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Interview: In Äthiopien sollte ein Investor zeigen, dass er mehr als nur kurzfristiges Interesse hat

Simon Schulz hat für den Jungpflanzenproduzenten Dümmen Orange aus Rheinberg schon in mehreren Ländern Plantagenbetriebe für Blumen aufgebaut, darunter auch einen in Äthiopien. Im Gespräch mit blog:subsahara-afrika gibt der Landeskenner Einblicke in die äthiopische Geschäftskultur und die oft komplizierte Bürokratie.

blog:subsahara-afrika: Wie sind Ihre Erfahrungen im Umgang mit lokalen Geschäftspartnern und Behördenvertretern?

Simon Schulz: Die Firma Dümmen hat im Jahr 2004 in Äthiopien mit dem Aufbau eines Gartenbaubetriebes für den Blumenexport (zur Zeit 40 ha) begonnen. Damals haben ranghohe äthiopische Regierungsvertreter um unsere Investition geworben. Die Erfahrungen insbesondere mit Behördenvertretern waren bisher recht unterschiedlich. Für Äthiopien, sowie auch für weitere Produktionsstandorte, wie etwa El Salvador, gilt: Die  höchste politische Ebene ist sehr pragmatisch eingestellt und versucht, möglichst unbürokratische Lösungskonzepte mit den Investoren umzusetzen. Sobald diese Konzepte in den Ministerien jedoch auf der zweiten oder dritten Ebene umgesetzt werden sollen, werden Abläufe meist sehr kompliziert und langwierig.

blog:subsahara-afrika: Wie würden Sie die äthiopische Arbeitskultur – im Vergleich zur deutschen Arbeitskultur – beschreiben?

Schulz: Grundsätzlich kann man sagen, dass äthiopische Mitarbeiter, die zum Beispiel ein technisches Studium absolviert haben, gut ausgebildet sind. Ein Elektroingenieur steht mit dem erworbenen Wissen mit seinen Kollegen aus anderen Ländern auf gleichem Niveau. Das sieht jedoch im Bereich von typischen Ausbildungsberufen ganz anders aus. Mit Personen, die keine Ausbildung genossen haben, kann man ganz unterschiedliche  Erfahrungen machen. Es ist aber immer wieder zu beobachten, dass nicht ausgebildete Mitarbeiter eine berufliche Chance im Betrieb erkennen, sich perfekt in den Arbeitsprozess integrieren und „Karriere“ machen. Auf der anderen Seite gibt es Arbeitnehmer, die nicht motiviert sind und dem Arbeitsplatz unentschuldigt fernbleiben oder sich krankschreiben lassen. Die Abwesenheitszahlen über das ganze Jahr gesehen sprechen da eine eindeutige Sprache.

blog:subsahara-afrika: Wie sind Ihre Erfahrungen mit lokalen Mitarbeitern? Erleben Sie Konflikte zwischen Verpflichtungen des einzelnen Mitarbeiters gegenüber Arbeitgeber und Familie?

Schulz: In unserem Betrieb arbeiten hauptsächlich lokale Mitarbeiter. Lediglich im Bereich des Top- und Produktionsmanagements beschäftigen wir internationale Fachkräfte. Konflikte zwischen Mitarbeitern und dem Arbeitgeber tauchen hin und wieder einmal auf. Hier geht es meistens darum, mit den Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben und nach dauerhaften Lösungen zu suchen. Arbeitnehmer, egal in welchem Arbeitsbereich sie beschäftigt sind oder auf welchem Niveau sie arbeiten, sind ein sehr wichtiger Bestandteil des Produktionsprozesses. Es versteht sich von selbst, dass wir im eigenen Interesse stetig an einer für beide Konfliktparteien vertretbaren Lösung arbeiten und Konflikte pro-aktiv lösen.

blog:subsahara-afrika: Wie viel Anlaufzeit haben Sie benötigt, bis Ihr Geschäft profitabel wurde?

Schulz: Der Betrieb wurde als ein Teil der Firmengruppe geplant und gebaut. Somit waren die Absatzmärkte bereits definiert. Die Profitabilität stand im Rahmen des Investitions­planes im Vorfeld bereits fest und wurde auch so eingehalten.

blog:subsahara-afrika: Welche Veränderungen oder wichtigen Entwicklungen hat es in den letzten Jahren im Geschäftsleben für Sie in Äthiopien gegeben?

Schulz: Äthiopien ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Wenn man den offiziellen Zahlen glauben darf, sprechen wir von einem jährlichen Wirtschaftswachstum von mehr als 8 %. Damit gehört Äthiopien aktuell zu den am stärksten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Die Veränderungen sind deutlich sichtbar: Es entstehen neue Straßen und eine Autobahn, ein immenses Staudammprojekt zur Stromerzeugung wird am Nil konstruiert, eine neue Eisenbahnlinie ist im Bau, um nur ein paar Punkte zu nennen. Dieses Wachstum stellt ein Land wie Äthiopien vor große Herausforderungen.

Für uns als Investor zeigen sich die größten Probleme im Bereich der Behörden und Bürokratie. Eine Produktion, egal in welchem Industriezweig, benötigt klare und unbürokratische Abläufe für den Import von Bedarfsgütern sowie für den Export der Produkte. Um mit den Veränderungen eines stark wachsenden Marktes mithalten zu können, sollten die öffentliche Administration modernisiert und Prozesse vereinfacht werden. Ein weiteres Problem ist die aktuelle Infrastruktur. Zwar wird viel in infrastrukturelle Maßnahmen, z. B. Stromnetze oder Internet, investiert, jedoch ist die zeitnahe Umsetzung solcher Projekte problematisch. Hier muss noch viel getan werden!

blog:subsahara-afrika: Werden Sie als deutsche Firma gegenüber anderen ausländischen Investoren sowie einheimischen Unternehmen eher bevorzugt oder benachteiligt im Geschäftsleben in Äthiopien?

Schulz: Als potenzieller Investor, ob nun in Äthiopien oder in einem anderen Land, wird man immer etwas bevorzugter behandelt, was sich ändert, sobald die Investition einmal durchgeführt wurde. Ich kann aber nicht erkennen, dass wir heute in unserer Branche mehr oder weniger bevorzugt behandelt werden. Wir sind in der EHAD (Ethiopian Horticulture Development Agency) organisiert und wenden uns im Rahmen dieser Gemeinschaft mit sämtlichen Problemen an die Behörden. In dieser Gemeinschaft sind auch einheimische Unternehmen organisiert.

blog:subsahara-afrika: Haben Sie besondere Erfahrungen im Umgang mit der äthiopischen Bürokratie und besondere Empfehlungen für Newcomer aus Deutschland?

Schulz: Unternehmen, die in Äthiopien investieren wollen, empfehle ich im Vorfeld gut zu klären, welche Märkte sie mit ihren Waren versorgen möchten, denn Import und Export sind kompliziert. Das Land verfügt nicht über einen Zugang zum Meer und wird hinsichtlich des Seeverkehrs allein über den Kleinstaat Dschibuti versorgt. Investoren sollten sich auch der Probleme der äthiopischen Währung (Birr) bewusst sein. Hier ist die hohe Inflation zu nennen, die in den vergangenen Jahren eine große Herausforderung für die Wirtschaft dargestellt hat. Wenn Produktionsstätten in Äthiopien geplant sind, dann sollte jemand ständig vor Ort sein, der das Produkt gut kennt und der die Interessen des Unternehmens bis in höhere politische Instanzen hin vertreten und durchsetzen kann.

blog:subsahara-afrika: Welche Aussichten für die Zukunft sehen Sie im Äthiopien-Geschäft?

Schulz: Äthiopien hat hohes Potenzial für internationale und auch für deutsche Investoren. Allein im Bereich der Agrarwirtschaft oder im Stromsektor (Solarenergie) sehe ich große Chancen für Investitionen. Leider muss man feststellen, dass dieses Potenzial zur Zeit maßgeblich durch chinesisches Kapital ausgeschöpft wird. Europa und die USA müssten hier dringend eigene Akzente setzen.

aethiopien_schulzSimon Schulz ist technischer Berater der DNA Green Group, die 2013 aus der Fusionierung des Familienbetriebs Dümmen mit der Agribio Gruppe entstanden ist. Der gelernte Gas-, Heizungs- und Wasserinstallateurmeister war seit 1995 für den Aufbau der Auslandsplantagenbetriebe der Firma Dümmen zuständig, mit mehrjährigen Einsätzen in Äthiopien sowie auf Teneriffa und in El Salvador. Kontakt: www.dnagreengroup.com.

titelbild_interkulturell_unterwegs_in_subsahara-afrika_kleinDieses Interview ist im Praxisratgeber „Interkulturell kompetent unterwegs in Subsahara Afrika“ erschienen. Weitere Interviews zum Umgang mit ausgesuchten afrikanischen Geschäftskulturen sind zu finden auf der Seite zum Praxisratgeber unter „Kulturkompetenz„.

 

 

(Bildnachweis: Dümmen, Vortrag Ulli Spengler, 2011)

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