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Afrikas Champions: East African Breweries – eine fast hundertjährige Erfolgsgeschichte (Teil 2)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

In diesem Artikel steht die East African Breweries Ltd. aus Kenia im Fokus, der führende Bierbrauer und Getränkekonzern in der Region. Das Unternehmen nimmt 2020 erneut wie in den Vorjahren einen der Plätze im oberen Mittelfeld (Rang 90) unter den 250 Top-Unternehmen Afrikas im African Business Magazine ein.

Eigentümer und Management: Diageo „regiert“ mit lokaler Expertise

Zur Zeit der Gründung der heutigen East African Breweries Ltd. (EABL) vor fast hundert Jahren war Haupteigentümer der Brauerei die Dodd-Familie, eine der bis heute in der Region Laikipia in Zentralkenia ansässigen britisch-stämmigen Siedlerfamilien (siehe dazu etwa: standardmedia.co.ke). 1990 verkauften die Dodds ihren Anteil an überwiegend lokale Kenianer (vgl. whownskenya.com). Auf den Erfolg der Gesellschaft im darauffolgenden Jahrzehnt wird es von Branchenbeobachtern zurückgeführt, dass der Getränke-Multi Diageo aus London zur Jahrtausendwende als Mehrheitseigentümer bei EABL einstieg. Bis heute ist der internationale Konzern mit seinem 50-Prozent-Anteil der einzige Großinvestor von EABL geblieben, während einige Banken und Investmentfonds jeweils kleinere Portfolios von zusammen rund 5 Prozent besitzen. Insgesamt 50 Prozent des Kapitals werden als frei handelbare Anteile an der Börse ausgewiesen, die Zahl der Kleinanleger wird von dem Unternehmen mit rund 25.000 beziffert (vgl. marketscreener.com).

Wie die darin ausgewiesene Liste der Vorstandsmitglieder zeigt, befindet sich die Geschäftsführung der EABL-Firmengruppe fest in der Hand des internationalen Mehrheitseigners: Chief Executive Officer (CEO) und Group Managing Director (MD) ist seit 2016 der frühere Diageo-Chef für Großbritannien, Andrew Cowan (siehe auch ein Interview unter: youtube.com/watch?v=FYt8tpjwlps), sein Group Chairman ist Dr. Martin Oduor-Otieno (vgl. the-star.co.ke) und Group Vice Chairman ist der Ire Rory John O’Keeffe, wie Cowan ebenfalls seit rund 20 Jahren im Diageo-Konzern und bis 2015 der MD von Guinness Nigeria. Die vierte Führungsposition als Executive Director – sowie Managing Director der Konzernfirma KBL – hält seit 2015 Jane Karuku, eine kenianische Karrierefrau mit über 20 Jahren Erfahrung in führenden Großunternehmen und Institutionen Kenias. Jane Karuku ist ein Beispiel für die allmählich stärker werdende Bedeutung von gut ausgebildeten Frauen in der Wirtschaft Ostafrikas.

Es gibt weitere sechs EABL-Vorstandsmitglieder als sogenannte „independent non-executive directors“, alles hochqualifizierte und erfahrene Professionals aus der Region (hauptsächlich Kenia) bis auf Leo Breen, langjähriger Finanzexperte im Diageo-Konzern und der Pierre Smirnoff Company. Wer sich in der speziellen Demographie Kenias und der Region auskennt, wird bei einem genauen Blick auf die Namen der lokalen Direktoren feststellen: Offensichtlich wurden die verschiedenen wichtigen Ethnien berücksichtigt, die jeweils auch für die Führung der regionalen EABL-Konzernunternehmen wie etwa der Kisumu-Brauerei sowie der Brauereien in Uganda und Tansania zuständig sind. Solche Aspekte sind bei einem Engagement vor allem in Kenia von ausländischen sowie auch von inländischen Unternehmen unbedingt zu beachten.

Geschäftsmodell und Strategie: Das Richtige für jeden Geschmack und Geldbeutel

In Ländern mit einer so großen Kluft zwischen Arm und Reich wie vor allem Kenia gibt es beim Marketing für alkoholische Getränke ein Grundproblem: Die anerkannten und beliebten Markenprodukte sind für das überwiegende Heer der ohnehin am Existenzminimum lebenden Einwohner nicht erschwinglich. So kostet etwa die gängige Halbliterflasche Tusker Lager knapp 300 Kenia-Shilling (KSh), umgerechnet etwa 2,50 US-Dollar (USD) (vgl. nairobidrinks.co.ke). Die international berechnete Armutsgrenze in den Ländern südlich der Sahara liegt jedoch bei weniger als zwei USD am Tag, von denen rund 45 bis 50 Prozent der Menschen dort leben müssen (vgl. etwa: gemeinsam-fuer-afrika.de.

Diese offensichtliche Unerschwinglichkeit populärer alkoholischer Getränke hat in Kenia seit vielen Jahren einen illegalen, aber florierenden Markt für Schwarzbrenner hervorgebracht, in dem es immer wieder zu Fällen von schweren Gesundheitsschäden und Todesfällen von Konsumenten kommt. Eine aktive Strategie gegen diese Missstände hat sich daher schon seit Jahren EABL in ihrer Geschäftspolitik auf die Fahnen geschrieben und gezielt preiswerte Alternativmarken für den kleinen Geldbeutel entwickelt, wobei die Produktionskosten durch Verwendung von Hirse statt Gerste und Malz niedrig gehalten wurden. Das erfolgreichste Beispiel ist das Zapfbier „Senator“, das auch in 50-Liter-Fässern verkauft wird und vor allem im ländlichen Kenia und Uganda in den lokalen Bars einen entsprechend günstigen Preis für ein Glas Bier ermöglicht (siehe die „Senator-Story“). Teil der erfolgreichen Strategie gegen Schwarzbrenner war der Aufbau einer landesweiten Basis kleiner Vertriebshändler für EABL. Neben dem speziellen Bier für die unteren Einkommensschichten verfolgt EABL ebenso die Strategie, bei Spirituosen lokale Qualitätsalternativen für das untere Marktsegment anzubieten.

In einem Strategiepapier, basierend auf dem 2008 entwickelten sogenannten Canvas Business-Modell, hat EABL 2016 Erläuterungen zu seiner Geschäftsstrategie in Ostafrika veröffentlicht. Danach soll ein Schlüsselfaktor für das Wachstum des Konzerns neben der Entwicklung von Marken speziell für das untere Kunden- bzw. Einkommenssegment auch der Fokus auf neuen Geschmacktrends vor allem der jungen Generation von Alkoholkonsumenten sein, die als „young, urban, middle class“ identifiziert werden. Ein Teil der Strategie ist etwa die Entwicklung alkoholischer Mix- und Modegetränke, wie der vor allem für junge Konsumenten – „Millennials“ – bestimmte Rum „Captain Morgan Gold“, der im Mix mit Coca-Cola empfohlen wird. Weitere speziell für die junge Generation vermarktete Label sind „Wodka Ice“ und „Chrome Wodka“. Die weiteren im Marketing berücksichtigten Sektoren sind Nischenmärkte: so etwa spezielle bei Damen bevorzugte Getränke wie etwa Mixgetränke (z.B. „Smirnoff Ice Green Apple“, „Tusker Cider“) oder auch das neue „Tusker Lite“ als Bier mit niedrigem Alkoholgehalt, und schließlich erstklassige Qualitätsspirituosen für die kleine oberste Konsumentenschicht.

Auch internationale Marken für lokale Verbraucher erschwinglich machen

Bei der Preispolitik gilt als oberstes Prinzip der Grundsatz: „Internationale Marken für die lokale Kundschaft erschwinglich machen“. Ein Beispiel hierfür ist etwa „Triple Ace Wodka“, der als eine der preiswertesten Spirituosen 2017 in Ostafrika eingeführt wurde. Zu den preiswerten, aber dennoch qualitativ hochwertigen Varianten gehören ferner die Marken Singleton – Malt Scotch Whisky oder auch der in Kenia besonders beliebte Smirnoff-Wodka. Erfolgreich im Markt sind ferner vor allem Johnnie Walker Whisky sowie Baileys Irish Cream, der zu besonderen Gelegenheiten (Valentinstag) mit Sonderangeboten erfolgreich vermarktet wird. EABL komplettierte ihr Sortiment unter anderem mit der Übernahme von UDV / United Distillers Vintners, deren „Flagship“-Marke Johnnie Walker ist. Eine komplette Übersicht der verschiedenen Spirituosen und Biermarken, die EABL für die ostafrikanischen Märkte entwickelt hat oder dort nach Übernahme lokaler Brauereien vertreibt, findet sich im Jahresbericht 2018.

Bei der regionalen Expansion von EABL in Kenias vier Partnerstaaten der East African Community (EAC) sowie den mit der EAC eng verbundenen Südsudan gilt das Prinzip der Marktdifferenzierung, das heißt, das Angebot ist an die jeweiligen lokalen Nachfragegewohnheiten angepasst (vgl. auch: eabl.com). So werden in jedem Land eigene Biermarken, überwiegend von den ganz oder teilweise übernommenen lokalen Brauereien, vertrieben und die Produktpalette insgesamt an die unterschiedlichen lokalen Marktgegebenheiten angepasst. Hierbei macht das internationale Geschäft rund 30 Prozent der EABL-Umsätze aus, mit besonders hohen Wachstumsraten im Uganda- sowie Tansania-Geschäft. In Südsudan, das als potenzieller Zukunftsmarkt eingeschätzt wird, besitzt EABL seit 2010 eine Verkaufsniederlassung (vgl. whownskenya.com).

EABL muss wie alle Unternehmen im Geschäftsfeld Alkoholproduktion und -vertrieb bei Werbung und Vertrieb neben dem ökonomischen Erfolg auch die besonderen gesellschaftlichen und gesundheitlichen Probleme im Zusammenhang mit Alkoholkonsum berücksichtigen. Diese machen sich auch in Kenia etwa durch steigende Zahl Alkoholabhängiger unter anderem bei Jugendlichen sowie Verursachung von Verkehrsunfällen unter Alkoholeinfluss bemerkbar. In allen EABL-Werbebotschaften an Verbraucher sind daher immer auch deutliche Ermahnungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol, Warnungen vor Gesundheitsschäden, vor dem Alkoholgenuss Minderjähriger und vor allem Warnungen vor dem Autofahren unter Alkoholeinfluss enthalten – etwa mit dem Motto für junge Leute: „Feiern, trinken, Taxi fahren“.

Ein Problem in dem Zusammenhang ist die gesellschaftliche Rolle von Alkohol, der in einem Land wie Kenia nicht zuletzt auch als eine Art Statussymbol für die Mittelklasse angesehen wird: Wer sich das regelmäßige Feierabendbier leisten kann, hat es geschafft und gehört dazu. So ist der Alkoholkonsum etwa in der Oberschicht wie bei Politikern legendär. Hinzu kommt, dass es praktisch keine mit unseren Breiten vergleichbaren regelmäßigen Alkoholkontrollen im Straßenverkehr gibt und das Problem des Alkoholmissbrauchs gerade erst in den „Dunstkreis“ der Politik gerät (vgl. etwa: kapc.or.ke). Beliebt sind dagegen Witze über Mitbürger, die etwas zu stark ins Glas gesehen haben, wie etwa: „Mein Boss wusste nicht, dass ich trinke – bis ich eines Morgens nüchtern zur Arbeit kam.“

Zum Schluss soll die Frage gestellt werden, was ausländische und speziell deutsche Branchenunternehmen bei ihrer Marktbearbeitung in Afrika von EABL lernen können – sicherlich eine ganze Menge: so etwa die gezielte Ausrichtung von Produkten und Marketing auf ein bestimmtes Kundensegment; eine Preispolitik unter Berücksichtigung der lokalen Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten; die Erschließung neuer Markttrends speziell der jüngeren Konsumenten; und evtl. auch die Entwicklung von landesweiten Vertriebsformen – in Kooperation mit lokalen Partnern – für spezielle preislich angepasste Getränkeformen im untersten Marktsegment. Was die internationale Ausrichtung, also die Marktbearbeitung verschiedener Länder der Region betrifft, so können internationale ausländische Marken überall von ihrem Bekanntheitsgrad zehren – müssen jedoch ansonsten ihre Vertriebs-, Marketing- und Preispolitik jeweils auf die eigenen Bedingungen im jeweiligen nationalen Markt vor Ort ausrichten.

Weiterlesen

Lesen Sie in Teil 1 des Artikels über die Entstehung des Unternehmens und seine Entwicklung zu einem der dominierenden Getränkehersteller in Subsahara-Afrika: East African Breweries – eine fast hundertjährige Erfolgsgeschichte (Teil 1) (30.11.2020).

Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:

(Bildnachweis: Flickr by mr_bayer)

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