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Herausforderung Hafenlogistik: Blockchain-Technologie als Lösung?

Die Logistik in den Häfen Subsahara-Afrikas bereitet Managern Kopfzerbrechen. Die Importinfrastruktur ist ineffizient, schwer planbar, veraltet und von starker Korruption betroffen. Können digitale Lösungen wie die Blockchain-Technologie zur Problemlösung beitragen? Prof. Philipp von Carlowitz und Paul Reichert von der ESB Business School der Hochschule Reutlingen* beschreiben, welche technologischen Fortschritte zu verzeichnen sind und was für Herausforderungen bestehen.

Für die Hafenlogistik benötigte Dokumente werden meist nicht zentral an einem Ort, sondern auf unterschiedlichen Datenträgern abgelegt – oft sogar noch in Papierform. Ihr ineffizienter Austausch und manuelles Handling führen zu Fehlern, Verzögerungen und sind ein Einfallstor für Betrug. Dies resultiert in einer fast willkürlichen Abfertigungsdauer in den Containerhäfen und schwer kalkulierbaren Kosten. Diese Ungewissheit nimmt Unternehmen die Grundlage für effektive Prognosen und Planungen, sodass Unternehmen überhöhte Sicherheitslagerbestände aufbauen müssen und mehr Arbeitskapital benötigen, um in Subsahara-Afrika Produkte erfolgreich vertreiben zu können. Digitale Lösungen und insbesondere die Blockchain-Technologie, bekannt geworden durch Kryptowährungen, bieten hier Möglichkeiten zur Optimierung.

E-Customs und Blockchain in der Importlogistik

Diverse Länder, u. a. Ruanda und Kenia, haben sogenannte e-Customs Lösungen in der Zollabfertigung eingeführt. In Kenia wurde bspw. das integrated Customs Management System (iCMS) eingeführt, das seit Mitte 2021 laut offiziellen Angaben funktioniert. Bei diesen digitalen Zollabfertigungslösungen müssen normalerweise die Frachtpapiere vorab digital hinterlegt werden, so dass die Zollabfertigung vor Ort dann schneller und mit den richtigen Dokumenten durchgeführt werden kann. Laut Aussagen von Logistikexperten funktioniert dies teilweise schon recht gut. Allerdings wird auch immer wieder auf Unterbrechungen des Systems hingewiesen, sodass dann wieder auf die Papier-Bürokratie umgestellt werden muss.

Eine wichtige Technologie im Zusammenhang mit der Importlogistik ist die Blockchain-Technologie. Vorteil der Blockchain ist, dass es sich um eine dezentrale Datenbank handelt: Jeder Teilnehmer an der Blockchain speichert auf seinem Computer eine vollständige Kopie des Datenverlaufs. Außerdem können hinzugefügte und von den Teilnehmern der Blockchain verifizierte Informationen nicht mehr gelöscht oder geändert werden. Der Vorteil der Nutzung von Blockchain-Technologie in der Logistik (und Supply Chain) liegt vor allem in der Schaffung einer hohen Transparenz und folglich einer erhöhten Manipulationssicherheit. Entsprechend können auch alle relevanten Daten einer Lieferkette in einer Blockchain-Datenbank abgespeichert werden, um nahtlos und in Echtzeit Informationen effizient auszutauschen.

Die Blockchain-Technologie ermöglicht neben der Senkung der Transaktionskosten auch eine Erhöhung der Liefergeschwindigkeit und -zuverlässigkeit sowie eine verbesserte Governance.

Auch in Subsahara-Afrika finden Blockchain-basierte Plattformen bereits Anwendung: “In Nigeria führt IBM Projekte durch, bei denen Frachtpapiere in die Blockchain überführt werden”, berichtet Blockchain-Experte Michael Kiberu Nagenda, Chef der Blockchain-Beratungsfirma Bit2Big. Er spricht dabei von TradeLens, einer Blockchain-basierten Plattform zur Steigerung der Effizienz von Lieferketten, welche 2018 von IBM und Maersk ins Leben gerufen wurde und mithilfe von IBM Cloud und IBM Blockchain betrieben wird. Speziell im korruptionsbefallenen Import- beziehungsweise Exportgeschäft gewährleisten Blockchain-basierte Plattformen wie TradeLens verifizierbare, sichere und verbindliche Transaktionen, bei denen Korruptionsversuche für alle Teilhabende der Blockchain-basierten Datenbank sichtbar werden. Ziel von Blockchain-basierten Plattformen ist nicht nur der Informationsaustausch, sondern auch die Funktion als Marktplatz. Wenn relevante Dienstleistungen, wie beispielsweise die Zollabfertigung, der Hafenumschlag oder der Inlandstransport über die Plattform gebucht werden können, erhöht dies die Relevanz für Service-Anbieter, aus Vertriebsgründen an der Plattform teilzuhaben. Je mehr Prozesse der Lieferkette über Plattformen wie TradeLens laufen, desto größer ist entsprechend die mögliche Effizienzsteigerung. Entsprechend ermöglicht die Blockchain-Technologie neben der Senkung der Transaktionskosten auch eine Erhöhung der Liefergeschwindigkeit und -zuverlässigkeit sowie eine verbesserte Governance, vor allem in der oft notorisch korrupten Zollabwicklung.

Damit solche Plattformen großflächig genutzt werden können, sind Unternehmen auf die Unterstützung des Staates, der Behörden und anderer Stakeholder der Lieferkette angewiesen: “Projekte, die nur auf die Technik schauen und das Ökosystem der Beteiligten nicht berücksichtigen, werden scheitern“ unterstreicht Dirk Siegel, ehemaliger Leiter des Blockchain-Instituts bei Deloitte. Entsprechend treibt die Deutsche Allianz für Handelserleichterung zusammen mit Maersk und der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) gemeinsam mit den jeweiligen afrikanischen Zollbehörden Projekte für den Aufbau einer funktionierenden Datenintegrationslösung voran. Dadurch sollen Daten aus verschiedenen Systemen wie UNCTADs automatisiertem System für Zolldaten mit Blockchain-basierten Plattformen wie TradeLens reibungslos ausgetauscht werden können. Diese Interoperabilität zwischen verschiedenen Informationssystemen ist laut der Bundesnetzagentur nämlich einer der zentralen Erfolgsfaktoren für die Blockchain-Technologie.

Blockchain von Infrastruktur, IT-Fachkompetenz und Interoperabilität abhängig

Der erfolgreiche Einsatz digitaler Technologie in der Hafenlogistik, insbesondere der Blockchain, ist unmittelbar von stabilem Internet und einer stabilen Stromversorgung abhängig – die Blockchain-Technologie ist nämlich (noch) sehr energieintensiv. Dies führt oft zu Disruptionen in der digitalen Lösung, da die Stromversorgung in vielen Ländern nicht zuverlässig ist und der Betrieb von Dieselgeneratoren sehr kostspielig ist, vor allem bei so hohem Energiebedarf. Darüber hinaus ist eine funktionierende IKT-Infrastruktur notwendig, die entsprechende Datenvolumina verarbeiten kann. Das ist noch nicht in allen afrikanischen Ländern gegeben, aber ist ein Fokusbereich fast aller Regierungen und große Fortschritte werden in diesem Bereich verzeichnet. Außerdem müssen entsprechende Fachkräfte vorhanden sein, beziehungsweise ausgebildet werden, die über die nötige IT-Fachkompetenz verfügen, um digitale Lösungen breitflächig in der Hafenlogistik einzusetzen. Wenn diese Rahmenbedingungen nicht gegeben sind, muss in den Häfen Subsahara-Afrikas weiterhin auf Papierdokumente gesetzt werden. Zudem sind Spezialisten notwendig, um die Blockchain-Technologie dauerhaft vor verschiedensten Angriffsszenarien zu schützen.

Bei allen Herausforderungen: Die meisten afrikanischen Regierungen haben die Bedeutung einer effizienten Importlogistik erkannt. Sie investieren viele Ressourcen zur Verbesserung der administrativen und physischen Voraussetzungen. Dabei steigen immer mehr Länder auf digitale Lösungen wie e-customs oder Blockchain um, insbesondere in der Zollabfertigung, die eine der Hauptproblemquellen im Importprozess ist. Diese Lösungen funktionieren zunehmend besser und erleichtern so die Importlogistik signifikant.

*Dieser Beitrag ist im Rahmen des Doing Business in Africa Forschungsprojekts entstanden, Teil der wirtschaftswissenschaftliche Clusterforschung Afrika, finanziert durch Mittel des deutschen Bundestags, gefördert durch das BMWK und BMF.

(Bildnachweis: IHK)

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