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Afrikas Champions: Chandarana – Kenias älteste Supermarktkette bleibt im Spitzenteam

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht die älteste Supermarktkette Kenias, die seit Jahrzehnten ihren Erfolgskurs unbeirrt fortsetzt und schon einige Großkonkurrenten aus dem Feld geschlagen hat: Chandarana Foodplus – wie sie sich seit etlichen Jahren nennt –  steht inzwischen an dritter Stelle der führenden Supermärkte im Land und ist kurz davor, die erfolgreiche Expansion auch über die Grenzen in die Region fortzusetzen.

Vom kleinen Lebensmittelladen „Duka“ zur modernen Supermarktkette in zweiter Generation

Es ist die klassische Geschichte des indischen „Dukawallah“ – was so viel wie Ladenbesitzer heißt – in Afrika und vor allem Kenia, wo eine indisch-stämmige Minorität schon seit Beginn der Kolonialzeit einen starken Teil der gewerblichen Wirtschaft bildet. Hintergrund: Die Briten hatten aus ihrer damaligen Kolonie Indien Arbeitskräfte zum Eisenbahnbau nach Ostafrika gebracht. Und bald wurde „Duka“ als Wort für Lebensmittelshop auch in die lokale Suaheli-Sprache aufgenommen. In der Folge entstanden in den meisten kenianischen Städten bestimmte Viertel, die von der asiatischen – indischen oder pakistanischen – Minderheit bevorzugt wurden. In der Hauptstadt Nairobi ist dies bis heute vor allem der Parklands-Distrikt, wo noch während der Kolonialzeit mit dem Highridge Shopping Centre eines der ersten Einkaufszentren des Landes entstand.

Dort eröffnete 1964, ein Jahr nach der Unabhängigkeit Kenias, der indische „Dukawallah“ Shantilal Mulji Thakkar seinen kleinen Lebensmittelladen unter dem Sanskrit-Namen „Chandarana“(zur Geschichte von Chandarana siehe etwa hier). Ladeninhaber Thakkar begann mit zwölf Angestellten und bediente seine vorwiegend indisch-stämmige Kundschaft noch selbst über die Ladentheke, versorgte sie vor allem mit indischen Lebensmitteln und Gewürzen. Nur allmählich wurden im Lauf der folgenden zwei Jahrzehnte – sozusagen mit dem Wachstum der Familie, deren drei Söhne in das Geschäft einstiegen –  weitere Chandarana-Supermärkte in Einkaufszentren anderer Stadtteile von Nairobi sowie an der kenianischen Küste eröffnet, zunächst vorwiegend in Gegenden mit hohem Anteil der asiatisch-stämmigen Bevölkerung Kenias. Inzwischen betreibt Chandarana Foodplus – Stand 2023 – landesweit 24 Supermärkte und rangiert damit als Kenias ältester Supermarkt immerhin an dritter Stelle nach den großbetrieblichen Marktführern Naivas (84 Läden) und Quick Mart Ltd. (51 Läden), beides kenianische Gründungen aus neuerer Zeit.

Dagegen sind die früheren jahrzehntelangen lokalen Marktführer Uchumi und Nakumatt sowie inzwischen auch Tuskys im Wettbewerb untergegangen, Opfer ihrer finanziell schlecht abgesicherten Expansionsstrategie sowie der Verwerfungen aus der Zeit der Covid-Pandemie. Ein besonderer Schritt war in jüngster Zeit der Gang von Chandarana nach Kisumu und Kakamega in Westkenia, wo vor allem die lokale Konkurrenz durch die – ebenfalls indisch-stämmige – Supermarktkette Khetia Drapers im Markt etabliert ist. Nach letzten vorliegende Schätzungen hat sich der Marktanteil von Chandarana im Laufe weniger Jahre immerhin auf 10 Prozent vervielfacht, während die beiden großen Marktführer Naivas und Quick Mart jeweils rund 23 Prozent halten.

Die Eigentümer- und Managementstruktur bei Chandarana ist typisch für indisch-stämmige Unternehmen im Einzelhandel: Die Kinder – vor allem die Söhne – der Familie übernehmen im Lauf der Zeit die Geschäfte vom Vater. Bei Chandarana waren es Shantilal Mulji Thakkars Söhne Anil, Sanjay und Dipin, die alle in jungen Jahren in das Familienunternehmen eintraten und nach dem Rückzug des Vaters die Firmenleitung übernahmen. Die drei wurden jeweils für einen Geschäftsbereich als Direktor zuständig: Anil Thakkar für Einkauf und Produktauswahl, Sanjay für Logistik / Warenlager und Dipin für Finanzen, IT und Marketing. Damit werden nach wie vor alle wichtigen betriebliche Entscheidungen in der inzwischen auf rund 1.300 Mitarbeiter angewachsenen Supermarktkette innerhalb der Familien gehalten.

Engmaschiges Lieferantennetzwerk, Ausrichtung auf regionale Kundensegmente und „in-house-shops“ sind Erfolgszutaten

Chandarana hat von Anfang an bestimmte Geschäftsprinzipien verfolgt, , immer mit dem vorrangigen Ziel, Kosten möglichst niedrig zu halten. Dazu gehört zunächst die Konzentration auf Nahrungsmittel – ohne die in vielen Supermärkten üblichen „Non-Food“-Abteilungen, etwa mit „weißer Ware“, also Elektrohaushaltsgeräten. So verfügt das Unternehmen auch nicht über ein größeres eigenes Lagerhaus, das sich erfahrungsgemäß erst ab einer gewissen Größe mit den entsprechenden „economies of scale“ rechnet. Vielmehr verlässt sich Chandarana auf ein engmaschiges Netzwerk von Lieferanten, die verlässlich und in kurzer Zeit – üblicherweise in maximal zwei Stunden – die Regale einzelner Geschäfte wieder auffüllen können.

Ein weiteres Prinzip, das ebenfalls Kosten- und Logistikvorteile bedeutet, ist die Kooperation mit Anbietern in speziellen Bereichen wie: Backwaren, Konditoreiartikel, Obst und Gemüse sowie Feinkost. Diese Spezialisten verkaufen ihre Waren in den Chandarana-Märkten in Form von „in-house-shops“ und zahlen Chandarana eine Kommission. Dieses Geschäftsprinzip hat sich ganz offensichtlich bei Chandarana über die Jahre bewährt und eine kostengünstige, flexible Bedienung etwa auch neuer Tendenzen im Kundengeschmack erlaubt – dies, wie man bei Chandarana gern betont, ohne aufwändige eigene Produktentwicklungen, die laut zu Lasten der Qualität gehen könnten.

Auch bei ihrer Expansion hat die Supermarktkette bestimmte Prinzipien verfolgt, so vor allem die Anpassung an die jeweiligen regionalen Kundensegmente mit ihren speziellen Bedürfnissen – wie etwa in mehrheitlich asiatisch oder aber international geprägten urbanen Bezirken. Außerdem werden je nach lokaler Bedarfsstruktur auch zum Teil kleinere Läden eröffnet. Beim Werdegang der Chandarana-Kette gilt als Wendepunkt und Wachstumsschub die Eröffnung eines Supermarkts Ende der 1980er Jahre im Yaya Centre, dem ersten modernen, internationalen Standards nahekommenden Einkaufszentrum Kenias nahe dem Stadtzentrum von Nairobi. Hier musste eine gehobene, multikulturelle Kundschaft mit einem relativ hohen Anteil von Expatriates, vorwiegend Europäer und US-Amerikaner, bedient werden, neben dem stabilen Anteil indisch-stämmiger Kunden sowie der wachsenden einheimischen Mittelklasse. In den nächsten Jahren wurden weitere „Chandaranas“ in den Shopping Malls der „gehobenen“ Stadtbezirke Nairobis sowie auch in einem beliebten Touristenort an der Küste eröffnet. Inzwischen besteht das Sortiment laut Firmenangaben etwa zur Hälfte aus Importprodukten.

Expansion mit Tempo… und trotz „Marketing-Skandals“

Dabei hat sich die Expansionsgeschwindigkeit in den vergangenen Jahren beschleunigt, entsprechend einem Fünfjahresplan von 2015, der eine – inzwischen gelungene – Verdopplung der Ladenlokale in Kenia vorsah. Der neueste Trend geht hierbei allgemein stärker weg von den Shopping Malls in die „residential areas“, unter anderem Folge der zunehmenden städtischen Verkehrsprobleme. In Nairobi sind dies vor allem die Bezirke wie Muthaiga, Lavington oder Karen mit stark „kosmopolitischer“ Klientele (Botschaften, internationale Organisationen sowie Politiker und wohlhabende europäisch-stämmige Minderheiten). In Zukunft will Chandarana aber auch den Schritt über die Grenze ins Auge fassen, wie schon vor einiger Zeit aus dem Management-Team laut wurde.

Dem hohen Expansionstempo konnte auch ein geradezu „hochnotpeinlichen“ Marketingskandal nichts anhaben, der fast die Lizenz des Unternehmens in Gefahr gebracht hätte. Was passiert war: Eine nur vorübergehend in der Marketingabteilung eingestellte Inderin (Touristin) verschickte eine E-Mail an Kunden mit Hinweis auf eine spezielle Marketingaktion für die „weiße Kundschaft“, was natürlich an die Presse „geleakt“ wurde und in den sozialen Medien viral ging. Dies rief den Bürgermeister von Nairobi auf den Plan, der kurzerhand öffentlich der Supermarktkette mit dem (ja zweifellos berechtigten) Vorwurf des Rassismus die Lizenz entzog – höchstwahrscheinlich ohne legale Befugnis, aber: „The damage was done“ (siehe dazu etwa hier). Weitere juristische Maßnahmen konnten von Chandarana nur durch eine öffentliche Entschuldigungskampagne (sogar auf YouTube), den Rausschmiss der Zeitangestellten und vermutlich weitere personalpolitische Veränderungen in der Managementstruktur abgewendet werden.

(Bildnachweis: Chandarana Foodplus)

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