfamilien unterstützen müssen. Diese Unterstützung überfordert viele bzw. führt häufig zu Handlungen, die den Interessen ihrer Arbeitgeber zuwiderlaufen. So versuchen ugandische Angestellte praktisch immer, Familienmitglieder zu bevorzugen, sie z.B. als Mitarbeiter oder Lieferanten einzuschleusen. Wenn bei Familienangelegenheiten ein Fahrzeug benötigt wird, greifen sie gerne auf Firmenfahrzeuge zurück, ob mit oder ohne Genehmigung. Bei Familienfeierlichkeiten wie Hochzeiten oder Beerdigungen muss der Betrieb schon mal eine Woche lang auf die betreffenden Mitarbeiter verzichten, von denen zudem erwartet wird, dass sie für die vergleichsweise immensen Kosten der Feierlichkeiten aufkommen. Auch mich erreichen Geldbitten von Familienangehörigen meiner ugandischen Frau, die mich von ihrem familiären Umfeld abzuschirmen versucht. Ebenso gehören unangekündigte Besuche zu Übernachtungszwecken zum Alltag in Uganda. Familie steht hier über allem.

Wie intensiv sind Ihre privaten Beziehungen zu Ihren Geschäftspartnern?

Ich habe einige gute Freunde, sowohl aktuelle und ehemalige Mitarbeiter als auch Geschäftspartner, mit denen ich mich regelmäßig treffe. Man verabredet sich zum Sport oder sonstigen Veranstaltungen, auf ein Bier oder zum Abendessen. Ausländer und Ugander treffen sich eher selten zu Hause, solche Einladungen gibt es nur zu bestimmten offiziellen Anlässen. Anders sieht es bei Ugandern aus, die sich untereinander auch ohne Einladung zu Hause treffen.

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Zahlungsmoral von Kunden und wie verhalten Sie sich bei Forderungsausfall?

Zahlungsmoral ist hier ein Fremdwort. Wir als Firma haben strikte Zahlungsmodalitäten, Kredit wird nur Unternehmen gewährt, und diese müssen sich erst als korrekte Partner „beweisen“. Im privaten Sektor kommen Zahlungsausfälle häufiger vor, als im staatlichen Umfeld. Bei den öffentlichen Institutionen haben sich die Verhältnisse in dieser Hinsicht zuletzt gebessert, da Aufträge nur noch dann vergeben werden dürfen, wenn das Geld im Ministerium oder in der Institution vorhanden ist oder zumindest im Budget eingeplant wurde. Alle Zahlungen werden über das Ministerium für Finanzen abgewickelt. Dies hilft in vielen Fällen, jedoch einige Ministerien sind sehr schwierig, andere dagegen wieder gut organisiert. Bei Zahlungsausfall kann man sogenannte Bailiffs (engl.) oder Anwälte einschalten, was natürlich immer mit Kosten verbunden ist. Bei größeren Beträgen kann man vor Gericht ziehen, aber in den meisten Fällen bringt das auch nicht viel. Man versucht, säumige Schuldner mit Anrufen und Besuchen unter Druck zu setzen.

Wie viel Anlaufzeit sollte man nach Ihrer Erfahrung einkalkulieren, bis ein Geschäft profitabel wird?

Das kommt auf den Geschäftsbereich an, aber im Handel mit Investitionsgütern muss man sich schon fünf Jahre Zeit geben. Da die meisten Aufträge von der Regierung vergeben werden, muss man sich erst ein Netzwerk aufbauen und Vertrauen gewinnen.

Hat es Veränderungen oder wichtige Entwicklungen in den letzten Jahren im Geschäftsleben für Sie in Uganda gegeben?

Speziell in den letzten beiden Jahren gab es zum Teil sehr positive Veränderungen. Zum einen wurden viele ältere Regierungsbeamte in leitenden Positionen durch jüngere ersetzt. Auch die oben erwähnte Einführung von Zahlungsmodalitäten mit strengen Vorgaben, wonach Aufträge im staatlichen Sektor durch Planung und Mittel gedeckt sein müssen, hat geholfen. Zur Zeit wird mit der Aussicht auf Erdölförderung sehr viel in Infrastruktur investiert, von Straßen über Häfen, Businessparks, Bahn bis Logistikzentren. Auch die Landwirtschaft wird stärker gefördert als in der Vergangenheit. Davon profitiert dann auch die Privatwirtschaft, so dass das Geschäftsklima allgemein derzeit sehr positiv ist.

Fühlen Sie sich als deutsche Firma eher bevorzugt oder benachteiligt im Geschäftsleben in Uganda?

„Made in Germany“ sowie die Einschätzung, dass deutsche Firmen korrekt und zuverlässig arbeiten, sind auch in Uganda eine weit verbreitete Erwartungshaltung. Wir bei Achelis versuchen unser Bestes, dieses Image zu bedienen, was allerdings mit der lokalen Mannschaft dann wieder eine Herausforderung sein kann…. Grundsätzlich haben alle europäischen sowie auch US- und kanadische Firmen hier einen Vertrauensvorsprung gegenüber solchen aus China und Indien oder auch gegenüber lokalen Firmen. Im Endeffekt wird aber immer über Preis und Leistung entschieden, ob man erfolgreich ist oder nicht.

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Hans Georg Hinterberger ist gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann und Handelsfachwirt, mit einem MBA – Master of Business Administration von der Edinburgh Business School of Heriot-Watt University, Schottland. Hinterberger hat als Eigentümer ein Start-up-Unternehmen für Systemtechnologie in München aufgebaut und war viele Jahre als Finanzmanager für ein Unternehmen der Papierindustrie in Zypern sowie als kaufmännischer Leiter / Commercial Director für ein Energieunternehmen in Irland tätig. Seit 2010 leitet er als Geschäftsführer / Managing Director die Niederlassung des deutschen Handelshauses Achelis und Söhne GmbH in Uganda, Achelis (Uganda) Ltd., Kampala. Kontakt: E-Mail: hans-georg.hinterberger@achelis-group.com, Internet: www.achelis.net.

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Dieses Interview ist im „Kulturprofil Uganda„ erschienen, das den Praxisratgeber „Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara Afrika“ ergänzt. Weitere Interviews zum Umgang mit ausgesuchten afrikanischen Geschäftskulturen sind zu finden auf der Seite zum Praxisratgeber unter „Kulturkompetenz„.