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E-Commerce in Afrika – Teil 7: Die Mobiltechnologie war eine absolute Revolution für Afrika

artKenya ist eine der führenden Webdesignagenturen in Ostafrika und seit 17 Jahren am Markt. Geschäftsführer Christian Knochenhauer berichtet im Interview mit blog:subsahara-afrika über seine Anfänge, die Entwicklungen in der Branche und die besonderen Anforderungen an das Webdesign insbesondere im E-Commerce in Kenia.

blog:subsahara-afrika: Herr Knochenhauer, Ihre Firma besteht seit 2001 in Nairobi. Wie kam es damals zur Gründung?

Christian Knochenhauer: IT war schon immer mein Steckenpferd, auch wenn ich eigentlich in anderen Branchen mein Geld verdiente. Meine andere Liebe, die Kunst, führte mich mit vielen jungen und angesehenen Künstlern zusammen. 2000 dann sah ich Bedarf diese Künstler im Internet vorzustellen und habe daraufhin die erste Online-Galerie für Künstler, die gleichzeitig meine erste Website war, entwickelt. Ihr Erfolg führte zu mehreren Anfragen von Freunden und auch Unternehmen. Das war der Startschuss für meine Karriere im Webdesign. Der Domainname meiner ersten Website artkenya.net wurde später auch unser Firmenname.

blog:subsahara-afrika: Wie hat sich der Wettbewerb in der Branche in den Jahren Ihres Firmenbestehens entwickelt. Und, welche technischen Entwicklungen haben besondere Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit gehabt?

Knochenhauer: Unsere Branche hat sich über die letzten 18 Jahren mit Riesenschritten entwickelt. Während zu Beginn des Millenniums Firmen nur vereinzelt Websites hatten, wollen heutzutage fast alle – neben Facebook, Twitter und anderen Social-Media-Präsenzen – einen Auftritt im Internet haben. Damit entwickelte sich der Bedarf an Webdesignern exponentiell und es entstanden einige sehr gute und ernst zu nehmende Konkurrenten. Bei den technischen Entwicklungen ist insbesondere die Verlegung des Untersee-Glasfaserkabels vor etwa zehn Jahren zu nennen, die die Internetverbindung und damit auch das Land bzw. die Region Ostafrika revolutioniert hat. Erst damit wurde schnelles Internet zu erschwinglichen Preisen auch für die breitere Bevölkerung verfügbar. Eine weitere, sehr wichtige, Errungenschaft war die Mobiltechnik und die Verbreitung von Smartphones zu immer erschwinglicheren Preisen. Die Entwicklung der Blog-Software WordPress, die als „open source system“ zur Verfügung steht, hat zudem das Design von Websites schneller und billiger gemacht. Dies macht es einem viel größeren Kundenkreis möglich, einen Webauftritt zu haben. Und schließlich spielt die Verbreitung von Social Media wie Instagram, Pinterest und Facebook eine wichtige Rolle, die auch für Webdesigner preiswertes Marketing ermöglichen.

blog:subsahara-afrika: Welche Gestaltungsprinzipien sind im Webdesign nach Ihrer Erfahrung besonders wichtig für den Geschäftserfolg insbesondere beim Online-Vertrieb?

Knochenhauer: Unser oberstes Gebot für das Webdesign lautet schon immer „Less is more“. Das bedeutet, dass eine Website immer so zu entwickeln ist, dass der User in den ersten Sekunden seines Besuches auch tatsächlich das findet, wonach er sucht. Daher muss besonders die Homepage und die Navigation so gestaltet sein, das nichts vom eigentlichen Auftrag der Website – meist ein Produkt oder einen Service anzubieten – ablenkt.

blog:subsahara-afrika: Welche besonderen Anforderungen an die Gestaltung von Webseiten gibt es für afrikanische Märkte?

Knochenhauer: Gravierende Unterschiede in der Gestaltung von Webseiten für den deutschen und den kenianischen Markt erkennen wir eigentlich nicht. Es gibt jedoch einige Besonderheiten, die in afrikanischen Märkten berücksichtigt werden sollten. So ist zum Beispiel in Kenia seit etwa dem Millennium die Verwendung der lokalen „lingua franca“ Kisuaheli als allgemeine Verkehrssprache gegenüber dem Englischen – das auch Amtssprache ist – enorm gewachsen, was auf einen gewissen „nationalistischen Stolz“ hinweist. Entsprechend sollten bei der Darstellung von Personen auf Webseiten nur afrikanische Models zum Einsatz kommen. Gleichzeitig ist aber für Kenia auch eine gegenläufige Bewegung zu erwähnen. Gerade für die Mittelschicht hat alles, was „weiße Kultur“ ausmacht, noch immer eine Art „Vorbildfunktion“ – dies könnte man als Langzeitnebenwirkung der langen Kolonialzeit unter den Engländern bezeichnen. Was die Farbgestaltung abgeht, so möchten viele Kunden – insbesondere, die aus dem Tourismus – „Erdfarben“, die die Savannen, Wälder oder Berge Afrikas widerspiegeln. Insgesamt kann man aber sagen, dass unsere kenianischen Kunden in der Regel dankbar sind, wenn man ihnen viele Design-Entscheidungen abnimmt. Ähnlich wie in Deutschland möchten sie auch, dass ihre Webseiten dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und Gestaltungselemente wie Animationen, Slider oder Videos enthalten. Da es in Afrika mehr Smartphones als PCs oder Laptops gibt, achten wir außerdem auf die gute und funktionelle Darstellung von Webseiten auf allen mobilen Bildschirmen („responsiveness“). Dazu muss u.a. die Navigation extrem einfach gehalten werden.

blog:subsahara-afrika: Welche Besonderheiten sind bei der online-Ansprache zu berücksichtigen?

Knochenhauer: Die Ansprache im Internet ist hier ganz allgemein sehr „relaxed“, man verwendet insbesondere in sozialen Netzwerken nur Vornamen. Ansonsten spielen Formalitäten – wie sie etwa im persönlichen Geschäftsverkehr zu beachten sind – bei der online-Ansprache keine Rolle. Es sollte aber keinesfalls Slang oder saloppe Sprache auf Businessportalen verwendet werden. Was die Plattformen angeht, so dominieren bei den Kenianern im Moment Whatsapp, Pinterest und Instagram, aber auch Facebook und Twitter. Insbesondere Twitter ist im Alltag omnipräsent, zum Beispiel im Fernsehen über regelmäßige Live-Streams von Twitter auf mehreren Kanälen.

blog:subsahara-afrika: Sind die relativ hohen Analphabetenraten in der afrikanischen Bevölkerung ein Faktor beim Webdesign?

Knochenhauer: Analphabetismus spielt, zumindest in Kenia mit einem recht hohen Bildungsniveau und einer entsprechend niedrigen Analphabetenrate, keine Rolle. Ähnlich sieht es auch in den anderen ostafrikanischen Ländern aus. Mir persönlich ist keine Website im Geschäftsverkehr bekannt, die zum Beispiel Symbole zur Darstellung des Inhaltes benutzt. Für ein besseres Verständnis kann es aber oftmals hilfreich sein, das Webangebot auch auf Kisuaheli zu präsentieren. Vereinzelt gibt es auch Apps, die zur Information der ländlichen Bevölkerung Bilder und Symbole verwenden. Sie werden etwa im Gesundheitswesen oder in der politischen Bildung eingesetzt.

blog:subsahara-afrika: Wie sollten nach Ihrer professionellen Meinung Webportale von E-Commerce-Firmen gestaltet sein, um gezielt afrikanische Verbraucher zu erreichen?

Knochenhauer: Die größten Zielgruppen beim E-Commerce in Afrika sind Studenten, junge Erwerbstätige und vor allem der rapide wachsende Mittelstand. Daher sollte die Angebotspalette vor allem auf sie ausgerichtet sein und elektronische Geräte (Handys, Laptops, Fernsehgeräte) sowie Kleidung, Schuhe, Babyartikel und Kosmetika umfassen. Dabei gelten Artikel aus China eher als verpönt. Ein Trend ist auch, dass zunehmend Supermärkte, Restaurants oder Fastfood-Ketten Hauslieferungen nach Bestellung per Website oder App anbieten. Nicht nur dabei sind mobile und einfach händelbare Zahlungsweisen, wie die Bezahlung mit Mpesa, Airtel und Telkom Money, ein Muss. Zudem wird auch in Afrika immer stärker auf die ISO-Zertifizierung geachtet, mit der zum Beispiel Krankenhäuser verstärkt werben. Ansonsten spielen SSL-Zertifizierungen hauptsächlich bei multinationalen Firmen wie etwa Wirtschaftsprüfern, Consultants usw. eine Rolle (Anm. der Redaktion: Secure Sockets Layer (SSL) ist ein Verschlüsselungsprotokoll zur sicheren Datenübertragung im Internet). Und, auch wenn die Internetgeschwindigkeiten in den größeren Städten gut bis sehr gut sind, ist trotzdem immer darauf zu achten, dass E-Commerce-Webseiten auch bei langsameren Verbindungen möglichst schnell laden. Zudem ist es wichtig, das Angebot neben Englisch oder Französisch auch in der lokalen Sprache anzubieten.

blog:subsahara-afrika: Auf welche logistischen, rechtlichen oder technischen Eigenheiten muss sich ein Unternehmen beim Aufsetzen einer E-Commerce-Plattform für afrikanische Märkte einstellen?

Knochenhauer: Rechtliche und technische Eigenheiten sind sicherlich ähnlich wie in anderen Märkten. Zuständig für alle Internetangelegenheiten in Kenia ist die „Communications Authority of Kenya“, die zwar noch keine expliziten Anweisungen bezüglich des E-Commerce herausgegeben hat, dies aber sicherlich zeitnah in Zukunft noch machen wird. In den größeren Städten – vor allem Nairobi, Mombasa, Nakuru, Eldoret oder Kisumu  – ist die Logistik für E-Commerce-Geschäfte gut ausgebaut mit strategischen Abholstationen und vor allem Motorradkurieren, die Bestellungen innerhalb weniger Tage ausliefern können. Schwieriger wird es natürlich bei der Auslieferung ins „upcountry“, wie es in Kenia heißt, also in ländliche Gebiete. Allerdings ist dort auch die Zahl der Internetnutzer und somit potenzieller Kunden aktuell noch entsprechend gering.

blog:subsahara-afrika: Welche Anforderungen gibt es in Bezug auf die Sicherheit? 

Knochenhauer: Hier unterscheiden sich die Anforderungen auch nicht gravierend von anderen Märkten. Google ist die dominierende Suchmaschine und erwartet seit Mitte 2018, dass Websites – besonders natürlich im E-Commerce – mittels SSL-Zertifikat geschützt sind. Dieses verschlüsselt die Kommunikation zwischen User und Website für zum Beispiel die Übermittlung persönlicher oder finanzieller Daten und schützt sie damit vor Hackern. Websites, die kein SSL-Zertifikat haben, werden in den Google-Suchergebnissen zurückgesetzt. Des Weiteren beurteilt Google Websites nicht mehr ausschließlich nach Funktionalität auf Desk- oder Laptops, sondern ab sofort auch auf Mobilgeräten. Daher müssen alle Websites für Mobilgeräte wie Smartphones optimiert sein.

blog:subsahara-afrika: Was machen besonders erfolgreiche E-Commerce-Plattformen richtig?

Knochenhauer: Die beliebtesten und erfolgreichsten E-Commerce-Seiten sind Jumia und Kilimall. Sie und alle anderen erfolgreichen E-Commerce-Plattformen werten die Internet-Gewohnheiten von Usern aus, um ihnen ein „maßgeschneidertes“ Produktangebot zu präsentieren. Die wichtigsten Zielgruppen von Jumia und Kilimall sind junge Erwerbstätige und die wohlhabende Mittelschicht, die entsprechend ihren getätigten Einkäufen dann ständig gezielt umworben werden. Ein weiteres wichtiges Marketinginstrument sind häufige Sonderangebote und „Schnäppchenpreise“, die wichtig sind für Kunden, die nur über begrenzte Mittel verfügen und nicht den vollen Preis für die Produkte zahlen können (oder wollen).

blog:subsahara-afrika: Immer wieder liest man, dass mobile Technologien zur Entwicklung des Kontinents beitragen können. Wie sehen Sie das?

Knochenhauer: Das sehe ich genauso. Die Mobiltechnologie war eine absolute Revolution für Afrika und hat von Anfang an für die Wirtschaft und den einzelnen Menschen Vorteile gebracht. Durch Telekommunikation für Jedermann wurde ein ungeheures wirtschaftliches Potenzial geschaffen. Außerdem wurde aber auch der demokratischen Gesellschaft „auf die Beine geholfen“. Heutzutage können korrupte Praktiken von Politikern oder etwa auch gewalttätige Übergriffe von Polizisten unmittelbar ins Netz gestellt und der öffentlichen Diskussion zugänglich gemacht werden. Diese Offenheit hat aber auch eine Schattenseite. Die sogenannten „Fake News“ oder „Hate News“ haben in Kenia – aber sicher auch anderswo in Afrika – absolute Hochkonjunktur. Dies ist vor allem bedenklich, weil die Vernunft in der Praxis häufig aussetzt bzw. nicht stark entwickelt ist. Wer weiß, ob die politischen Ausschreitungen im Zusammenhang mit den Wahlen 2007/08 ohne mobile Kommunikation so ausgeartet wären?

blog:subsahara-afrika: Was sind Ihre Erwartungen für die Zukunft. Auf welche besonderen technischen Entwicklungen sollten wir uns einstellen?

Knochenhauer: Ich glaube, wir stehen in Kenia gerade erst am Anfang einer sich rapide beschleunigenden Entwicklung im IT-Bereich. Spezialisierte Websites wie zum Beispiel Blogs, mit denen man u.a. durch Werbung Geld verdienen kann, E-Commerce-Seiten und generelle Webpräsenzen für Firmen sind noch stark ausbaufähig. Auch bei spezialisierter Software wie etwa für die Buchhaltung oder Apps und Customer-Relationship-Management-Systemen (CRM) sind noch Entwicklungen zu erwarten.

blog:subsahara-afrika: Herr Knochenhauer, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Christian Knochenhauer hat einen Hochschulabschluss in Englisch und Geografie sowie ein Diplom in Web und Software Development. Nach mehreren beruflichen Stationen u.a. als Flugbegleiter, Reiseleiter und Safariveranstalter gründete er 2001 in Nairobi das Webdesign-Studio artKenya Ltd., das neben Kenia, Tansania und Uganda auch Kunden in Deutschland und den USA betreut. Kontakt: christian@artkenya.net, Internet: www.artkenya.net.

Dieser Artikel ist Teil 7 und letzte Teil der Serie: E-Commerce in Afrika

(Bildnachweise: Ken Banks – kiwanja.net)

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