Drucken

Interview: In Uganda ist man nie allein

Uganda ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und zählt zu den industriell am weitesten entwickelten Staaten Ostafrikas. Das deutsche Interesse an Uganda ist bislang gering, das Land entsprechend fremd. „Mache Dir das Fremde vertraut und entfremde das Vertraute“ sagt Dr. Eva Maria Bäcker, Expertin für interkulturelle Kommunikation, und hat ein Buch über die Kultur Ugandas geschrieben. Auch für Geschäftsleute aus Deutschland enthält es wertvolle Tipps für den Umgang mit ugandischen Partnern.

blog:subsahara-afrika: Frau Dr. Bäcker, wie ist es zu Ihrem Buch „Welcome to Africa – Interkulturelle Kompetenz für Uganda“ gekommen?

Eva Maria Bäcker: Die Idee, oder besser gesagt, die Notwendigkeit dazu ergab sich durch die Zusammenarbeit mit ugandischen Partnern in der Weiterbildung. Seit einigen Jahren führen Dr. Justine Magambo, die Gründerin von EDDA Africa e.V., und ich E-Learning Kurse für das ITCT Zentrum in Kampala durch. Ugandische Lehrer werden z.B. mit Computerkenntnissen versehen, um diese Kenntnisse in ihrem Unterricht einzusetzen und an andere Lehrer weiterzugeben. Die Zusammenarbeit verläuft insgesamt sehr angenehm. Doch gibt es auch Stolpersteine, z.B. technische Störungen und interkulturelle Missverständnisse. Immer wieder müssen Unklarheiten aufgelöst werden. Beispielsweise werden Unterrichtstermine bestätigt, aber dann nicht eingehalten. Keine böse Absicht, sondern nur verschiedene Perspektiven – wie sich meist im Nachhinein herausstellt.

blog:subsahara-afrika: Welchen Zweck verfolgt dieses Buch, wer sollte es lesen?

Bäcker: Es geht um das Kennenlernen von Uganda und den Abbau von Vorurteilen. Das Buch ist für Menschen aus dem deutschen Kulturkreis geschrieben, die beruflich mit Ugandern zu tun haben. Da wir in Deutschland und in Uganda im Bildungswesen tätig sind, haben wir die kulturellen Unterschiede für den Weiterbildungsbereich analysiert. Vieles lässt sich ebenso auf andere Branchen übertragen. Wie sich schnell herausstellte, interessierten sich auch Ugander sehr für das Thema und wollten wissen, wie „die Deutschen so ticken“. Uns wurden von deutschen und ugandischen Kollegen viele kritische Situationen geschildert. Diese Erlebnisse haben wir im ersten Teil des Buches mittels der Methode „Storytelling“ aufbereitet. Im zweiten englischen Teil hat Justine Magambo typische Fragen, mit denen sie im Unterricht von Deutschen konfrontiert wird, aufgegriffen, z.B. „… is your country poor?“

blog:subsahara-afrika: Uganda ist ein Land, das weniger im Fokus vor allem deutscher Unternehmen steht. Warum sollte sich ein deutscher Geschäftsmann bzw. eine deutsche Geschäftsfrau dennoch mit ihm befassen?

Bäcker: Der wichtigste Grund ist: „The Lions go digital!“. Die Mobiltechnologie hat in Afrika einen riesigen Sprung gemacht und bietet unendliche innovative Möglichkeiten. Die Digitalisierung greift mittlerweile in alle Lebensbereiche ein, so sind z.B. mobile Geldtransaktionen schon fast die Norm. Man kann sicherlich von einer mobilen Technologie-Revolution sprechen, wenn man bedenkt, dass der Kontinent Millionen von Facebook-Nutzern hat. Nicht zu vergessen, dass Uganda eine junge Bevölkerung mit einem Durchschnittsalter von 15 Jahren aufweist. Viel Potenzial an motivierten Leuten, wie wir in unseren IT-Kursen und an den Universitäten kennengelernt haben. Die Republik Uganda hat seit den 90er Jahren ihre soziale und wirtschaftliche Lage erkennbar verbessert. Natürlich gibt es noch eine Diskrepanz zwischen dem relativ gut entwickelten südlichen Teil, mit der Hauptstadt Kampala, und den ländlichen Gebieten des Nordens und Ostens. Etwa ein Viertel des BIP wird im Industriesektor erwirtschaftet, dessen traditionell wichtigster Wirtschafszweig die Baubranche ist. Auch die Tourismusbranche expandiert. Die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre ist darauf angelegt, Vertrauen aufzubauen und Kontinuität zu signalisieren.

blog:subsahara-afrika: Gab es in ihrer Zusammenarbeit mit Frau Dr. Magambo Erlebnisse, über die Sie rückblickend sagen würden: typisch “deutsch”, typisch “ugandisch”?

Bäcker: Da muss ich schmunzeln und diese Frage verneinen. Es gab keine Situation, in der wir sagten: „Das ist ja mal wieder typisch“. Vielleicht haben wir es auch nicht bemerkt, weil wir uns gut verstehen. Vom Typ her sind wir uns ähnlich. Kommunikativ, neugierig, schnell erreichbar und immer in Bewegung. Frau Dr. Magambo hat in Deutschland studiert und kennt unsere Kultur sehr genau. Durch meine Tätigkeit im E-Learning habe ich es weltweit mit vielen Kulturen zu tun und am Institut für Afrikanistik der LMU in München auch Ethnologie studiert. Beruflich sprechen Justine und ich die gleiche Sprache. Unterschiedliche Meinungen diskutieren wir aus. Vielleicht ist das ja typisch – für beide: Diskussionen werden in Uganda ausgiebig geführt, aber auch in Deutschland, wenn man an politische und wissenschaftliche Diskurse denkt.

blog:subsahara-afrika: Welche Faktoren bestimmen die Verhaltens- und Denkweisen der Ugander?

Bäcker: Uganda ist ein wahrer Schmelztiegel mit unterschiedlichsten Menschen. Wie bei allem, entscheidet auch hier der Kontext: Wen trifft man wo und warum? Natürlich findet man Kulturstandards, die im eigenen Land in derartiger Weise nicht auftreten. Auf Ugander wirken Deutsche oft sachlich und distanziert. In Deutschland trägt der Einzelne die Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg. In Uganda wird vorwiegend im Kollektiv gedacht. Natürlich zählen in Uganda auch Fachwissen und Diplome. Aber bevor es um geschäftliche Angelegenheiten geht, wird erst eine persönliche Beziehung zwischen Geschäftspartnern aufgebaut. Es wird der gemeinsame Weg anvisiert, nicht die individuelle Leistung. Der Respekt vor Vorgesetzten und Älteren ist erkennbarer als in Deutschland. In vielen Aspekten sind Ugander „korrekter“ als Deutsche, z.B. in ihrer Kleidung. Für den Beruf existiert eine Kleiderordnung, ebenso für Aufenthalte in Behörden und Ministerien. Vieles hat sich aber auch an internationale Standards angeglichen, da viele junge Ugander im englisch-sprachigen Ausland studiert haben und die internationalen Businessregeln kennen. Aus interkultureller Sicht sind zwei Varianten der Kommunikation zu identifizieren: Das Verhältnis von direkter zu indirekter Kommunikation. Wo Deutsche eher knapp und fachlich kommunizieren, sind Ugander geübt darin, Gesprächspartner einzuschätzen, Themen zu wechseln und indirekt „durch die Blume“ zu sprechen. Der direkte Blickkontakt wird von Ugandern räumlich meist als zu eng erlebt.

blog:subsahara-afrika: Was ist Ihnen noch aufgefallen?

Bäcker: Mir ist oft passiert, dass sich ugandische Kollegen oder Studenten auf meinen Besuch vorbereitet haben und lange vor mir am Besprechungsort waren. Dass ich mich wohlfühle, war ihnen wichtig. Geschäftsbeziehungen lassen sich hauptsächlich über den persönlichen Kontakt anbahnen. Persönliche Empfehlungen können dabei äußerst hilfreich sein und den zeitlich oft sehr langwierigen Prozess des Kennenlernens deutlich verkürzen. Die Religion fließt auch in die geschäftliche Kommunikation mit ein. Unter Emails steht z.B. oft „God bless you“. Es kann auch passieren, dass man vor einem Meeting zu einem „Let`s pray“ aufgefordert wird und dann ein paar Worte sprechen soll. Manche Ugander sprechen im beruflichen Kontext von „Ubuntu“. Das bedeutet in etwa „Menschlichkeit“. Überhaupt ist viel von „Share“, also von „Teilen“ die Rede. Das hört man oft. Es geht darum, gemeinsames Wissen weiterzugeben, damit es verbreitet wird und alle davon profitieren.

blog:subsahara-afrika: Was kann denn Deutschen in Uganda richtig schwerfallen?

Bäcker: Man sagt: „In Afrika ist man nie allein!“. Und das kann für Deutsche manchmal anstrengend werden. In Deutschland ist es z.B. höflich, einen Geschäftspartner zum Essen einzuladen. Danach gewährt man ihm Privatsphäre. Anders in Uganda: Da hat man ständig Menschen um sich herum, die den Gast nicht „einsam“ lassen möchten. Denn das wäre unhöflich. So bliebt meist nur wenig Zeit, „Luft zu holen“ und ein paar Minuten allein zu sein. Schließlich gilt es auch, sich an das Klima am Äquator anzupassen. Wichtige Entscheidungen werden nicht individuell, sondern innerhalb der Familie getroffen. Dem Gast werden also viele Leute vorgestellt, die teilweise dann auch Gegenleistungen erwarten, wie Hilfe bei beruflichen Empfehlungen, etc.. Viele Abläufe können für Deutsche anfangs verwirrend sein, z.B. bei Meetings. Zum einen sind sie unkomplizierter als in Deutschland, was die Perfektionserwartung an Vorträge und die Organisation angeht. Es zählen Sympathie zwischen den Beteiligten und die Beziehungsebene. Auf der anderen Seite ist eine starre Hierarchie vorgegeben, was die Stellung der ranghöheren Personen und den offiziellen Rahmen angeht. Hier ist genaues Beobachten, Nachfragen und Fingerspitzengefühl gefragt.

blog:subsahara-afrika: Wie sollte man als „Novize“ Uganda am besten angehen?

Bäcker: „Sehen ist besser, als erzählt bekommen“, rät ein ostafrikanisches Sprichwort. Deshalb sollte Uganda am besten persönlich „erfahren“ werden. Der Tourismusverband bezeichnet Uganda als „Africa’s friendliest country“. Winston Churchill nannte Uganda „Pearl of Africa“. Uganda liegt unmittelbar am Äquator und am Viktoriasee, dem der Nil entspringt, der bis Ägypten führt. Da kann man z.B. per Boot den Äquator überqueren oder abenteuerliche Wildwasserfahrten unternehmen – Nervenkitzel inklusive. Im Prinzip kann man an einem Tag durch fast alle Klimazonen reisen, z.B. in der Savanne Löwen beobachten, im Regenwald Schimpansen aufspüren, in den nebligen Virunga-Vulkanen Gorillas entdecken, am Viktoriasee relaxen, die schneebedeckten Gipfel der Rwenzori-Berge besteigen und eine Shopping-Tour in einer schicken Einkaufs-Mall in Kampala vornehmen … Lesenswert ist der Visitor’s Guide in Comicform von Shirley Byakutaaga, der die ugandische Kultur gut erklärt, sie aber auch ein wenig “auf die Schippe” nimmt.  Die Website www.visituganda.com motiviert sehr, das Land zu bereisen.

blog:subsahara-afrika: Was würden Sie denn einem ugandischen Geschäftsmann bei seinem Besuch in Deutschland zeigen, um sein Verständnis der deutschen Kultur zu erleichtern?

Bäcker: Ich würde den ugandischen Geschäftspartner zu mir nach Hause einladen und ihm meine Familie vorstellen. Zu diesem privaten Binnenbereich hätte er sonst im beruflichen Alltag kaum Zugang. Außerdem würde ich mich darum kümmern, dass er vom Flughafen abgeholt und wieder hingebracht wird. Natürlich würde ich mit ihm auch das übliche Besucherprogramm absolvieren, wie einen Ausflug zu den Sehenswürdigkeiten meiner Stadt. Aber, damit er wirklich viel „Typisches“ sieht, würde ich ihn auch in ganz alltägliche Situationen einbeziehen, z.B. mit ihm einen Supermarkt, ein Gartencenter oder einen Sportclub besuchen oder mit der U-Bahn fahren.

uganda_baeckerDr. Eva Maria Bäcker ist Expertin für interkulturelles E-Learning und zertifizierte Trainerin für interkulturelle Kompetenz. Sie lehrt an der IUBH Bad Honnef-Bonn, Steinbeis Hochschule Berlin und Uganda Technology & Management University. Weiter entwickelt sie internationale Bildungsprogramme, berät Unternehmen und trainiert Expatriates. Gemeinsam mit Dr. Justine Magambo ist sie Autorin des Buches „Welcome to Africa – Interkulturelle Kompetenz für Uganda“. Kontakt: Tel.: 0221 50803653, E-Mail: baecker@lebenswelt-marketing.de, Internet: www.lebenswelt-marketing.de.

(Bildnachweis: Simisa – www.commons.wikimedia.org)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Hinweis:
Bitte beachten Sie unsere Blogregeln. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch auf die Veröffentlichung Ihres Kommentars. Je nach Inhalt behalten wir uns vor, von einer Veröffentlichung abzusehen. Mit dem Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der Veröffentlichung auf dieser Website zu. Auf Wunsch des Absenders können Kommentare auch wieder gelöscht werden. Bitte senden Sie in diesem Fall eine E-Mail an den Administrator.