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Afrikas Champions: Jumia – das Amazon des Kontinents? (Teil 2)

Nicht nur zahllose Ableger multinationaler Konzerne zählen zu den größten Unternehmen auf dem Kontinent, sondern auch eine ganze Reihe originär afrikanischer Firmen und Konglomerate. Wer sind diese kaum bekannten afrikanischen Champions? Was dabei vor allem interessiert: Wer sind die Personen hinter den Unternehmen? Wie sind sie groß geworden, und wie erobern sie die afrikanischen Märkte? Welches Geschäftsmodell haben sie, und was können speziell deutsche Unternehmen von ihnen lernen? Eine Auswahl dieser „kontinentalen Meister“ aus verschiedenen Ländern und Branchen wird in einer Artikelserie vorgestellt.

Im Fokus dieses Artikels steht ein noch ein junges Unternehmen, das in nur wenigen Jahren nach seiner Gründung in Nigeria zu einem der meist frequentierten E-Commerce-Plattformen auf dem Kontinent wurde: der Online-Marktplatz Jumia, Kern des inzwischen entstandenen Firmenkonglomerats unter dem Dach der Jumia Group. Das Unternehmen ist nicht zuletzt ein Paradebeispiel für Globalisierung: Gegründet in einem afrikanischen Land von Franzosen, anschubfinanziert von Deutschen, mit einem Technologiezentrum in Portugal, der Firmenzentrale Jumia Technologies AG in Berlin, einem wichtigen Stützpunkt in Dubai sowie einer spektakulären Börseneinführung an der New York Stock Exchange (NYSE).

Geschäftsmodell und Strategie: Rundumservice für Konsumenten

Vorbild für die Jumia-Gründer war von Anfang an die Erfolgsstrategie von Amazon in den USA und Alibaba in China, gestützt auf die Gewissheit, dass es auch in Afrika „ein irreversibler Trend ist, dass Verbraucher online shoppen“ – wie es Jumias Co-Geschäftsführer Poignonnec in einem Interview erklärte. Sowohl bei der Angebotspalette als auch der Vielzahl strategischer Investoren gilt die Maxime, möglichst viele unterschiedliche Akteure für gemeinsame geschäftliche Engagements und Operationen zusammenzubekommen. Neueste Ergänzung der Palette sind laut Poignonnec Angebote für Spieler, die sogenannte „Gamer Community“ in einer Kooperation mit internationalen Gaming-Plattformen.

Poignonnec hebt als eine wesentliche Grundlage des Jumia-Geschäftsmodells die geographisch weitläufige Basis mit Stützpunkten in vielen Ländern quer über den afrikanischen Kontinent hervor. Dies wird ausdrücklich als Vorteil angesehen gegenüber den meisten afrikanischen Konkurrenzunternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit gewöhnlich auf ein Land beschränken. Dies habe Jumia auch vor dem geschäftlichen Misserfolg seines nigerianischen Rivalen, dem Online-Händler Konga bewahrt, der aufgrund der Wirtschaftsflaute im Erdölland Nigeria 2018 hohe Verluste erlitt und sich gezwungen sah, zwei Drittel seiner Belegschaft zu entlassen.

Jumia als „Amazon-Kopie“: Geschäftskonzept ist gleich und doch verschieden

Ganz aktuell von Anfang Januar 2021 ist der ausführliche Bericht von Co-CEO Poignonnec über die Entstehung von Jumia, die Motivation und wichtigsten Bestandteile des Jumia-Geschäftsmodells sowie die langfristigen Aussichten in einem Interview auf der Plattform „Voices of Wall Street“. Darin wird vor allem auf das bereits in Teil 1 erwähnte Zusammentreffen der Jumia-Gründer mit Rocket Internet SE verwiesen, das Berliner Beteiligungsunternehmen für Start-ups weltweit, das 2012 in Südafrika die Modeplattform Zando ins Leben rief und sich in Nigeria an der Jumia-Gründung beteiligte. Dem Berliner Unternehmen wird öfter vorgehalten, erfolgreiche Geschäftsideen vor allem aus den USA zu kopieren und in anderen Märkten anzuwenden (siehe etwa: Rocket Internet – a copycat business model – Technology and Operations Management). Dem gleichen Gegenwind sieht sich auch gelegentlich Jumia gegenüber, teilweise von recht scharfen Kritikern speziell in Nigeria.

Auf die Frage, ob Jumias Geschäftsmodell einzigartig sei oder nur eine Kopie des Amazon-Modells, weist Poignonnec auf die Besonderheit von E-Commerce hin: E-Commerce sei schließlich im Prinzip immer das Gleiche und weise dennoch wesentliche Unterschiede in den jeweiligen Ländern und Regionen auf. So bildet in Afrika vor allem die problematische Infrastruktur eine Herausforderung für E-Commerce-Firmen und erfordert individuelle Lösungen und Konzepte im logistischen Bereich, um Waren auf schnellstem Weg zum Endkunden zu bringen. Nach acht Jahren im Geschäft verfügt Jumia über ein Netzwerk von über 300 Kurierpartnern sowie eine ausgefeilte eigene Technologie zum „Tracking“ der optimalen Zustellungswege, der Nachverfolgung der Lagerbestände sowie der Zahlungen. Hinzu kommen afrikaweit Warenhausflächen von über 110.000 qm sowie ein umfangreiches Netzwerk von Drop-off- und Pick-up-Stationen, die dem Unternehmen auch eine „offline“-Präsenz gegenüber den Kunden bieten. Auch hierbei geht Jumia besondere Partnerschaften ein, wie etwa mit der Firma Vivo Energy, die afrikaweit rund 2.000 Engen- und Shell-Tankstellen betreibt und dort nun überall Pick-up-Stationen für Jumia eingerichtet hat. Die neueste Entwicklung seit Ausbruch der Pandemie ist dieÖffnung der Jumia-Logistiklösungen für Drittkunden, die nicht die firmeneigenen Plattformen nutzen.

Wie im Logistikbereich sind auch für den Bezahlsektor in Afrika eigene Konzepte erforderlich, da der Großteil der afrikanischen Kunden über keine Bankverbindung verfügt. Mit den drei Jumia-Apps – E-Commerce, Jumia Food und Jumia Pay –, die ein Kunde in dem jeweiligen Land abonnieren und mit seinem einheitlichen Passwort benutzen kann, wird eine Art „Rundumversorgung“ der Konsumenten garantiert. Ziel ist laut Poignonnec, „von allem nur das Beste“ zu bieten, was gleichzeitig auch die simple Strategie Jumias im Umgang mit nationaler und internationaler Konkurrenz (Alibaba etwa) bezeichnet: „We are focussing on our business, giving the best service, and other things we can‘t control“, erklärt der Jumia-Chef dazu im Interview.

Langfristiges Engagement: „We are here for the long run“

Als besonderer Service für die afrikanischen Kunden wird ferner auch die Nutzung von Jumia Pay in der „offline-Welt“ ermöglicht, also als Zahlungsform bei Einkäufen in normalen Geschäften. Das langfristig angepeilte Ziel ist laut Poignonnec die Ausweitung der Serviceleistungen von Jumia Pay auf den Finanzsektor, wobei das bereits erwähnte Kreditvergabeprogramm als erster Schritt eingerichtet wurde. Wichtig ist für Jumias Erfolgskonzept die Langfristigkeit: „We are here for the long run“, betont der Firmenchef ausdrücklich. Hierbei wird von den Unternehmensstrategen darauf gesetzt, dass das angestrebte stetige Wachstum auch die – derzeit noch nicht optimale – Gewinnsituation sukzessive verbessern dürfte.

Bei der Fokussierung ausgerechnet auf Afrika sind für die Jumia-Strategen die „gewaltigen Chancen“ auf diesem Kontinent ausschlaggebend, dagegen nicht die häufig in den Medien im Vordergrund stehenden negativen Aspekte. Die Wachstumsaussichten des Online-Handels stützen sich nicht zuletzt auf die Bevölkerungsprognosen auf einem Kontinent mit 1,3 Mrd. Einwohnern, die bis zum Ende dieses Jahrhunderts nach Berechnung von Demographen auf über 4 Mrd. anwachsen dürften. Dabei besteht für die Internetnutzung Afrikas als Basis für Onlinehandel noch viel Luft nach oben, von derzeit 527 Mio. Usern bzw. knapp 40 Prozent auf den weltweiten Durchschnitt von nahe 60 Prozent der Bevölkerung.

In Nigeria als dem Ursprungsland der Jumia-Idee erklärt die dortige Firmenchefin CEO Juliet Anammah in einem Video das Jumia-Konzept und was E-Commerce für Afrikas Konsumenten und Intra-Afrika-Handel bedeutet. Ein eigenes Video informiert die Verbraucher über die App Jumia Food: „How Jumia Food works“.

Was man von Jumia lernen kann: Vor allem die Lösung der Logistikprobleme

Zum Schluss soll die Frage gestellt werden, was evtl. auch deutsche Unternehmen von dem Jumia-Geschäftsmodell lernen können. Dazu gehört wohl zunächst die gezielte Fokussierung auf Afrika mit seinen besonderen Chancen und Herausforderungen vor allem im logistischen Bereich, bei gleichzeitiger panafrikanischer Orientierung. Diese bietet sich vor allem angesichts der überwiegend relativ beschränkten Marktgrößen in den einzelnen Ländern an. Eine ebenso wichtige Lehre ist die langfristige Orientierung im Gegensatz zu kurzfristiger Gewinnmaximierung: Ein langer Atem ist erforderlich, und dies erfordert ein ausreichendes Finanzpolster sowie kluge Strategien zur Kapitalbeschaffung. Diese setzen attraktive Chancen für Investoren voraus und gleichzeitig die realistische Darstellung der Risiken, wie es die Jumia-Strategen in ihren veröffentlichten Unternehmensinformationen vormachen.

Weiterlesen

Lesen Sie in Teil 1 des Artikels unter anderem über den schnellen Aufstieg des Unternehmens zum börsennotierten Technologiekonzern: Jumia – das Amazon des Kontinents? (Teil 1) (22.02.2021).

Lesen Sie hier auch die spannenden Geschichten weiterer afrikanischer Champions:

(Bildnachweise: group.jumia.com – Press Kit)

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